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9 Das wohnungseigentumsrechtliche Verfahren vor Gericht (S. 305-306)
9.1 Die wichtigsten Änderungen im Überblick
9.1.1 Erkenntnisverfahren nach der Zivilprozessordnung
Das bisherige Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht wurde mit der WEG-Novelle in das Verfahren der Zivilprozessordnung überführt. Bisher galt das sog. Amtsermittlungsprinzip. Danach musste das Gericht bisher ohne Bindung an den Vortrag der einzelnen Parteien von sich aus die entscheidungserheblichen Tatsachen erforschen und dazu eigene Ermittlungen anstellen. Durch Überführung des Verfahrens in das Erkenntnisverfahren der Zivilprozessordnung hat sich in Wohnungseigentumssachen die Gerichtsbarkeit vollständig geändert.
9.1.2 Beibringungslast für Tatsachen
Die Beteiligten haben sämtliche Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Das Gericht hat nach der WEG-Novelle keine Verpflichtung mehr, von sich aus (von Amts wegen) zu ermitteln. Möchte der Kläger im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage z. B. rügen, dass das Abstimmungsergebnis falsch festgehalten wurde, so genügt es nicht, wenn er das Abstimmungsergebnis im Prozess lediglich pauschal bestreitet. Er muss darlegen und ggf. unter Beweis stellen, wer von den Wohnungseigentümern tatsächlich wie abgestimmt hat und weshalb die Feststellung des Mehrheitsverhältnisses fehlerhaft war.
Auch wenn dem einzelnen Wohnungseigentümer die Umstände der Auszählung nicht einsehbar waren, billigt die Rechtsprechung keine Beweislastumkehr zu, da ansonsten ein Ausforschungsbeweis vorliegen würde, der nach der Zivilprozessordnung unzulässig ist (LG München I, Urteil v. 27.04.99 Az. 1 S 20171/08, NJW RR 2009, 1672). Das Gericht hat aber eine sog. Hinweispflicht. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, diese ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und sachdienliche Anträge stellen. Das Gericht hat derartige Hinweise so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen (§ 139 Abs. 4 ZPO).
Tipp: Möglichst umfassend vortragen
Zwar besteht die richterliche Hinweispflicht, jedoch dient diese nicht dazu, neue Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge einzuführen, wenn sich dafür im streitigen Vorbringen der Parteien keine Ansätze finden. Tragen Sie deshalb in Ihren Schriftsätzen möglichst umfassend und vollständig vor. Eine weitere Hinweispflicht ergibt sich aus § 26 Abs. 2 des neuen WEG. Hat der Kläger einer Anfechtungsklage erkennbar eine Tatsache übersehen, aus der sich nicht nur die Anfechtbarkeit, sondern sogar die Nichtigkeit des Beschlusses ergibt, so hat das Gericht darauf hinzuweisen.
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