Mehr als nur ein WorT - Zur Diagnostik und Förderung von Grundschulkindern mit schwachen Rechtschreibleistungen im Rahmen des Regelunterrichts

Mehr als nur ein WorT - Zur Diagnostik und Förderung von Grundschulkindern mit schwachen Rechtschreibleistungen im Rahmen des Regelunterrichts

von: Nicole Berger

Herbert Utz Verlag , 2010

ISBN: 9783831609383 , 317 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 34,99 EUR

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Mehr als nur ein WorT - Zur Diagnostik und Förderung von Grundschulkindern mit schwachen Rechtschreibleistungen im Rahmen des Regelunterrichts


 

4 Intervention (S. 89-90)

Die Fülle an Trainingsmaßnahmen und -programmen ist nahezu unüberschaubar. Im Vergleich dazu fällt auf, dass nur sehr wenige dieser Maßnahmen systematisch evaluiert wurden und die Evaluationsstudien meist mit größeren theoretischen und/oder methodischen Mängeln behaftet sind. Dadurch wird eine Aussage über die Wirksamkeit erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. In ihrem 1993 erschienenen Überblicksartikel beschreibt Scheerer-Neumann einen Konsens, der bezüglich der Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten und deren wissenschaftlicher Begleitung erreicht werden sollte.

Trotz des weiter zurückliegenden Erscheinungsdatums haben die von ihr genannten Punkte auch im Lichte aktueller empirischer Befunde noch Gültigkeit. Daher sollen sie im Folgenden dargestellt werden: Die Förderung sollte individuell und adaptiv sein, was allerdings mit der empirischen Wirksamkeitsüberprüfung konfligiert, denn für eine Evaluationsstudie sollte das Vorgehen möglichst standardisiert und wiederholbar durchgeführt werden. Weiterhin konstatiert die Autorin die Notwendigkeit einer längeren Förderungsdauer, um anhaltende Verbesserungen zu erzielen.

Dies steht ebenfalls im Widerspruch zu dem Anspruch, die Programme wissenschaftlich zu begleiten. Hierfür stehen meist nur eingeschränkte zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Im Alltag der schulischen (und auch außerschulischen) Förderung sind die Mittel begrenzt, eine mehrjährige Begleitung erscheint zwar wünschenswert, ist aber nur in seltenen Fällen umsetzbar. Ebenso fordert Scheerer-Neumann den Einsatz einer Kontrollgruppe im Rahmen der Evaluation, da ansonsten auftretende Leistungssteigerungen nicht ohne Zweifel auf die durchgeführte Trainingsmaßnahme zurückzuführen sind, sondern lediglich den Effekt des regulären Unterrichts oder ein methodisches Artefakt darstellen können.

Unter artifiziellen Effekten ist beispielsweise die Regression zur Mitte zu verstehen, denn wenn ein/e Schüler/ in in einem Prätest eine sehr schlechte Leistung zeigte, so ist es wahrscheinlich, dass die Leistung im Posttest etwas weniger schlecht ausfällt. Dies erklärt sich durch ein Zusammentreffen bestimmter Faktoren, die eine extrem schlechte Leistung bedingen. Ein erneutes Zusammentreffen eben dieser Faktoren zu einem späteren Zeitpunkt scheint unwahrscheinlich.

Eine durch den Regressionseffekt bedingte Steigerung kann allerdings kaum als Trainingseffekt interpretiert werden. So ist der Einsatz einer Kontrollgruppe in jedem Fall wünschenswert, allerdings nicht immer umsetzbar. Zum Einen scheint es moralisch fragwürdig, einer Gruppe schwacher Schüler keine Behandlung zukommen zu lassen, nur um diese als Kontrollgruppe einer Evaluation verwenden zu können. Zum Anderen steht aufgrund knapper Ressourcen häufig keine geeignete Gruppe an Kindern zur Verfügung.

Um das Problem der moralischen Vertretbarkeit zu lösen, wird daher häufig auf Wartekontrollgruppen zurückgegriffen, bei denen die Kontrollgruppe die selbe Trainingsmaßnahme durchläuft wie die Trainingsgruppe, allerdings zeitlich versetzt. In der Zeit, in der die Kontrollgruppe untrainiert bleibt, dient sie als Vergleichsmaßstab für die Veränderung in der Trainingsgruppe. Eine weitere Lösung ist der Vergleich mit einer alternativen Trainingsmaßnahme, die in der Kontrollgruppe durchgeführt wird. Allerdings lassen sich in den Evaluationsstudien zur Lese-Rechtschreibförderung generell meist nur kleine Effekte finden, der Nachweis der Überlegenheit einer Maßnahme gegenüber einer anderen gestaltet sich unter diesen Umständen als schwierig.