Verhaltenstherapie mit Paaren - Ein bewältigungsorientierter Ansatz

von: Guy Bodenmann

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456951065 , 294 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 39,99 EUR

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Verhaltenstherapie mit Paaren - Ein bewältigungsorientierter Ansatz


 

1.4 Theoretischer Hintergrund

1.4.1 Lerntheorie

Wenn die Interaktion eines Paares im Alltag zusehends negativer wird (häufiges Ignorieren der Bedürfnisse des anderen, Egozentrik, häufiges Streiten mit eska- lativen Ausgängen etc.), spielt sich die Negativität vorerst lediglich auf der beha- vioralen Ebene ab. Es wird jedoch schnell deutlich, dass sich die Konsequenzen von häufiger Negativität im Verhalten auch auf andere Bereiche erstrecken. So führt eine quantitativ häufige Negativität in der dyadischen Interaktion neben einer negativen Reziprozität auf der Verhaltensebene auch zu ungünstigen Ver- änderungen auf der kognitiven, emotionalen und der physiologischen Ebene. Die Variable «Reaktion» der SORCK-Verhaltensgleichung (vgl. Kanfer & Philips, 1978; Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 1990), welche vier Ebenen (behavioral, kognitiv, emotional, physiologisch) umfasst, widerspiegelt damit negative Ver- änderungen innerhalb der Partnerschaft, die insbesondere durch die kognitiven und emotionalen Komponenten von großer Tragweite sind (s. Abb. 2).

Auf der behavioralen Ebene stellt eine chronfizierte Negativität im Alltag des- wegen ein gravierendes Problem dar, weil sie zur Entwicklung eines eingeschlif- fenen Verhaltensmusters führt und damit Gewöhnungscharakter erhält (habit, siehe Hull, 1951). Die Partnerin und der Partner gewöhnen sich an diese Art des negativen Umgangs miteinander und pendeln sich auf einem negativen Interaktionsniveau ein, das die Freiheitsgrade im Verhaltensrepertoire einschränkt. Während zufriedene Paare selbst in Konfliktsituationen die Möglichkeit haben, neutral, positiv oder negativ zu reagieren, ist bei unzufriedenen Paaren die Bereitschaft zur Negativität bereits zu Beginn eines Konfliktgesprächs signi- fikant erhöht und wird im Verlauf des Streitgesprächs verhaltensbestimmend (Hahlweg, 1991). Damit wird das negative Verhalten des Partners oder der Partnerin immer mehr prädominierend, das Verhaltensrepertoire verarmt bezüglich positiver Äußerungen und baut sich im negativen Bereich aus. Die Palette an hostilen Verhaltensweisen wird differenzierter, das Spektrum breiter, und der Ausdruck an Hostilität verfeinert sich (z.B. Zunahme an paraverbal negativen Bemerkungen).

Mit diesem immer häufigeren negativen Verhalten geht eine emotionale Veränderung einher, die einer klassischen Konditionierung (siehe Angermeier & Peters, 1973; Pawlow, 1972) höherer Ordnung entspricht. Die klassische Konditionierung erster Ordnung besteht darin, dass im Verlauf des eskalieren- den Konfliktgesprächs ein unkonditionierter Stimulus (UCS) (z. B. starke emo- tionale Erregungszustände mit Herzrasen oder Aggressionen des Partners) mit der Konfliktsituation gekoppelt wird. Die Konfliktsituation ist ursprünglich ein neutraler Stimulus (NS), da Konflikte per se nicht den Charakter eines unkonditionierten Stimulus aufweisen, sondern von verschiedenen Personen unterschiedlich beurteilt und erlebt werden. Infolge der Koppelung zwischen UCS und NS lösen künftig Konfliktsituationen (nun als konditionierter Stimu- lus: CS) beim Partner Unbehagen und aversive Gefühlszustände aus, bis hin zu Angstreaktionen (s. Abb. 3).

In der Folge wird der Partner mit den eskalierenden Konfliktsituationen, die jedes Mal aversive Gefühlszustände wie Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht (einhergehend mit einer starken physiologischen Erregung) auslösen, gekoppelt; er wird nun selbst zu einem konditionierten Stimulus zweiter Ordnung, der in der Lage ist (auch ohne Konflikte), negative Gefühle auszulösen (s. Abb. 4).