Servicequalität im Tourismus der Volksrepublik China - Zur Rolle der chinesischen Kultur

von: Markus Nörenberg

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836624886 , 105 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 43,00 EUR

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Servicequalität im Tourismus der Volksrepublik China - Zur Rolle der chinesischen Kultur


 

Kapitel 2.1.3 Tourismus und Kultur

Kulturbegriffe

Da der Tourismus als System zu verstehen ist, welches unter dem Einfluss mehrerer Umwelten steht, kommt es zu zahlreichen Wechselwirkungen. Im Folgenden sollen die Beziehungen zwischen der sozio-kulturellen Umwelt und dem Tourismus beschrieben werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung soll der Einfluss der Kultur der Bereisten auf den (Inbound-)Tourismus und dessen Qualität stehen. Aufgrund der in Abschnitt 2.1.2 (S.12) aufgeführten Eigenschaften touristischer Dienstleistungen und der daraus resultierenden Interaktion mit den Reisenden darf der Einfluss der Quellgebietskultur nicht unberücksichtigt bleiben.

Der Begriff „Kultur“ kann auf unterschiedlichste Weise verstanden werden. Eine für die Tourismuswissenschaft geeignete Definition stammt von Pestalozzi: „Kultur ist das, was für eine menschliche Gemeinschaft in einer bestimmten Region typisch ist.“

Drei konstitutive Merkmale sind aus dieser Definition ableitbar: (1) Eine Kultur gründet sich immer auf eine menschliche Gemeinschaft. Diese kann aus einer gewachsenen und emotionellen Verbindung oder aus einer „quasi per Vertrag“ entstandenen Gesellschaft geformt werden. Der Begriff Kultur soll auch in der gesamten Arbeit im sozio-kulturellen Sinne aufgefasst werden. (2) Eine Kultur wird vor allem von dem Zusammenspiel der sie umgebenden Umwelten geprägt. Sie ist daher untrennbar an eine bestimmte Region gebunden. (3) Eine Kultur besitzt unverwechselbare Eigenschaften (z. B. Werte, Normen), die sie sowohl nach innen (Zusammengehörigkeitsgefühl, Identität) als auch nach außen (gegenüber anderen Kulturen) auszeichnen.

Kultur soll dabei nicht als wertender, sondern als beschreibender Begriff verstanden werden. Er beinhaltet die Wertschätzung und den Erhalt alter Traditionen genauso wie die Entwicklung und den technischen Fortschritt der modernen Gesellschaft. Eine weitere kontextbezogene Definition des Begriffes hat Johann Gottfried Herder hervorgebracht, der die Kultur versteht als „eine Vielfalt von spezifischen Lebensformen, deren jede ihr eigenes Entwicklungsgesetz in sich trägt.“

Diese Definition ist im Rahmen der Arbeit in dreifacher Hinsicht nützlich. Erstens hebt sie die „Vielfalt von spezifischen Lebensformen“, die die Existenz des Kulturtourismus begründet, hervor. Zweitens erklärt sie, dass sich jede menschliche Gemeinschaft - beeinflusst von bestimmten Strömungen - nach eigenen Regeln entwickelt hat. Drittens betont sie, dass die Mitglieder der Gemeinschaft die entstandenen Werte und Normen internalisiert haben und ihre Denk- bzw. Verhaltensweise davon mehr oder weniger beeinflusst wird.

Das Vier-Kulturen-Schema: Die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Kultur und Tourismus stellen sich in vielfacher Weise dar. So beschreibt eine dieser Beziehungen Kultur als Motiv für das Reisen. Reisende möchten die Natur und Geschichte einer Destination erleben und mit den Einheimischen in Kontakt treten. Eine andere Beziehung betrachtet Kultur beispielsweise als „Angebotsbestandteil der Zielgebiete“, d.h. als Teil des ursprünglichen Angebots einer Destination. Um diesen Sachverhalt besser zu veranschaulichen, ist das Vier-Kulturen-Schema von Thiem geeignet.

Es wird davon ausgegangen, dass der Tourismus von vier verschiedenen Kulturen beeinflusst wird. Die Kultur der Quellregion stellt die heimische Kultur der Reisenden dar. Sie darf keineswegs als homogen betrachtet werden, da die Touristen in einer Destination häufig aus verschiedenen Ländern stammen. Deren Verhaltensweisen in der Destination prägen wiederum die künstlich geschaffene Ferienkultur. Diese beschränkt sich nicht nur auf den Lebensstil der Reisenden, sondern umfasst auch die aus dem Heimatland „mitgebrachte“ Ferienkultur (also die der Reiseveranstalter, Reiseleiter, Tourismuswerbung usw.). Mit dem Entstehen einer touristischen Infrastruktur und der Ankunft von Urlaubern entwickelt sich in einer Destination auch eine Dienstleistungskultur, die auf die Ferienkultur trifft. Die Einstellung und das Verhalten der im Tourismus beschäftigten Einheimischen gegenüber den Touristen unterscheiden sich meist stark von dem, was für ihre heimische Kultur, die Kultur der Zielregion, typisch ist. Diese wird aus Sicht der Touristen oft als das ersehnte „Ursprüngliche“ angesehen und kann als gewachsene Kultur bezeichnet werden.

Es ist festzuhalten, dass die Einstellungen und das Verhalten der Träger der Dienstleistungskultur (beispielsweise der chinesischen Reiseleiter) durch die Kultur der Zielregion maßgeblich beeinflusst werden. Bei dem abschließenden Urteil über die Servicequalität darf der Einfluss der Ferienkultur nicht unberücksichtigt bleiben. Dieser ist vor allem verantwortlich für die Bildung der Erwartungshaltung der Touristen (z.B. Imagewerbung des Fremdenverkehrsamtes der VR China).

Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Charakter einer Dienstleistungskultur haben auch der Grad der Fremdbestimmung und die Mentalität der Einheimischen. Sind die Menschen vor Ort „Fremden“ gegenüber sehr aufgeschlossen und liegt der Tourismus weitestgehend in fremder Hand (internationale Kettenhotels usw.), ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass früher oder später fremde Kulturelemente mehr oder weniger stark übernommen werden. Es besteht die Gefahr einer kulturellen Entfremdung mit der Folge, dass die Zielregion für Kulturtouristen an Attraktivität verliert. Eine sehr verschlossene Gesellschaft wird die „Fremden“ weniger herzlich empfangen und versuchen, sich unter dem starken Fremdeinfluss vom Tourismus „abzuschotten“.

Interkulturelles Management: Die verschiedenen Kulturen der Welt zeichnen sich durch besondere Normen oder Kulturstandards (z.B.den Grad der Individualität, das Respekt-/ Toleranzverhalten, die Bedeutung der Familie) aus. Diese beeinflussen das Denken und Handeln der Mitglieder einer Kultur. Je weiter zwei Kulturen von einander entfernt sind, desto bewusster und intensiver werden die Unterschiede bei den kulturellen Standards wahrgenommen. Um Unterschiede und damit mögliches Konfliktpotenzial ausfindig zu machen, hat es sich als nützlich erwiesen, die Normen einzelner Kulturgruppen gegenüberzustellen und sie zu bewerten.

Auf Reisen kann es bei der Begegnung zweier völlig verschiedener Kulturen zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Eine besondere Funktion kommt hierbei dem Reiseleiter zu. Neben der organisatorischen Durchführung eines Pauschalangebots besteht seine Aufgabe vor allem darin, den Teilnehmern die Vielfalt und das Verständnis für die kulturelle Eigenart einer Region nahe zubringen.