Körperorientierte Ansätze für Musiker - Methoden zur Leistungs- und Gesundheitsförderung

von: Claudia Spahn

Hogrefe AG, 2017

ISBN: 9783456955025 , 320 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 39,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Körperorientierte Ansätze für Musiker - Methoden zur Leistungs- und Gesundheitsförderung


 

4 Feldenkrais-Methode

Barbara Noé

Die Feldenkrais-Methode ist nach ihrem Begründer Moshé Feldenkrais (1904– 1984) benannt. Sie versteht sich als Verfahren zur Gestaltung von Lernprozessen, die zu einer intensiveren Körperwahrnehmung und besseren Bewegungsqualität führen. Feldenkrais geht davon aus, dass Bewegung das zentrale Agens darstellt, um Lernprozesse in Gang zu bringen. In diesem Sinne werden in der Feldenkrais- Methode Bewegungslektionen mit dem Ziel ausgeführt, das Gehirn durch sensomotorische Erfahrungen zur Gestaltung neuer und optimierter Bewegungsmuster anzuregen.

4.1 Entstehung und Konzept

4.1.1 Entstehung

Die Feldenkrais-Methode geht auf eine persönliche Erfahrung von Moshé Feldenkrais im Umgang mit seinem eigenen Körper zurück. So gelang es ihm, eine Verletzung seines linken Knies und die dadurch entstandene Funktionseinschränkung durch optimalen Gebrauch seines Körpers auszugleichen. Als Wissenschaftler hatte er gelernt, Erfahrungen auf ihre Gesetzmäßigkeiten hin zu untersuchen und hieraus übergeordnete Prinzipien zu formulieren. Nach diesem Vorgehen entwickelte er die Feldenkrais-Methode. Die Wissens- und Erfahrungsquellen, aus denen er schöpfte, sind eng mit seiner Biografie verbunden. Zu Beginn dieses Kapitels über die Feldenkrais-Methode soll deshalb ein Blick in das Leben von Moshé Feldenkrais stehen.

4.1.2 Biographische Skizze zu Moshé Feldenkrais

1904 wird Moshé Feldenkrais in der kleinen Stadt Slawuta in der Ukraine geboren – einem Gebiet, in dem Juden damals per Gesetz leben durften. Frühe positive Kindheitserlebnisse gelten dem stattlichen und gastfreundlichen Haus des Großvaters mütterlicherseits, der Holzhändler und Bankier war. Bereits im Alter von drei Jahren muss Moshé jedoch erstmals mit seinen Eltern vor Judenhassern flüchten und seitdem prägen antisemitische Bedrohung und Verfolgung sein Leben und das seiner Familie. Als seine Mutter Sheindel auch nach dem Umzug der Familie nach Baranowicze – heute Weißrussland – um die Zukunft ihres ältesten Sohnes fürchten muss, lässt sie ihn in das Land ziehen, das Juden eine Heimat verspricht: 1917 hatte sich die britische Regierung verpflichtet, die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina zu fördern. Mit der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit und mit dem Segen seiner Familie macht sich Moshé als knapp Fünfzehnjähriger allein auf den weiten Weg nach Palästina. Im damals erst zehntausend Einwohner zählenden Tel Aviv arbeitet er mit anderen jungen Männern am Aufbau des Staates Israel und baut Häuser. Er schließt sich der jüdischen Selbstverteidigungsorganisation Haganah an und lernt von einem jungen Deutschen aus Berlin die japanische Kampftechnik Jiu-Jitsu, um für den Straßenkampf gerüstet zu sein. Moshé nimmt die Kampftechnik nicht nur mit Begeisterung auf, sondern versucht, sie für seine Zwecke der Selbstverteidigung weiterzuentwickeln. Sein Wissensdurst und seine unbedingte Neugier, Dingen auf den Grund gehen zu wollen, zeichnen ihn schon in diesem jungen Alter aus. Im Zelt – für eine Wohnung war er zu arm – lernt er Mathematik und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium vor. Das Schulgeld finanziert er durch Nachhilfeunterricht, bei dem er sich durch seine pädagogische Begabung bald einen Namen macht. 1926, ein halbes Jahr nach dem Abitur, erhält Moshé eine Festanstellung als Landvermesser bei der britischen Mandatsregierung. Erstmals verdient er genügend Geld, um in einem Haus wohnen und sich ordentlich kleiden zu können.

In dem Schauspieler Aharon Meskin findet er einen inspirierenden Gesprächspartner und lebenslangen Freund. Moshé beschäftigt sich intensiv weiter mit Bewegung – 1931 wird sein erstes Buch „Jiu-Jitsu ve-Haganah Atzmit“ erscheinen – und er trainiert mehrere Sportarten. Beim Fußballspielen erleidet er eine schwere Verletzung am linken Knie, die ihn sechs Monate ans Bett fesselt. Eine operative Behandlung ist zu dieser Zeit noch nicht möglich. So versucht er aus eigener Kraft wieder „auf die Beine zu kommen“, indem er sich mit seinem Körper und dessen Bewegungspotential beschäftigt. Er kann schließlich wieder laufen, sein Leben lang wird ihm die Verletzlichkeit seines Kniegelenks jedoch Anstoß für die Erforschung von Bewegungen und deren Optimierung bleiben. Aus dieser Beschäftigung gewinnt er immer wieder entscheidende Anstöße für die Entwicklung seiner Methode. 1929 – mit 25 Jahren – entscheidet sich Moshé Feldenkrais für einen nochmaligen Neuanfang und beginnt in Paris an der Sorbonne, Ingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Mechanik zu studieren. 1933 gründet er dort den „Jiu-Jitsu Club de France“ und 1934 erscheint sein Buch über Jiu Jitsu erstmals in französischer Sprache. Bei einem Vortrag in Paris begegnet er dem japanischen Begründer des Judo, Jigoro Kano (1860–1938). Von Kanos Schülern erhält er Judounterricht und wird als erster europäischer Judoka mit dem Schwarzen Gurt zweiten Grades ausgezeichnet. Auf Wunsch Kanos wird Moshé Feldenkrais der Botschafter für Judo in Frankreich.