Nutzerorientierung - ein Fremdwort in der Gesundheitssicherung?

von: Kati Mozygemba, Sarah Mümken, Ulla Krause (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2008

ISBN: 9783456945972 , 225 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 21,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Nutzerorientierung - ein Fremdwort in der Gesundheitssicherung?


 

"Auf dem Weg zum Nutzer – Zur Entwicklung einer Konzeption (S. 65-66)

Marion Rehm, Matthias Zündel

Die gesundheitspolitischen Reformbemühungen verändern nicht nur die Strukturen des Gesundheitssystems, sondern haben auch eine Veränderung der Semantik zur Folge: Wurde bis vor einigen Jahren im deutschen Gesundheitswesen fast immer von Patientinnen und Patienten, vielleicht noch von Versicherten und Kundinnen gesprochen, scheinen diese Begriffe derzeit fast synonym verwendet zu werden. Zusätzlich hat der Begriff des „Nutzers"" Einzug in die gesundheitspolitische Debatte gehalten. Wer sich aber hinter den „Nutzern"" verbirgt und was unter „Nutzerorientierung"" genau zu verstehen ist, bleibt dabei meist unklar.

Der vorliegende Beitrag versucht die beiden Termini zu definieren und herauszuarbeiten wer eigentlich die Nutzerinnen des Gesundheitssystems sind und was unter Nutzerorientierung zu verstehen ist. Zunächst wird die Entwicklung bis zur Herausbildung des Nutzerbegriffs beschrieben, um im nächsten Schritt den Nutzer zu definieren. Im dritten Abschnitt wird auf die Komplexität der Begriffskonstruktion des Nutzers eingegangen. Daran schließen sich einige Ausführungen zur Nutzerorientierung an.

1 Vom Patient zum Nutzer

Seit den neunziger Jahren kritisiert nicht nur der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR)1 in seinen Gutachten die Versorgungsdefizite. Besonders beklagt werden die Qualitätsdefizite in der gesundheitlichen und medizinischen Versorgung, sowie die mangelnde Patientenorientierung (Badura, 1994, Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen [SVR], 1995).

Um die Qualität der Versorgung zu verbessern und die vorhandenen Ressourcen effektiver und effizienter einzusetzen, besteht nach Ansicht des Rates die Notwendigkeit, die Ergebnisorientierung im Gesundheitswesen zu erhöhen. Ein Lösungsvorschlag zielt auf die stärkere Beteiligung der Patientinnen und Patienten am medizinischen Leistungsgeschehen2 und auf die Eigenverantwortung der Versicherten ab (SVR, 1995, SVR, 1997).

Im Zuge dessen wird die Empfehlung ausgesprochen, Patientenorientierung und Partizipationsmög lichkeiten der Versicherten auszubauen (SVR, 1995). Allerdings bleibt hier noch unklar was der Rat unter Patientenorientierung und Partizipation versteht und welche Bedeutung diese Begriffe für die Ausgestaltung von gesundheitspolitischen Maßnahmen haben. Im Sondergutachten des Sachverständigenrates von 1997 lassen sich konzeptionell drei Ansätze der Patientenorientierung unterscheiden: patient orientation, consumerism und community participation (SVR, 1997, S. 68ff).

Dabei werden bei den Zielgruppen unterschiedliche Schwerpunkte herausgearbeitet. Die patient orientation nimmt die Gruppe der Patientinnen3 und deren Angehörige in den Fokus. Durch Veränderungen von Organisationsstrukturen in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen soll unter anderem durch die Einführung von Versorgungspfaden die Zufriedenheit der Patienten erhöht werden. Die Ebene des consumerism konzentriert sich auf eine Verbraucherhaltung. Durch die Ermittlung der Ergebnisqualität von Gesundheitsleistungen soll die Verbraucherin bei der Suche nach dem qualitativ besten Leistungsangebot unterstützt werden.

Im Bereich der community participation stehen Vertreter von Patientinnen in politischen Entscheidungsgremien im Mittelpunkt, um den Blickwinkel betroffener Bevölkerungsgruppen zu repräsentieren. Zum Beispiel ist das durch die Einführung der sogenannten „dritten Bank"" im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)4 geschehen (SVR, 1997). Wie Anfangs dargestellt, wird die Diskussion um Partizipation und Eigenverantwortung von zwei Argumentationslinien geführt. Zum einen zielt sie auf die Verbesserung der Versorgungsqualität ab. Zum anderen geht es aber auch um eine bessere Ressourcenverteilung und Effizienz in der Gesundheitsversorgung (SVR, 2000/01, Band II, SVR, 2000/2001, Band III). Damit wird eine ökonomische Sichtweise mit der Qualitätsdebatte verknüpft und es stellt sich hier die Frage, ob die Verbesserung von Versorgungsleistungen tatsächlich zu einer kostengünstigeren Versorgung führt. "