Professionalität in der Schuldnerberatung - Handlungstypen im Vergleich

von: Monika Thomsen

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531909776 , 264 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 42,25 EUR

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Professionalität in der Schuldnerberatung - Handlungstypen im Vergleich


 

5. Eine Typologie der professionellen Selbstverständnisse von Schuldnerberatern (S. 95-96)

Wie in Kapitel 2.1. dargestellt, skizziert Oevermann Professionalität im Rahmen von Therapie ausschließlich innerhalb des je individuellen Berater-Klienten-Verhältnisses. Auch für die Schuldnerberater hat sich die Beratungsbeziehung, die im Rahmen der Einzelfallarbeit konstituiert wird, als Ort erwiesen, an dem sich unterschiedliche professionelle Selbstverständnisse herauskristallisieren, allerdings mit dem Zusatz, dass gleichzeitig die Gläubiger in den Blick genommen werden. Die Beratungsbeziehung zeichnet sich dadurch aus, dass sie weitgehend unter Ausschluss einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit konstituiert wird.

Vorgesetzte können zwar Vorgaben in Bezug auf die Zeit oder zu produzierende Ergebnisse wie z.B. Übersichten oder Akteneinträge machen. Wie die Berater aber zu den Ergebnissen kommen, wie sie mit den Klienten umgehen, wo sie Schwerpunkte in der Beratung setzen etc., kann nicht kontrolliert werden. Die Schuldnerberater können die Beratungsbeziehung also autonom gestalten. Herr Pit spricht deshalb auch davon, dass Berater in der Einzelfallarbeit mit den Klienten nach ihrer eigenen subjektiven Profession (04 Z. 450) arbeiten können.

Bei der Analyse der Daten schälten sich drei Kategorien heraus, die für das professionelle Selbstverständnis der Berater konstitutiv erschienen. Die erste Kategorie wird als „Beratungsorientierung" bezeichnet. So zeigen sich Berater in der Beratung primär an den Finanzen, am Recht oder am jeweiligen Einzelfall orientiert. Die ersten beiden Orientierungen sind eher als funktional einzustufen. Im Fokus der Berater liegt die Bearbeitung des Schuldenproblems, und zwar in kaufmännischer oder in rechtlicher Hinsicht. Dieses muss „gelöst" werden, entweder durch die Beseitigung der Schulden oder durch die Klärung der Rechtslage. Orientieren sich die Berater dagegen am jeweiligen Einzelfall, so ist ihre Orientierung kommunikativ und interaktiv. Sie handeln gemeinsam mit den Schuldnern aus, was das Ziel der Beratung sein soll.

Die „Beratungsorientierung" beschreibt also eine Facette der Ausgestaltung des Arbeitsbündnisses zwischen den Professionellen und den Klienten. Im Speziellen geht es um das von Oevermann beschriebene Ausbalancieren von asymmetrischem Expertentum und symmetrischer Akzeptanz der Autonomie der Lebenspraxis. Die zweite Kategorie wird als„emotionale Haltung" insbesondere gegenüber den Klienten und den Gläubigern bezeichnet. Das Kontinuum reicht diesbezüglich von einer geschäftsmäßig distanzierten über eine emphatische Haltung bis zur Identifikation oder Projektion. Verhält sich ein Berater geschäftsmäßig distanziert, dann betont er die rollenförmigen Anteile der Beziehung.

Er agiert als Experte. Eigene Gefühle und die der Klienten spielen in der Beratung eine untergeordnete Rolle. Identifiziert er sich mit dem Schuldner oder mit dem Gläubiger oder projiziert etwas auf ihn, so betont er dagegen die diffusen Anteile der Beziehung. Die Arbeitsbeziehung nimmt damit Züge einer Privatbeziehung an. Gefühle, sowohl die der Klienten als auch die eigenen spielen eine große Rolle, auch wenn das den Beratern nicht immer bewusst zu sein scheint. Eine empathische Haltung schließlich ist dann gegeben, wenn der Berater alles, was Schuldner und Gläubiger bewegt, berücksichtigt, jedoch selbst darauf nicht so reagiert wie in Privatbeziehungen.

Empathische Berater nehmen die Gefühle der Klienten auf und versuchen, auch ihre eigenen Gefühle zu registrieren, agieren diese jedoch nicht aus. Insgesamt scheint es, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, jedoch ausreichend zu sein, lediglich zwischen einer Haltung, die durch eine emotionale Verwicklung des Beraters gekennzeichnet ist, und einer Haltung, die nicht durch eine solche Verwicklung gekennzeichnet ist, zu unterscheiden. In Ermangelung eines besseren Begriffs bezeichne ich letztere als „emotional distanziert". Die „emotionale Haltung" zeigt also insbesondere an, inwiefern sich Berater selbst als Personen in die Beratungsbeziehung einbringen oder, wie Oevermann es fordert, abstinent bleiben.