Bildung: Angebot oder Zumutung?

von: Yvonne Gabriele Ehrenspeck-Kolasa, Gerhard de Haan, Ansgar Thiel

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908267 , 289 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 56,64 EUR

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Bildung: Angebot oder Zumutung?


 

4.2 Wissen als Ressource: kulturelles Kapital (S. 53)

Kulturelles Kapital tritt in drei möglichen Formen auf: als kulturelle Güter, d.h. in objektiver Form, z.B. als Bücher oder Gemälde, in institutionalisierter Weise als gesellschaftlich anerkannte Bildungstitel und schließlich in inkorporierter Form durch angeeignete ,,Bildung (Bourdieu 2001b: l13f.).

Bourdieu verwendet den Begriff des kulturellen Kapitals, um zu zeigen, dass das Wissen eines Akteurs das Resultat gesellschaftlicher Arbeit ist, die das Umfeld und der Akteur selbst in seine Bildungsentwicklung investiert haben. Die Aneignung kulturellen Kapitals durch Inkorporierung ist ein Prozess, der Kultur in den Körper einschreibt.

Diese Art des Wissenserwerbs als verinnerlichte kulturelle Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet Bourdieu als ,,Bildung (ebd.: 116). ,,Wissen stellt in diesem Fall eine Ressource des Akteurs dar, auf die zurückgegriffen werden kann, ist aber auch mehr als das: Es ist in Form des Habitus erlerntes und praktiziertes Wissen, d.h. Teil der Identität eines Akteurs. Diese Ressource ist sozial ungleich verteilt:

,,In Wirklichkeit jedoch vermittelt jede Familie ihren Kindern auf eher indirekten als direkten Wegen ein bestimmtes kulturelles Kapital, ein System impliziter und tief verinnerlichter Werte, das u.a auch die Einstellungen zum kulturellen Kapital und zur schulischen institution entscheidend beeinflusst. (ebd. 26, Hervorhebungen im Original, L.K.)

Das ,,kulturelle Erbe (ebd.) wird durch ,,soziale Vererbung weitergegeben, d.h. die Kapitalstruktur der Familie in ökonomischer, sozialer und kultureller Hinsicht spielt eine erhebliche Rolle in Bezug auf die Inkorporierung des kulturellen Kapitals durch einen Akteur (ebd.: 114). Bildung zu inkorporieren heißt nicht nur schulisches oder akademisches Wissen zu erlangen, sondern auch Wissen über Verhaltensweisen, soziale Kompetenz und auch Wissen in der Form eines als wahrhaftig empfundenen Genusses eines sonst unverständlichen Kunstwerkes oder Musikstückes.

Kulturelles Kapital in objektivierter Form kann folglich nur mit einem ,,gebildeten Habitus erfasst werden, erfordert also vorangegangene inkorporierte Bildungsarbeit.

So kann festgestellt werden, dass Bildung elementarer Teil des Habitus ist. Da dieser die Machtverhältnisse zwischen Feld und Akteur repräsentiert, ist im Habitus nach den Möglichkeiten und Grenzen dessen zu suchen, was ein Akteur wissen kann. Das Feld setzt die institutionellen Voraussetzungen für die Verteilung des kulturellen Kapitals (Bourdieu 1987: 237).

Akteure, deren unmittelbares Umfeld mehr ökonomisches und kulturelles Kapital aufweist, haben, wie Bourdieu auch empirisch nachweist, bessere Chancen der Interessensdurchsetzung in der Schule und im späteren Berufsleben (Bourdieu 2001 b: 25ff., Bourdieu/Passeron 1971).

4.3 Wissen als Kognition: symbolisches Kapital

Unter symbolischem Kapital versteht Bourdieu das Kapital an Renommee und Prestige, das mit den jeweils anderen Kapitalsorten verbunden ist. Es handelt sich um die soziale Legitimation, welche der Handlung oder dem Besitz eines Akteurs von anderen Akteuren oder Gruppen im jeweiligen Feld entgegengebracht wird. Das symbolische Kapital beruht dabei auf der Akkumulation der anderen Kapitalsorten, ökonomisch, sozial und kulturell, und ist eine Wahrnehmungsinstanz:

Das symbolische Kapital (...) ist nicht eine besondere Art Kapital, sondern das, was aus jeder Art von Kapital wird, das als Kapital, das heißt als (aktuelle oder potentielle) Kraft, Macht oder Fähigkeit zur Ausbeutung verkannt, also als legitim anerkannt wird. (Bourdieu 2001 a: 311)