Persönlichkeitsorientierte Psychotherapie

von: Gudula Ritz-Schulte, Pamela Schmidt, Julius Kuhl

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008

ISBN: 9783840921674 , 176 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Persönlichkeitsorientierte Psychotherapie


 

2 Psychologische Grundlagen der PPT (S. 29)
Ein persönlichkeitsorientiertes Störungsmodell ist ein differenzielles und gleichzeitig ein klientenzentriertes Störungsmodell. Dies liegt daran, dass das Angebot auf den innerpsychischen Funktionszusammenhang der Persönlichkeit des individuellen Patienten Bezug nimmt. Dieses Verstehen des Funktionszusammenhangs einer Störung erlaubt dem Therapeuten ein Ansetzen auf der Verursachungsebene, so dass bei der Gestaltung des Therapieprozesses über ein symptomorientiertes oder ein experimentelles Vorgehen (nach Versuch und Irrtum) hinausgegangen werden kann.

Das Angebot des Therapeuten kann in extremer Weise auf die Persönlichkeit des einzelnen Patienten abgestimmt sein, ohne dass der Therapeut bei jedem Patienten „das Rad neu erfinden muss". Er braucht dies nicht, wenn er auf ein valides Störungsmodell zurückgreifen kann, das ihm die „Angelpunkte" der Funktionsweise einer Störung bei einem bestimmten Patienten erleichtert.

Ein Störungsmodell für Psychotherapie muss mindestens zwei Anforderungen erfüllen (vgl. Abb. 1, S. 9).

1. Erstens sollte es grundlagenpsychologisch fundiert sein und dabei die persönlichen Systemkonstellationen, Ressourcen und Defizite eines Patienten zur Modellierung seiner Störung verständlich machen.

2. Zweitens sollte es für die praktisch tätigen Psychotherapeuten handhabbar sein, d. h., es sollte ein Modell darstellen, welches die Entstehung von Symptomen und Problemen plausibel erklärt und aus dem sich therapeutische Interventionsmöglichkeiten präzise ableiten lassen.

Wenn ich etwas gestalten will, z. B. einen Garten, muss ich zunächst etwas über die Eigenschaften der zu verarbeitenden Materialien und Pflanzen wissen. Darüber hinaus muss ich über gärtnerische Gestaltungskompetenzen verfügen. Ein analoger Zusammenhang besteht zwischen Psychotherapie und Grundlagenwissen, deren gemeinsame Basis das psychologische Grundlagenwissen ist. Diese „Kunst", die die Auswahl und professionelle Realisierung der Veränderungstheorien beinhaltet, sollte ganz unterschiedliche methodische Vorgehensweisen berücksichtigen, die sich genau wie die Störungsmodelle aus der Funktionsanalyse der Störung ableiten lassen.

Viele Wege führen nach Rom. Dieses Bild lässt sich problemlos auf die Psychotherapie übertragen. Es bedeutet nicht, dass alle therapeutischen Vorgehensweisen für jedes Problem und jeden Patienten gleich gut geeignet sind. Eine solche „psychotherapeutische Universalmethode" würde bedeuten, dass alle Patienten, unabhängig von der Störung und unabhängig von ihrer Persönlichkeit, ein nahezu identisches oder, analog dem Dodobird- Verdikt, ein beliebiges therapeutisches Angebot erhalten. Für jeden Patienten gibt es mehrere optimale Wege und diese hängen nicht ausschließlich von der Störung ab, sondern auch von den Vorlieben und den Ressourcen des Patienten.

Das Phänomen einer Angststörung kann bei verschiedenen Patienten auf ähnlichen Systemvoraussetzungen beruhen, die aber beim einzelnen Patienten unterschiedliche Konfigurationen ergeben. Es können analog zum breit akzeptierten multifaktoriellen Krankheitsmodell auch vollkommen unterschiedliche Faktoren zu einer Angststörung führen.

Ressourcen und Defizite können beim individuellen Patienten trotz gleichartiger Störung unterschiedlich ausgeprägt und geartet sein. Es lohnt sich, um diese Unterschiede zu wissen. Wir halten diese Erweiterung störungsspezifischer Psychotherapie für sehr bedeutsam, da die Bandlungsansätze genauso differenziert sein sollen, wie das Störungsbild, dem sie gegenüberstehen.

Damit man einen Menschen auf seinem Weg zur Besserung oder Heilung (Therapie) begleiten kann, ist es wichtig, ihn als Persönlichkeit auch zu finden. Das erfordert eine genaue Kenntnis des Standortes und der Ressourcen des hilfsbedürftigen Menschen. Zu einer genauen Standortbestimmung kann neben einer funktionsanalytischen Betrachtungsweise auch eine gezielte Diagnostik beitragen. Diese bleibt auch von Bedeutung, wenn es darum geht, einzuschätzen, wie weit man noch vom Ziel entfernt ist und wie gut man auf dem Weg vorangekommen ist.