Bridget Jones - Verrückt nach ihm - Roman

von: Helen Fielding

Goldmann, 2014

ISBN: 9783641118747 , 512 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 8,99 EUR

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Bridget Jones - Verrückt nach ihm - Roman


 

Donnerstag, 18. April 2013

14.30 Uhr. Soeben hat Talitha angerufen und mich wie immer auf ihre geheimniskrämerisch-aufgekratzte Art zugetextet. »Schatz, du sollst wissen, am 24. Mai ist mein Sechzigster. Natürlich nicht offiziell. Offiziell ist es nur ein ganz normaler Geburtstag. Und, bitte, sag auch keinem was von einer Party. Schließlich kann ich nicht jeden einladen. Ich will nur, dass du dir den Termin vormerkst.«

Bei mir sofort Panik. »Äähm, das ist ja super!«, brachte ich wenig überzeugend hervor.

»Bridget, es ist ausgeschlossen, dass du nicht kommst.«

»Die Sache ist nur die …«

»Was?«

»Am selben Abend feiert Roxster seinen Dreißigsten.«

Totenstille am anderen Ende der Leitung.

»Gut möglich, dass wir im Mai gar nicht mehr zusammen sind, aber falls doch, dann könnte es …« Ich wusste nicht weiter.

»Ich habe extra auf die Einladung geschrieben ›keine Kinder‹.«

»Immerhin wird er dreißig«, wehrte ich mich.

»War nur ein Witz, Schatz. Natürlich kannst du deinen Toyboy mitbringen. Ich organisiere schon mal eine Hüpfburg für ihn. Hoppla, bin wieder auf Sendung, muss weg, tschüssi!«

Versuchte, den Fernseher einzuschalten, um zu sehen, ob mich Talitha, wie so oft, live aus dem Studio angerufen hat, während gerade ein Filmbeitrag lief. Wie eine Blöde auf den Tasten herumgedrückt. Warum braucht man neuerdings drei Fernbedienungen mit neunzig Tasten, um die Glotze anzukriegen? Mein Verdacht: Die Dinger werden in verschmuddelten Jugendzimmern entwickelt, von pubertierenden Technikfreaks, die angetreten sind, den kompliziertesten Gebrauchsgegenstand aller Zeiten zu bauen. Soll sich der Normalmensch ruhig als Versager fühlen, ihnen ist das egal. Diese Pickelgesichter nehmen seelischen Schaden von globalem Ausmaß in Kauf.

Schmeiße Fernbedienungen genervt aufs Sofa, worauf Fernseher angeht und eine makellos gestylte Talitha zeigt, die sexy ein Bein übergeschlagen hat und interessanten Studiogast interviewt. Heute: ein dunkelhaariger Liverpool-Spieler mit offenbar geringer Frustrationstoleranz, der einen Spieler der Gegenmannschaft gebissen hat. Auch jetzt sieht er aus, als könnte er jeden Moment seine Zähne in Talitha schlagen, wenngleich nicht aus demselben Grund wie auf dem Platz.

Okay. Kein Grund zur Panik. Werde einfach meine bewährte Pro-und-Kontra-Tabelle erstellen? Also: Ist Roxsters Anwesenheit auf Talithas Party eine gute Idee?

ARGUMENTE DAFÜR,
ROXSTER MITZUSCHLEPPEN:

  • Rückzieher machen geht nicht. Das kann ich Talitha nicht antun. Sie ist meine Freundin seit Sit Up Britain-Zeiten – als sie die glamouröse Nachrichtensprecherin war und ich nur das Dummchen aus der Redaktion.
  • Der Kontrast dreißigster gegen sechzigster Geburtstag könnte ganz lustig werden und den anderen vor allem ihre elende Mitleidstour vermasseln. Sie tun nämlich immer so, als sei für eine Frau »ab einem gewissen Alter« der Zug sowieso abgefahren, während gleich alte Männer angeblich aufpassen müssen, dass sie nicht von der Nächsten weggeangelt werden, ehe auch nur die Scheidung durch ist. Und Roxster ist so was von jung und morgenschön, dass ich mir einreden kann, mein eigenes Alter betrifft mich nicht mehr.

ARGUMENTE DAGEGEN,
ROXSTER MITZUSCHLEPPEN:

  • Roxster ist sein eigener Herr und will möglicherweise nicht als Witz auf zwei Beinen oder als passendes Anti-Aging-Mittelchen gesehen werden.
  • Ü60-Fete mit lauter älteren Herrschaften könnte mich möglicherweise in ein falsches Licht rücken und Roxster abschrecken. Im schlimmsten Fall fühlt er sich sogar genötigt, unseren Altersunterschied zu thematisieren, obwohl ich doch so viel jünger bin als Talitha. Ehrlich gesagt will ich gar nicht wissen, wie alt ich wirklich bin. Wie Oscar Wilde so richtig sagte, ist 35 das perfekte Alter für eine Frau. Das stimmt. Nicht umsonst haben sich so viele Frauen dieser Meinung angeschlossen und werden ihr Leben lang keinen Tag älter.
  • Vielleicht veranstaltet Roxster aber auch seine eigene Party, mit Grillen auf dem Balkon, Siebzigerjahre-Discomusik und massenhaft jungen Leuten, die diese Zeit gar nicht erlebt haben und Disco deshalb »voll retro« finden. Wahrscheinlich überlegt er gerade, wie er eine Einladung an mich vermeiden kann, damit seine Freunde nicht herauskriegen, dass er mit einer Frau zusammen ist, die seine Mutter sein könnte. Ja, sogar seine Großmutter! Schließlich kommen die Kids heutzutage immer früher in die Pubertät, mit all der hormonverseuchten Milch und so. Himmel, was soll das? Warum ziehe ich mich mit solchen Gedanken runter?

15.10 Uhr. Gaaah! Muss in zwanzig Minuten Mabel abholen, und die Reiswaffeln sind auch noch nicht eingepackt. Gaah! Jetzt klingelt auch noch dasTelefon.

»Ich verbinde Sie mit Brian Katzenberg.«

Mein neuer Agent! Ich habe nämlich seit Neuestem einen Agenten. Allerdings komme ich garantiert zu spät zur Schule, wenn ich jetzt mit ihm spreche.

»Kann ich Brian später zurückrufen?«, trällerte ich in den Hörer und versuchte zugleich, die Reiswaffeln einhändig mit Margarine zu bestreichen, zusammenzuklappen und in einen Sandwichbeutel zu stecken.

»Es geht um das Drehbuch, für das Sie einen Produzenten suchen.«

»Ich bin … in einer Konferenz!«, sagte ich aufs Geratewohl, obwohl das natürlich Unsinn war. Nur Sekretärinnen können sagen, dass jemand in einer Konferenz ist, nicht dieser Jemand selbst. Denn der sitzt ja in dem Meeting.

Also los zur Schule. Natürlich hätte ich am liebsten sofort erfahren, was es Neues an der Drehbuchfront gab. Brian hat das Manuskript bisher zwei Produktionsfirmen angeboten, beide Male mit einer Absage. Aber vielleicht hat ja jetzt einer angebissen.

Versuchung war übermächtig, Konferenz für beendet zu erklären und Brian anzurufen, entschied mich aber dagegen. Daran sieht man, was für eine gute Mutter ich bin. Man muss Prioritäten setzen.

16.30 Uhr. Fahrt zur Schule noch chaotischer als sonst. Erinnerte mich an eine Szene aus Wo ist Walter? Ein Wimmelbild mit einer Million grellgelb bemantelter Verkehrshelfer-Damen, Babys in Kinderwagen, Proleten in Lieferwagen und studierten Mums, die sich mit ihren dicken SUVs gegenseitig den Weg versperren. Dazu noch ein Fahrradfahrer mit einer Bassgeige auf dem Rücken und all die Öko-Muttis mit den Kinder-Rikschas für die Brut. Die ganze Straße war vollkommen dicht. Auf einmal kam eine Frau angerannt und schrie aufgeregt: »Platz da! Platz da! Denkt denn jeder nur an sich?«

Mir wurde klar, dass dort ein Unfall geschehen war, und alle, auch ich, rangierten ihren Wagen hektisch auf den Bürgersteig und in anderer Leute Vorgärten, um eine Gasse für den Rettungswagen zu bilden. Als das erledigt war, wollte ich dann doch mal einen Blick auf die Unfallstelle riskieren, aber Fehlanzeige. Von Einsatzkräften keine Spur! Da war nur diese aufgestylte Frau, die sich in ihren schwarzen Porsche pflanzte und über die nun freie Straße davonbrauste, das feiste, schuluniformierte Balg neben sich auf dem Beifahrersitz.

Als ich endlich an der Schule ankam, war Mabel (neben Thelonius, der gerade von seiner Mutter abgeholt wurde) das letzte Kind aus ihrer Klasse, das dort wartete.

Mit ihren großen ernsten Augen sah sie mich an.

»Hey, langsame Kröte«, sagte sie lieb.

»Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst«, meinte die Mutter von Thelonius. »Schon wieder vergessen, wann du hier sein sollst?«

»Nein«, sagte ich, »ich stand nur ewig im Stau.«

»Mummy ist 51«, krähte Mabel auf einmal. »Mummy ist 51. Sie sagt, sie ist 35, aber in Wirklichkeit ist sie 51.«

»Schhh. Hahah!«, sagte ich in Richtung von Thelonius-Mum. »Geh lieber und hol Billy!«

Aber Mabel machte einfach weiter, und ich schob sie schnell ins Auto, wo ich mir fast den Rücken verrenkte bei dem Versuch, sie im Kindersitz anzuschnallen. Irgendwie bin ich nicht mehr so beweglich wie früher.

Vor dem Trakt für die Grundschüler fällt mir als Erstes Nicolette auf. Nicolette, die Unerreichte. Nicolette ist unsere Elternvertreterin, die Supermum mit dem perfekten Haus, dem perfekten Mann, den perfekten Kindern. Das Einzige, das nicht ganz so perfekt ist, ist ihr Vorname. Der klingt nämlich verdächtig nach einem beliebten Nikotinersatzprodukt. Natürlich steht sie auch jetzt im Mittelpunkt der Mütter. Nicolette ist mal wieder wahnsinnig schick angezogen, die Haare mit dem Föhn perfekt gestylt, und sie trägt eine von diesen coolen megagroßen Handtaschen. Ich drängelte mich nach vorn, um das Thema des Tages mitzukriegen, da wirft sie verärgert die Haare zur Seite und rammt mir ihre Riesenhandtasche direkt ins Auge.

»Ich fragte ihn, warum Atticus in Fußball immer noch eine Vier hat. Dass der Junge in Tränen aufgelöst nach Hause kommt, scheint ihm völlig egal zu sein. Er meinte nur: ›Er hat eine Vier, weil er spielt wie ein Blinder. Sonst noch was?‹«

Ich blickte hinüber zum Thema des Tages, das heißt zu dem neuen Sportlehrer: durchtrainiert, etwas jünger als ich, kurzgeschorene Haare, vom Aussehen her fast wie Daniel Craig. Mürrisch musterte er eine Meute tobender Jungen, dann kam die Trillerpfeife, und er bellte: »He, ihr da, Schluss für heute. Ab in die Umkleide, oder es gibt einen Eintrag ins Klassenbuch.«

»Seht ihr?«, sagte...