Die drei ??? und die gefährlichen Fässer (drei Fragezeichen)

von: G.H. Stone

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783440140482 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Die drei ??? und die gefährlichen Fässer (drei Fragezeichen)


 

Über der Sierra Nevada


Die Cessna surrte in der Morgensonne über die Sierra Nevada hinweg. Unter dem kleinen Flugzeug lagen die Kiefernwälder der wilden kalifornischen Gebirgslandschaft wie ein weites grünes Meer.

Bob Andrews spähte mit dem Fernglas aus der Kanzel in die Tiefe. Sein Vater auf dem Pilotensitz steuerte die einmotorige Turboprop-Maschine über den zerklüfteten Granit der Berggipfel und die sattgrünen Täler.

»Da ist was«, stellte Bob fest. »Es läuft dort unten durchs Gras. Ich glaube, es ist ein Berglöwe. Könnt ihr’s auch sehen?«

Peter Shaw stieß Justus Jonas mit dem Ellbogen an und zwinkerte ihm zu. Die beiden saßen auf den Passagiersitzen hinter Mr Andrews und Bob. Auch sie betrachteten aus dem Fenster das abwechslungsreiche Bergpanorama. Das Fernglas teilten sie sich zu dritt.

»Tatsächlich, ein Berglöwe!«, rief Peter. »Sicher auf Achse in Sachen Abendessen. Schaut genauso hungrig aus wie du, Justus. Nur dürfte der Bursche im Gegensatz zu dir eher Beschaffungs- als Verzichtprobleme haben!«

Justus erhob sich bedächtig. Nein, ganz so schlank wie der Berglöwe war er nicht. Er hatte ein rundes Gesicht und glatte schwarze Haare, und das weite T-Shirt, das er über der Hose trug, verbarg eine beachtliche Körperfülle. Aber irgendwann würde sich der Lohn für die Mühe seiner ausdauernden Diätübungen schon einstellen. Und bis dahin blieb Justus eben »vollschlank«, wie ihn alle kannten.

Raum zum Aufrechtstehen bot die Cessna nicht, und so schob sich Justus in gebückter Haltung zum Heck hin, wo Reisegepäck und Zubehör lagerten.

»Was machst du denn, Justus?«, wollte Peter wissen.

»Ich suche noch ein Fernglas«, erklärte Justus. »Damit ich mich in der Tierwelt genauer umsehen und ebenso witzige Vergleiche anstellen kann. Über einer Wüstenlandschaft wäre es einfach. Der unbedarfte Blick eines Kamels zum Beispiel –«

Alle lachten. Es war ein guter Start für ein sommerliches Wochenende. Die Sonne schien vom wolkenlosen blauen Himmel, und vor ihnen lag unbeschwerte Freizeit – ein ganzer Tag, vielleicht sogar zwei oder drei Tage. Das hing davon ab, wie lange Mr Andrews für seine Reportage in Diamond Lake brauchte.

Nun hatten sie abgehoben und ihre Alltagspflichten in Rocky Beach hinter sich gelassen, und nichts konnte sie mehr bremsen. Bald würden sie in einem der schönsten Ferienorte in den kalifornischen Bergen ihren Spaß haben. Diamond Lake war berühmt für seinen Golfplatz, für sein Schwimmbad von olympischen Ausmaßen und für Tennis, Reiten und gepflegte Campingplätze. Es gab sogar eine Landepiste für die Privatmaschinen der Prominenten und der reichen Geschäftsleute, die dort regelmäßig Urlaub machten.

Emsig wühlte Justus in den Sachen hinten im Flugzeug herum. »Mit dem Fernglas könnte ich vielleicht sogar schon Mr Andrews’ Kontaktperson erspähen«, sagte er verschmitzt, während er Werkzeuge, einen leeren Saftbehälter, einen alten Schaumgummiball und andere Dinge aufhob und wieder weglegte. »Wie hieß er noch gleich, Mr Andrews?«

»Dazu hatte ich mich nicht geäußert«, erwiderte Mr Andrews.

»Aha!«, bemerkte Justus. »Ihr Partner ist also ein Mann. Ich fragte, wie er hieße, und das ließen Sie so stehen. Das ist unser erster Anhaltspunkt, Leute!«

»Unsinn«, wehrte Mr Andrews ab, doch dabei lächelte er. Justus hatte wieder einmal ins Schwarze getroffen.

»Sag schon, Dad«, drängte Bob. »Wer ist er nun? Wir halten bestimmt dicht.«

»Tut mir leid.« Mr Andrews schüttelte den Kopf. Er war ein schlanker, liebenswürdiger Mann, hochgewachsen, mit großen Händen und Füßen. Noch überragte er seinen Sohn ein wenig, doch vermutlich nicht mehr lange. Er trug eine Sonnenbrille, eine Baseballmütze von den Los Angeles Dodgers und einen marineblauen Anorak, aus dessen Brusttasche ein halbes Dutzend Schreibstifte hervorschauten.

»Um was geht es denn in dem Bericht, den Sie schreiben wollen?«, fragte Peter. »Um einen Spitzenathleten? Einen, der in Diamond Lake in extremer Höhe trainiert?« Peter, der begeisterte Sportler, interessierte sich natürlich besonders für solche Themen. Der große, kräftige und durchtrainierte Bursche hatte seine Freunde schon des Öfteren aus misslichen Lagen befreit. »Hey, jetzt weiß ich’s – ein Boxer! Im nächsten Monat wird nämlich die Endrunde der kalifornischen Meisterschaft ausgetragen!«

»Kein Wort werdet ihr von mir erfahren. Ein Reporter darf seine Informationsquellen nicht vorschnell preisgeben«, erklärte Mr Andrews.

»Ja, ja, alles bestens bekannt.« Bob seufzte. »Ohne vertrauliche Informationsquellen«, wiederholte er die so oft gehörten Worte, »kann ein Reporter seine Geschichte nicht bis in alle Hintergründe durchleuchten.«

»Und wenn ein Reporter seine Quellen offenlegt«, zitierte Peter den Rest der wohlbekannten Litanei, »dann trocknen sie aus!«

»Wir wissen, wie wichtig Geheimhaltung ist«, versicherte Justus Mr Andrews, »und Sie können sich darauf verlassen, dass wir nichts ausplaudern werden!«

Mr Andrews grinste. »Tu ich ja. Was ihr nicht wisst, könnt ihr nicht ausplaudern!«

Die drei Jungen stöhnten. Nein, Mr Andrews ließ sich nicht herumkriegen. Schließlich gehörte er zu den besten Reportern bei seiner Zeitung, einer der ganz großen in Los Angeles. Unter keinen Umständen würde er etwas über die Sache, in der er jetzt unterwegs war, verraten.

Am Vortag hatte Bob zu Hause mitbekommen, wie sein Vater eines der kleinen Flugzeuge des Presseverlags für diesen Sonderauftrag in Diamond Lake anforderte. Bob hatte gehört, dass es um etwas Brandaktuelles ging, doch wer beteiligt war, was vorlag und welcher Zweck damit verfolgt wurde, das war ihm entgangen.

»Wundert mich nur, wieso du dich darauf eingelassen hast, uns mitzunehmen«, murmelte Bob.

»Schreib es deinem Charme und deiner Überredungskunst zu«, sagte Mr Andrews mit einem anerkennenden Blick auf seinen wohlgeratenen Sohn – blond, blauäugig, gut aussehend und rundum sympathisch. »Und natürlich deinem festen Versprechen, dass ihr drei euch aus der Sache heraushalten werdet. Es ist euch bekannt, dass hier absolut kein Fall für die drei ??? vorliegt.«

Ja, das war den drei Jungen bekannt. Seit Jahren betrieben sie ihre Junior-Detektei »Die drei ???« und konnten keinem Geheimnis widerstehen. Sie hatten schon viele rätselhafte Fälle gelöst, eine Menge seltsamer Geschehnisse aufgeklärt und sogar etliche Diebe und sonstige Gauner der Strafjustiz zugeführt.

»Nun sehen Sie es doch nicht so eng. Wir machen ja auch gerade Urlaub«, versicherte Peter Mr Andrews.

»Eben«, bestätigte Justus. »Nur Spaß ist angesagt!« Er warf den weichen Ball durch die Kanzel. Mit einem »Plopp« traf er Bob mitten ins Gesicht.

Peter drückte Bob in seinen Sitz zurück und hielt ihn trotz seiner Proteste und seines Gezappels fest.

»Hey, da verzichtet man auf drei bezahlte Arbeitstage, und dann muss man sich solche blöden Scherze gefallen lassen!«, stieß Bob lachend hervor.

Um mit dabei zu sein, hatte Bob bei Rock-Plus, der Agentur für Talentvermittlung, in der er regelmäßig aushalf, freigenommen. Der alte Studebaker, den Peter zurzeit für einen Vetter von Justus reparierte, musste ein paar Tage warten. Und Justus hatte in einem Sondereinsatz die vollständige Inventarliste des »Gebrauchtwarencenter T. Jonas« nach dem neuesten Stand in eine Computerdatei aufgenommen und ausgedruckt. Die Firma handelte mit Schrott und Trödel und gehörte Justus’ Onkel Titus und Tante Mathilda. Leider hatten diese beiden Computer-Laien die gespeicherten Daten schon einmal versehentlich gelöscht. Deshalb hatte Justus vorsichtshalber im letzten Augenblick vor der Abreise Sicherungskopien erstellt und gut verwahrt. Nun konnte nichts mehr passieren!

Mit dem Geld, das sich die Jungen auf diese Weise in den vergangenen Sommerwochen verdient hatten, konnten sie sich ein einfaches Dreibettzimmer in Mr Andrews’ Hotel leisten. Fürs Essen würde es wohl auch reichen. Schwimmen und Sonnenbaden beim Hotel kostete nichts, und natürlich wollten sie noch anderen Freizeitspaß zum Nulltarif ausfindig machen.

»Schaut mal, ihr drei«, meldete sich Mr Andrews. »Das ist doch wirklich großartig. Seht ihr das Tal da vorn?« Er wies mit einem Kopfnicken hin.

Bob spähte durchs Fernglas und gab es dann an Peter weiter. Beide Jungen waren beeindruckt von dem Anblick.

»Ich könnte ja ein wenig runtergehen, dann sehen wir es noch besser«, sagte Mr Andrews. »Wir sind auch schon fast im Anflug auf Diamond Lake.«

Die Maschine ging mit der Nase sacht nach unten. Ruhig und rhythmisch arbeitete der Motor.

Justus gab die Suche nach einem weiteren Fernglas auf und kam zu seinem Sitz hinter Mr Andrews zurück. Er blickte nach vorn, auf das enge, lang gestreckte grüne Hochtal, dem sie sich näherten. Es war zu beiden Seiten von steil aufragenden Granitfelsen umschlossen und verlief fast genau in Nord-Süd-Richtung. Ein wallähnliches Felsmassiv erstreckte sich am südlichen Ende jeweils einige Kilometer nach Osten und Westen. Ein Wasserfall stürzte in silbrig sprühenden Kaskaden von der dem Tal abgewandten Steilwand herab und setzte als Gebirgsbach seinen Lauf fort.

»Ein phantastischer Anblick«, bestätigte Justus.

»Wie das Tal wohl heißt?«, meinte Bob.

»Möchte ich auch wissen«, sagte Mr Andrews. »Es ist prachtvoll. Jetzt schaut weiter...