Gemeinsame Pflegeausbildung - Modellversuch und Curriculum für die theoretische Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege

von: Uta Oelke, Marion Menke

Hogrefe AG, 2005

ISBN: 9783456941622 , 288 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

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Gemeinsame Pflegeausbildung - Modellversuch und Curriculum für die theoretische Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege


 

1 Entwicklung des Curriculums (S. 91-92)

Die Entwicklung des Curriculums erfolgte praxisnah. Curriculumtheoretisch und methodologisch wurde dabei auf Ausführungen von Klafki sowie auf jene Empfehlungen zur «Förderung praxisnaher Curriculum- Entwicklung» zurückgegriffen, die die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates bereits 1974 veröffentlicht hat. Dass der hier vertretene Curriculumentwicklungsansatz auf Publikationen relativ alten Datums basiert, ist auf das Aussetzen der Curriculumdiskussion seit Mitte der 80er Jahre zurückzuführen.

Das seither bestehende «Vakuum der wissenschaftlichen Lehrplandiskussion» hat zur Folge, dass derzeit wenig aktuelle Veröffentlichungen genutzt werden können, die inhaltlich und methodisch über den Anfang der 80er Jahre erreichten Status quo hinausgehen. Des Weiteren hat der hier eingeschlagene Curriculumentwicklungsweg einen «Vorläufer». Auf derselben methodologischen Grundlage habe ich im Zeitraum von 1985 bis 1991 ein Curriculum für die theoretische Krankenpflegeausbildung entwickelt, das auf eine relativ hohe Resonanz in der Fachöffentlichkeit gestoßen ist und in mehr oder weniger modifizierter Form von vielen Krankenpflegeschulen umgesetzt wird. Die im Rahmen dieser ersten curricularen Entwicklungsarbeit gewonnenen Erfahrungen, ausgearbeiteten Einzelverfahren und Erhebungsinstrumente stellten eine solide und elaborierte Grundlage dar, auf die im Modellprojekt in nicht unerheblichen Ausmaß zurückgegriffen wurde. In diesem Sinne werden nun zunächst die curriculumtheoretischen und methodologischen Grundannahmen vorgestellt und anschließend deren Umsetzung im Rahmen des Modellversuchs beschrieben.

1.1 Curriculumtheoretische und methodologische Grundannahmen

Nach den Ausführungen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates ist ein zentrales Merkmal praxisnaher Curriculumentwicklung die Zusammenarbeit von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen. Dass die Kommission den Theorie-Praxis-Diskurs in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellte, resultierte maßgeblich aus einer bildungsreformerisch defizitär eingeschätzten vorausgegangenen Curriculumforschungsphase. Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wurden in «wissenschaftlichen Groß-Unternehmungen»4 Curricula entwickelt, deren pädagogisches Innovationspotenzial in keinem Verhältnis zur Höhe ihres Forschungsaufwandes stand. Charakteristisch für die praxisfern, «lehrerunabhängig » – d. h. ausschließlich von Erziehungs- und FachwissenschaftlerInnen – entwickelten Curricula war, dass die von den LehrerInnen nicht als Hilfestellung für eine Veränderung der Unterrichtspraxis aufgenommen wurden. Stattdessen riefen sie bei ihnen Verunsicherung, Hilflosigkeit und in manchen Fällen verkürzte Umsetzungsversuche hervor. Dies war im Einzelnen auf folgende Ursachen zurückzuführen:

■ Die Distanz der WissenschaftlerInnen zur Praxis bewirkte, dass sich die curriculare Diskussion in einer unübersehbaren Fülle von Literatur äußerte, in der theoretische Detailfragen in einer «neuen exklusiven Geheimsprache» erörtert wurden, die für die LehrerInnen weder verständlich noch nachvollziehbar war.

■ Die LehrerInnen wurden weder durch Mitarbeit oder Fortbildung zu einer Umsetzung der Curricula motiviert noch von den WissenschaftlerInnen bei Umsetzungsversuchen unterstützt.

■ Praxisfern entwickelte Curricula waren in der Regel detailliert ausgearbeitete Konstrukte operationalisierter und hierarchisierter Lernziele, bei denen die Komplexität und Situativität von Unterricht keine Berücksichtigung fand. Die LehrerInnen fühlten sich durch diese Lernzielvorgaben in eine Art «unmündige Statistenrolle» zurückgedrängt. Sie vermissten eine Orientierungshilfe, um mit ständig wechselnden Unterrichtssituationen klarzukommen.

■ Die praxisfern entwickelten Curricula entsprachen in ihrer Qualität nicht den vorab formulierten Ansprüchen. Häufig konnten hoch angesetzte curriculumtheoretische Ziele aus finanziellen, zeitlichen, personellen und anderen Gründen nicht eingehalten werden. Gegenüber der Öffentlichkeit hielten die WissenschaftlerInnen an ihren Theorien fest, konnten sie jedoch in der eigenen Projektpraxis nicht einlösen.

Als Antwort auf diese bildungsreformerisch unbefriedigende Situation schlug die Bildungskommission ein Verfahren vor, das dem didaktischen Postulat einer «Curriculumtheorie auf dem Weg zum Erziehungsalltag » entspricht. Die hohe Bedeutung, die die Kommission dabei der Partizipation der Betroffenen – LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern – zumisst, will sie jedoch nicht mit Praktizismus verwechselt sehen. In diesem Sinne wendet sie sich ausdrücklich gegen solche Curricula, die «ohne den Anspruch auf wissenschaftliche Anerkennung aus der vereinzelten Überstunden-Arbeit von Lehrern oder Lehrergruppen hervorgehen und der Tendenz nach weder überprüfbar noch allgemein verwendbar sind». Sie betont, dass die Anforderungen an praxisnahe Curriculumentwicklung den Forschungsmerkmalen für das angestrebte Curriculum selbst entsprechen müssen, und zwar: