Höllische Versuchung

von: Charlaine Harris, Nalini Singh, Ilona Andrews, Meljean Brook

LYX, 2012

ISBN: 9783802589225 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Höllische Versuchung


 

Batanya und Clovache reinigten in einem der Festungshöfe des Britlingkollektivs, das hoch oben auf einer Bergspitze in der historischen Stadt Spauling gelegen war, ihre Rüstungen. Es war ein schöner Sommertag und sie hatten sich eigens ein paar Bänke in die Sonne gerückt.

»Ich bin bleich wie ein Pookabauch«, sagte Clovache.

»Ganz so schlimm ist es nicht«, sagte Batanya, nachdem sie ihre Freundin eingehend gemustert hatte. Batanya war die Ältere der beiden: Sie war achtundzwanzig und Clovache vierundzwanzig. Auch Batanya war blass, schließlich verbrachte auch sie die meiste Zeit in einer Rüstung, doch im Gegensatz zu Clovache machte sie sich nichts daraus.

»Na, vielen Dank. Ganz so schlimm«, sagte Clovache und äffte dabei Batanyas raue Stimme nach. Dieser Versuch ging so daneben, dass Batanya unwillkürlich lachen musste.

Seit fünf Jahren arbeiteten sie und Clovache nun schon zusammen und es gab kaum etwas, was sie nicht voneinander wussten. Beide hatten den größten Teil ihres Lebens innerhalb der Mauern des Kollektivs verbracht.

»Obwohl du mich schon ein wenig an einen Pooka erinnerst. Dein Haar hat die gleiche Farbe wie ihr Rückenfell und nachtaktiv bist du auch. Aber bestimmt würdest du in Öl gebacken nicht so lecker schmecken.«

Clovache streckte ihren Fuß nach Batanya aus und versetzte ihr einen leichten Tritt. »Lass uns nachher was essen gehen«, sagte sie. »Wie wäre es mit dem Pooka Palace?«

Batanya nickte. »Außer Trovis ist da. Wenn ich den sehe, bin ich sofort weg.«

Einträchtig arbeiteten die beiden Frauen vor sich hin. Sie polierten gerade ihre, wie sie es nannten, ›flüssige Rüstung‹. Obwohl den Britlingen ein ganzes Arsenal an Schutzkleidung zur Verfügung stand, war die flüssige Rüstung das erklärte Lieblingsstück aller. Sie war nicht im eigentlichen Sinne flüssig. Vielmehr sah sie aus wie ein Taucheranzug, war aber viel einfacher anzuziehen. Vorne auf der Brust befand sich eine kleine Tastatur von der Größe einer Kreditkarte. Damit konnte man mit anderen, die ebensolch einen Anzug trugen, Kontakt aufnehmen. Außerdem sorgte ein persönlicher Kode dafür, dass nur eine einzige Person diesen Schutzanzug verwenden konnte. Sobald der Kode eingetippt war, härtete das Material aus und machte den Träger nahezu unverwundbar. Ohne diesen Kode war der Anzug hingegen so gut wie nutzlos. Man war zu dieser Sicherheitsmaßnahme übergegangen, um Diebstahl zu verhindern. Bevor der Kode eingeführt wurde, waren einige Britlinge ihrer Rüstung wegen sogar umgebracht worden. Die flüssige Rüstung wurde zumeist bei kälterem Wetter eingesetzt. Die Sommerrüstungen lagen schon blitzblank geputzt im Gras.

Batanya hatte ihren Anzug umgestülpt und reinigte nun die Innenseite mit einem angenehm duftenden Mittel aus einem großen, grünen Topf. Clovache benutzte einen Allzweckreiniger, um die harten Teile, die über die flüssige Rüstung geschnallt werden konnten, zu schrubben. Wenn sie ein Teil fertig hatte, warf sie es auf ein ausgebreitet vor ihr liegendes Handtuch.

»Heftiger Drill heute Morgen«, bemerkte sie.

»Trovis war nicht gerade bester Laune«, stimmte Batanya zu.

»Woran das nur liegen mag?«, fragte Clovache unschuldig.

Batanya errötete leicht, sodass die Narbe auf ihrer rechten Wange hervortrat. Clovache hatte mitbekommen, dass Batanya von einigen wegen der Narbe aufgezogen worden war, aber in der Regel machte das keiner mehr als ein Mal.

»Gestern Abend ist Trovis mich im Badezimmer angegangen. Ich musste ihm meinen Ellenbogen in den Bauch rammen. Langsam macht er sich lächerlich.«

Clovache nickte. »Wenn Trovis meint, dir zeigen zu können, wer der Boss ist, dann ist er aber schief gewickelt«, sagte sie. »Und wenn er damit nicht aufhört, gehe ich zu Flechette und lass durchblicken, dass er seinen Aufgaben nicht gewachsen ist.«

»Trovis würde ausrasten und das wäre natürlich super«, sagte Batanya. »Aber wir würden wie Schwächlinge dastehen.«

Verwundert blickte Clovache sie an, doch nach kurzem Nachdenken nickte sie. »Ich weiß, was du meinst. Ganz gleich, wie sehr Trovis uns auch rannimmt, wir müssen damit fertig werden.« Sie prüfte die Spannkraft der Gurte. »Wenn es hart auf hart kommt, hat Trovis ja vielleicht einen kleinen Unfall.«

»Sei still!«, sagte Batanya erschrocken. »Schließlich «

»… töten Britlinge keine Britlinge«, leierte Clovache herunter. »Das überlassen wir dem Rest der Welt.«

Das war die erste Lektion, die die Novizen in der Festung lernten.

»Es gibt Ausnahmen«, sagte Clovache stur und raffte ihre Rüstungsteile zusammen. »Und seine Besessenheit von dir wäre eine.«

»Aber es steht dir nicht zu, das zu entscheiden.« Batanya erhob sich, das Tuch mit ihren Utensilien über die Schulter geschlungen. »Wir treffen uns also in zwei Stunden am Tor?«

»Abgemacht«, sagte Clovache.

Später am Nachmittag begaben sich die beiden in die Stadt hinunter zum Pooka Palace. Batanya murrte über die schmalen Gassen und das alte Kopfsteinpflaster, die es so gut wie überflüssig machten, ein Hovercraft in der Burg stehen zu haben. Batanya bedauerte das sehr, denn sie fuhr für ihr Leben gern schnell.

Aufgrund des milden Wetters konnte man beim Pooka Palace draußen sitzen. Es wimmelte nur so von bekannten Gesichtern aus dem Kollektiv. Obgleich den Britlingen die gesamte Stadt zur Verfügung stand, hielten sie sich doch lieber in Festungsnähe auf. Deshalb waren die meisten Geschäfte, die sich in den verwinkelten Gässchen am Fuße des Berges befanden, auch auf die Leibwächter und Assassinen aus der Burg ausgerichtet. Viele Läden boten Reparaturdienste an, entweder für Rüstungen oder Waffen. Zauberläden waren mit obskuren Objekten gefüllt, die die Hexen des Kollektivs möglicherweise brauchten oder einfach nur gerne haben wollten. In dunklen Ladenfronten wurden Maschinenteile feilgeboten, die den Technikern gefallen könnten. Daneben gab es bestimmt noch zwei Dutzend Schänken und Wirtshäuser.

An einem der Tische wartete bereits ihr Freund Geit. Er war ein netter Kerl mit breiten Schultern, der ein Schwert mit solcher Macht zu schwingen verstand, dass er damit jemandem mühelos den Kopf abschlagen konnte. Er war ein Assassine, und obgleich Clovache und Batanya zur Garde der Leibwächter gehörten, tat das ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Nicht alle im Kollektiv handhabten das so.

Geit hatte bereits einen Korb gebratenen Pooka und Fisch bestellt. Sie stießen gerade mit drei Krügen Bier an, als sich ihnen ein Kind näherte, das offenbar aus der Burg stammte, denn es trug die rote Weste eines Boten. Im Laufen spielte der Junge mit einer Zauberkugel, die ganz offensichtlich von minderer Qualität war. Dennoch gelang es ihm, sie mit genügend Magie zu speisen, dass sie einige Sekunden in der Luft blieb, nachdem er sie hochgeworfen hatte. Er unterbrach sein Spiel und ließ den Blick prüfend über die Gesichter an den Tischen schweifen. Als er sie entdeckt hatte, kam er auf sie zugetrabt.

»Verzeihung, Kriegerin«, sagte er und machte eine Verbeugung. »Sind Sie Hauptmann Batanya?«

»Das bin ich, du Zwerg«, sagte Batanya. Sie leerte ihren Krug. »Wer will was?«

»Major Trovis hat, ähm, darum gebeten, dass Sie und Ihr Leutnant sofort in die Burg hinauf zur Auftragshalle kommen.«

Geit pfiff durch die Zähne. »Aber ihr seid doch gerade erst von einem Auftrag zurückgekehrt. Warum schickt euch Trovis schon wieder los?«

»Nach dem letzten Einsatz hatte ich wirklich auf eine etwas längere Pause gehofft«, sagte Batanya. »Aus diesem Hotel rauszukommen war wirklich kein Zuckerschlecken, besonders da wir auch noch einen Auftraggeber heraustragen mussten, der in der Sonne sofort verkohlt wäre. Na dann, wir müssen, Geit. Genehmige dir einen auf unsere Kosten.« Nachdem sie noch rasch die Essenskörbe geleert hatten (kein Britling ließ jemals eine Gelegenheit zum Essen aus), bezahlte Batanya die Zeche und sah geflissentlich weg, als Clovache Geit noch einen Kuss auf die Wange drückte. Die Frauen folgten dem Jungen die gewundenen Gassen bis zur Festung hinauf. Am Tor erkannten die beiden Wachen sie und ließen sie ohne die ansonsten erforderlichen Leibesvisitationen passieren.

Dass die Auftragshalle so nah beim Trakt der Hexen und Techniker lag, war praktisch, da die Zauberei (unterstützt von der Technik) bei mindestens der Hälfte der Missionen für den Transport zuständig war. Genau genommen konnte Batanya sich gar nicht mehr entsinnen, wann sie das letzte Mal über Land gereist war.

Die Halle selbst wirkte nicht sonderlich imposant, lediglich ein großer Raum, dessen eine Wand mit mittelmäßigen Malereien geschmückt war. Man nannte sie die Schandmauer, denn auf den Gemälden waren Britlinge abgebildet, die im großen Stil versagt hatten. (Im Kollektiv setzte man darauf, die Schüler durch die Fehler ihrer Vorgänger lernen zu lassen.) Außer einigen Bänken gab es in der Halle nur noch einen Tisch nebst ein paar Stühlen, einen großen Leuchter und Schreibutensilien.

Trovis saß zurückgelehnt auf einem der Holzstühle, die Füße auf dem Tisch. Ein solches Benehmen war in dieser Halle absolut unangebracht, waren die Aufträge doch der Lebensnerv des Kollektivs. Einen Vertrag zu unterzeichnen war eine beinahe heilige Handlung. Nicht nur das finanzielle Überleben des Kollektivs hing davon ab, sondern auch das Leben seiner Mitglieder, denn jeder Auftrag konnte tödlich enden.

»Die Beförderung ist ihm zu Kopf gestiegen«, murmelte Clovache....