Hypochondrie und Krankheitsangst

von: Gaby Bleichhardt, Alexandra Martin

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783840921193 , 86 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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Hypochondrie und Krankheitsangst


 

"2 Störungstheorien und -modelle (S. 14-15)

2.1 Vulnerabilität

Aus den Studien zur Erblichkeit von Krankheitsangst kann man vorsichtig auf einen moderaten genetischen Faktor schließen. Im Vergleich zu Umwelteinflüssen bleibt dieser jedoch vermutlich gering. Taylor et al. (2006) fanden einen Heritabilitätsfaktor von etwa 30 % für (subklinische) Krankheitsangst bei ihrer Untersuchung von 153 Zwillingspaaren. Demgegenüber hatte in einer kleineren klinischen Untersuchung keiner der sechs Zwillingspartner von Hypochondrie-Erkrankten ebenfalls Hypochondrie (Torgersen, 1986).

Bei Familienmitgliedern hypochondrischer Personen fand sich keine Häufung von Hypochondrie, wohl aber ein erhöhtes Auftreten anderer somatoformer Störungen (Noyes et al., 1997). Allerdings konnten Stein et al. (1999) in ihrer Untersuchung an über 300 Zwillingspaaren einen hohen Heritabilitätsfaktor (45 %) für Angstsensitivität finden. Unter Angstsensitivität (anxiety sensitivity) versteht man die Angst vor typischen körperlichen Begleiterscheinungen von Angst, wie z. B. Herzklopfen. Zusammenhänge von Angstsensitivität und Hypochondrie wurden für verschiedene Stichproben belegt (z. B. Bravo & Silverman, 2001; Otto et al., 1998).

Nicht selten scheinen Krankheitsängstliche bereits in ihrer Kindheit Erfahrungen mit schweren Krankheiten oder Verletzungen gemacht zu haben. In Interviews berichtete über ein Drittel hypochondrischer Personen (38%, im Vergleich zu 8% nicht hypochondrischer Befragter), als Kind häufig schwer krank oder verletzt gewesen zu sein (Noyes et al., 2002). In einer retrospektiven Untersuchung an 260 Personen der Allgemeinbevölkerung konnten Zusammenhänge von Krankheitsangst mit dem Schweregrad eigener, früherer Erkrankungen sowie der Anzahl verstorbener Familienmitglieder nachgewiesen werden (Weck et al., 2009).

Ein Erziehungsstil, bei dem körperlichen Symptomen erhöhte Aufmerksamkeit und Ängstlichkeit entgegengebracht wird, trägt möglicherweise ebenfalls zur Entstehung von Krankheitsangst bei: In einer Befragung berichteten krankheitsängstliche häufiger als nicht krankheitsängstliche Studierende, dass ihre Eltern belohnend reagierten (z. B. keine Hausaufgaben machen müssen, länger aufbleiben als üblicherweise erlaubt), wenn sie krank waren und die Eltern bei körperlichen Symptomen selbst ängstlich reagierten bzw. für das Einnehmen der Krankenrolle Belohnungen erfuhren (Watt & Stewart, 2000).

Neurotizismus ist die einzige Persönlichkeitseigenschaft mit hinreichenden Belegen für einen Zusammenhang mit Hypochondrie (Cox et al., 2000). Neurotizismus lässt sich mit Eigenschaften wie ängstlich, nervös und empfindlich umschreiben (Costa & McCrae, 1992). In einer Untersuchung fanden sich Hinweise auf ein gehäuftes Auftreten traumatischer sexueller Kontakte, körperlicher Gewalt und größerer familiärer Veränderungen in Kindheit und Jugend (Barsky et al., 1994b) bei Personen mit Hypochondrie im Vergleich zu Patienten ohne Krankheitsangst. Jedoch gibt es keine Hinweise darauf, dass derartige Kindheitserlebnisse spezifisch das Risiko für Hypochondrie (und nicht für psychische Störungen allgemein) erhöhen."