John Sinclair - Sammelband 8 - Wenn der Teufel lacht

von: Jason Dark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783838702933 , 192 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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John Sinclair - Sammelband 8 - Wenn der Teufel lacht


 

Ich konnte es genau sehen, wenn ich in die Tiefe schaute. Da bewegte es sich immer weiter vor. Aus meiner Sichtperspektive bestand es eigentlich nur aus Maul.

Das Höllenloch war nichts anderes als ein Schacht, in dem ich schwebte. Und das über dem Maul der Bestie! Dabei lag ich nicht auf einem Netz, sondern hing an vier Seilen fest, von denen die Handgelenke und die Oberarme umklammert wurden. Sie liefen seitlich weg und waren an starken Haken befestigt, die außerhalb des Schachts aus dem Boden schauten. Man hatte die Seile sehr straff gespannt. Sie drückten sich kaum durch, obgleich sie mein Gewicht spürten.

Am Schachtrand standen sie.

Männer mit fremden Gesichtern, die mich überfallen hatten, als ich aus dem fahrenden Zug geflohen war. Fremde Gesichter, glitzernde Augen, in denen kein Erbarmen zu lesen war. Ich kam mir vor wie jemand, der als Opfer für die Bestie diente und noch eine gewisse Wartezeit zu überbrücken hatte, bevor sie das Opfer verschlang.

Ob man irgendwann die Seile durchtrennen würde oder es der Bestie gelang, sich an mich heranzuschieben, um mich zu verschlingen, unter diesen beiden Alternativen konnte ich wählen. Jedenfalls versuchte das Krokodil alles, um an der gemauerten Schachtwand in die Höhe zu klettern. Und seine Chancen standen nicht schlecht.

Das Blut war nicht grundlos in die Tiefe des Schachts gekippt worden. Sein Geruch mußte auch die schuppige Bestie wild gemacht haben. Die unter mir aufklingenden Geräusche jedenfalls ließen auf nichts anderes schließen.

Da mischte sich ein böses Knurren hinein in röhrende Laute, die wiederum von einem Keuchen durchdrungen wurden.

An die heftigen Schmerzen in meinen Armen hatte ich mich zwar nicht gerade gewöhnt, aber sie waren nicht mehr so schlimm wie zu Beginn. Das harte Reißen hatte sich stabilisiert, eigentlich spürte ich sie kaum noch, nur in den Achselhöhlen und direkt an den Schultern hatte ich den Eindruck, als sollte beides sehr schnell abgerissen werden.

Die Männer warteten, auch ich konnte nur warten. Es war sinnlos, den Leuten Fragen zu stellen. Sie verstanden mich wohl nicht oder wollten nicht verstehen.

Ich war eine Weile in einer Hütte gefangen gewesen und hatte Zeit genug gehabt, über sie nachzudenken. Ich konnte mir nur vorstellen, daß ich irgendeiner Sekte in die Hände gefallen war, die sich im tropischen Wald versteckt halten mußte.

Möglicherweise hatte mich das Schicksal auch zwischen zwei Fronten getrieben, denn mit dem eigentlichen Fall, der mich nach Indien getrieben hatte, war diese Gruppe wohl nicht beschäftigt. Den verfolgten wahrscheinlich Mandra Korab und Suko weiter.

Und die Bestie tobte!

Ich gewann den Eindruck, daß sie sich nicht damit abfinden konnte, so tief unter der Beute zu liegen, deshalb versuchte sie alles, um an der Schachtwand hoch und in meine unmittelbare Nähe zu klettern. Das Krokodil kratzte mit seinen Füßen über das Gestein, es bewegte seinen Schwanz sehr heftig. Der Aufprall ließ die Steine heftig erzittern.

Manchmal hatte ich den Eindruck, über einem Drachen zu schweben, der jeden Augenblick Feuer speien konnte, das mich zu Asche verbrannte.

Wie lange ich schon in dieser gefährlichen und menschenunwürdigen Lage hing, wußte ich überhaupt nicht, denn mir war das Zeitgefühl völlig abhanden gekommen.

Der Tod war nahe …

Ich wechselte meinen Blick. Manchmal schaute ich nach oben, dann wieder in die entgegengesetzte Richtung. Der Körper der Bestie bewegte sich im Schein der Fackeln. Er sah aus, als wäre er angemalt worden, und ein Muster aus rotem Licht und düsteren Schatten huschte über ihn hinweg. Hin und wieder kippte das Maul zu, dann bewegten sich beide Kieferhälften, als wollten sie etwas zermalmen.

Der Schacht war ziemlich tief. Das Krokodil mußte eine gewaltige Kraft einsetzen, um überhaupt in meine Nähe zu gelangen. Im Vergleich zur Schwere seines Körpers ein fast unmögliches Unterfangen. Wenn die Männer über mir ein Opfer geben wollten, dann mußten sie die Riemen durchschneiden, damit ich in die Tiefe und womöglich in das weit geöffnete Krokodilmaul hineinfiel.

Von den Schmerzen im Kopf merkte ich so gut wie nichts. Sie waren von den anderen völlig überlagert worden. Ich atmete laut, es kam mir vor, als würden diese Geräusche selbst die des Krokodils unter mir übertönen.

Dann zuckte ich trotz meiner starren Lage zusammen und zog unwillkürlich die Beine an, als die Bestie einen ersten Sprungversuch unternahm. Sie wuchtete ihren Körper in die Höhe, es schien aus den Flammen und dem schwarzen Rauch der Fackeln hervorzustoßen. So weit wie möglich war das Maul geöffnet, und beide Hälften prallten mit einem Klacken zusammen, ohne daß sie mich allerdings auch nur an den Hacken gestreift hätten.

Es sank wieder zurück. Ich war sicher, daß es einen erneuten Angriff versuchen würde. Vielleicht wollte es auch trotz der gewaltigen Schwierigkeiten noch an der Schachtwand hoch. Das alles stand in den Sternen, die Gefahr aber blieb.

Ich hatte einen weiteren Schreck überwunden und wollte vor allen Dingen die Atmung kontrollieren. Sie sollte der Punkt werden, von dem eine gewisse Ruhe ausging. Daß es fast unmöglich war, stand fest. Auch dachte ich daran, die Menschen über mir zu fragen. Ich erinnerte mich an das Mädchen Narina, das zu mir in die Hütte gekommen war und mich, den Gefangenen, besucht hatte.

Narina verstand meine Sprache. Sie sollte kommen und den Männern übersetzen, daß sie den Falschen als Opfer ausgewählt hatten. Aber wie konnte ich denen das begreiflich machen?

Vielleicht dann, wenn ich einige Male den Namen rief. Da mußten sie doch reagieren.

Es kam anders.

Den Beginn erlebte ich als eine gewisse Unruhe, die sich unter den Zuschauern am Schachtrand ausbreitete. Sie bewegten sich, sie sprachen miteinander. Ihr Flüstern drang wie eine zischelnde, unverständliche Botschaft an meine Ohren.

Einige Hände waren nach unten gestreckt. Sie deuteten immer wieder in den Schacht hinein. Manchmal glitten die Arme auch in die Höhe und wurden wenig später wieder rasch nach unten gedrückt.

Ich begriff die Zeichen nicht. Etwas Gutes würden sie auf keinen Fall bedeuten.

Das Krokodil war mir jetzt egal geworden, über mir spielte die Musik eine verdammt schlechte Melodie. Ich hatte keinen Beweis, ich spürte nur, daß sich dort etwas zusammenbraute. Was sich da tat, konnte mir nicht gefallen. Allein die Blicke sprachen Bände. Der Wille, mich umzubringen, stand in den Gesichtern geschrieben, das erkannte ich trotz der schlechten Lichtverhältnisse, die allein durch den Fackelschein hervorgerufen wurden.

Etwas blitzte auf.

Es war so blank, daß es diesen Reflex werfen konnte, und da kam nicht nur ein Gegenstand in Frage.

Ein Messer, eine Machete oder eine ähnliche Waffe. Jedenfalls ein scharfer Gegenstand, dem auch die Riemen keinen Widerstand entgegensetzten.

Noch war es nur dieser Reflex gewesen. Sekunden später allerdings beschleunigte sich mein Herzschlag, als der blanke Gegenstand über dem Rand des Schachts schwebte.

Es war eine Machete!

Von einer kräftigen Hand wurde der Griff umklammert. Der Mann, der sie hielt, hatte den Kopf gesenkt. Die Hälfte seines Gesichts zierte ein Bart. Er trug keine dieser dämonischen Masken, sein Gesicht lag frei, damit ich in die Augen meines Mörders schauen konnte.

Für mich bestand kein Zweifel, was er vorhatte. Er benötigte nicht mehr als zwei Schläge, um die Riemen zu zertrennen und mich in das Maul des Krokodils fallen zu lassen.

Ich schaute kurz nach unten.

Es sah so aus, als wüßte die Bestie sehr deutlich, was da oben gespielt wurde.

Sie bewegte sich kaum, sie lauerte darauf, was ihre Helfer taten.

Der Bärtige brachte mich unter einen noch größeren Druck, als er mit seiner Waffe spielte. Wie sehr er sie beherrschte, bekam ich in den folgenden Sekunden mit. Er spielte mit ihr, er ließ sie kreisen, warf sie in die Luft, so daß sie über der Schachtöffnung schwebte. Wenn sie jetzt fallen würde, mußte ich getroffen werden.

Mit einer artistischen Bewegung fing er sie wieder auf, hielt sie fest und ließ sich auf die Knie fallen. Das geschah dicht am Rand der Grube, und seine Freunde traten sicherheitshalber zurück. Keiner wollte ihn behindern.

Es ging alles so rasend schnell, daß ich nicht einmal eine richtige Angst bekam.

Die blanke Klinge der Machete wischte in die Höhe, bevor sie dann nach unten raste.

Und sie traf!

Ich hatte mich nicht getäuscht. Mit nur einem Hieb trennte er die beiden an meinem rechten Arm durch …

***

Als ich fiel, hörte ich die Bestie unter mir grausam schreien. Möglicherweise bildete ich mir das in diesem fürchterlichen Augenblick auch nur ein, jedenfalls war der Halt an meiner rechten Körperseite nicht mehr vorhanden.

Ich geriet in eine rasante, schwingende Bewegung, die mich auf die linke Seite führte. Ich raste nicht in die Tiefe, womit ich eigentlich hätte rechnen müssen.

Der Schwung schleuderte mich gegen die andere Seite und auf die Schachtwand zu.

Die Aufprallwucht war nicht so stark, wie ich es befürchtet hatte, aber groß genug, um mich von den Haar- bis zu den Zehenspitzen durchzuschütteln. Zudem schrammte ich mit der linken Kopfhälfte über das Gestein und scheuerte mir die Haut auf. Auch mein Ohr wurde in Mitleidenschaft gezogen.

Aber ich fiel nicht!

Noch immer hing ich über dem Maul der Bestie. Diesmal allerdings an einem Arm....