Praktische Adoleszentenmedizin

von: Franziska Baltzer

Hogrefe AG, 2009

ISBN: 9783456946924 , 243 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's

Preis: 26,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Praktische Adoleszentenmedizin


 

Susanne kommt zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung im Alter von 14 Jahren. Susanne war Ihre Patientin von der Geburt bis ins achte Lebensjahr, als die Familie in eine andere Stadt übersiedelte. Jetzt ist sie zurückgekommen.

Susanne hatte sich zuerst normal entwickelt. Sie haben aber im Alter von 8 Jahren eine prämature Adrenarche mit dunkler Behaarung der großen Labien sowie einem physiologischen Ausfluss diagnostiziert. Die endokrinologische Abklärung hatte für das Alter normale Werte der Schilddrüsenhormone, der Nebennierenhormone sowie der Sexualhormone ergeben. Das MRI des Gehirns war normal. Das Knochenalter war mit 10 Jahren deutlich beschleunigt (s. Abb. 1-3 auf S. 21).

Hat Sie das Knochenalter erstaunt? Was war Ihre Diagnose? Wie haben Sie die Situation mit den Eltern besprochen?

Susanne hat den Beginn einer idiopathischen Pubertas präcox mit prämaturer Adrenarche aufgewiesen. Das Knochenalter entsprach dem üblichen chronologischen Alter für den Beginn der Pubertätsentwicklung. Sie haben mit den Eltern besprochen, dass das Mädchen früh die Pubertät durchläuft, also früh menstruieren wird. Damit wird die zu erwartende Erwachsenengröße eher klein ausfallen. Die Pubertätsentwicklung wird aber an sich normal verlaufen. Psychologisch wird das Mädchen viel Unterstützung benötigen, bis seine Altersgenossen in der körperlichen Entwicklung aufgeholt haben. Sie haben das Mädchen seither wegen des Wohnortswechsels aus den Augen verloren. Sie erwarten eine kleinwüchsige Jugendliche, ins Sprechzimmer kommt jedoch ein völlig normal großes Mädchen (vgl. Abb. 1-3, S. 21). Susanne erzählt, dass sie mit 11 Jahren zum ersten Mal menstruierte. Seither war ihre Periode nie regelmäßig, die letzte liegt mehrere Monate zurück.

Woran denken Sie differenzialdiagnostisch?
?? Schwangerschaft
?? Gewichtsveränderung
?? hormonale Störung
?? exzessiver Sport

Susanne macht seit vielen Jahren Ballett, in letzter Zeit trainiert sie drei bis vier Mal die Woche und hatte mehrere Auftritte. Ihr Gewicht ist seit der Menarche immer etwa gleich. Susanne macht keine eigentliche Diät, isst aber bewusst, da sie beim Ballett ein gewisses Gewicht nicht überschreiten soll. Susanne hat keinen Freund und verneint jeglichen Geschlechtsverkehr. Sie verneint auch Fragen nach vermehrtem Haarwuchs, Haarausfall, Akne, Verstopfung, Müdigkeit.

Klinische Untersuchung:
?? Gewicht 45 kg (P 25), Länge 160 cm (P 50), BD 110/65 mmHg
?? Haut, Haare normal
?? Herz, Lunge, Abdomen normal
?? Tanner B4, P4, äußeres Genitale normal mit normal großer Klitoris.

Welche Untersuchungen verordnen Sie? Wie setzen Sie deren Priorität?
Anamnestisch und klinisch haben Sie keine Anhaltspunkte für eine Essstörung, eine Schwangerschaft, eine Hypooder Hyperthyreose. Auf Grund der Anamnese mit der prämaturen Adrenarche besteht ein erhöhtes Risiko für eine Hyperandrogenämie, auch wenn klinisch keine Zeichen einer erhöhten Testosteronproduktion vorliegen.

Also Labor in folgender Reihenfolge:
?? DHEAS, 17OH-Progesteron, Testosteron, Östradiol, ev. LH/FSH
?? TSH ?? ßHCG
?? Blutbild mit Senkung.

Wie erwartet fallen alle Resultate normal aus. Die unregelmäßigen Menstruationen sind sehr wahrscheinlich dem intensiven Sport zuzuschreiben.

Haben Sie eine Erklärung für das Ausbleiben der Pubertas präcox?

Verschiedene Pubertätszeichen können isoliert auftreten, also nicht im Rahmen des Ablaufes des ganzen Prozesses. Die Adrenarche bei Susanne ist jedoch insofern ungewöhnlich, da sie zu einer Akzeleration des Knochenalters geführt hat. Was genau den begonnenen Pubertätsablauf zum Stillstand gebracht hat, ist nicht klar.