Daseinsvorsorge - Eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung

von: Claudia Neu

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531918761 , 219 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,96 EUR

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Daseinsvorsorge - Eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung


 

Daseinsvorsorge – eine Einführung (S. 9)

Claudia Neu

Das Thema Daseinsvorsorge erfährt seit einigen Jahren eine interessante Neubelebung. War der Begriff der Daseinsvorsorge bisher überwiegend Rechtswissenschaftlern geläufig, so kommen heute sozialwissenschaftliche Veröffentlichungen zu regionalen Entwicklungen kaum noch ohne einen Hinweis auf die Herausforderungen bei der zukünftigen Gestaltung der Daseinsvorsorge aus (exemplarisch Kocks 2005).

Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung sowie leere öffentliche Kassen stellen fast alle Städte und Gemeinden vor die Entscheidung, wie die infrastrukturellen Daseinsvorsorgebereiche (beispielsweise Verkehr, Bildung, medizinische Versorgung, Energie) zukünftig gestaltet und finanziert werden können.

Das nachfolgende Kapitel führt ein in das Konzept der Daseinsvorsorge und diskutiert seine aktuelle Relevanz für politische Gestaltungsaufgaben und wissenschaftliche Forschungsarbeiten. Darüber hinaus werden die Beiträge der Autorinnen und Autoren des Bandes kurz vorgestellt.

1. Das Konzept der Daseinsvorsorge

‚Daseinsvorsorge’ ist eine deutsche Besonderheit, wenngleich in fast allen Industriestaaten ähnliche Konzepte vorzufinden sind. In den USA und Australien werden öffentlich bereitgestellte Dienstleistungen wie beispielsweise Energie oder Wasserver- und -entsorgung „universal service (obligations)“ genannt, in Großbritannien spricht man vom „public service“ beziehungsweise „services of general economic interest“, während in Frankreich vom „service public“ oder „service d`intérêt géneral“ die Rede ist.

Auf der Ebene der Europäischen Union wird der Bezeichnung „Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“ der Vorzug vor dem Begriff der Daseinsvorsorge gegeben. In Deutschland wurde das Konzept der Daseinsvorsorge seit den späten 1920er bis in die frühen 1970er Jahre maßgeblich durch den deutschen Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff geprägt.

Forsthoff formulierte allerdings keinen rechtlichen Rahmen für die Ausgestaltung der öffentlichen Dienste, sondern sah in der Daseinsvorsorge stets einen zentralen Legitimationsbaustein staatlicher Herrschaft.

Letztlich sind es für Forsthoff die Auswirkungen der Industriegesellschaft auf den modernen Menschen, die Entfremdung von einem natürlichen Lebensumfeld und die Zunahme der Technisierung des Alltages, die die Bürger nach Versorgung und Sicherheit streben lässt. Die Verwaltung als Leistungsträger (Forsthoff 1938) garantiert ihrerseits durch die Bereitstellung der Daseinsvorsorgeleistungen die Versorgung und soziale Sicherung der Bürger.

Diese eher sozialpsychologische Herleitung des Begriffs Daseinsvorsorge bringt es aber mit sich, dass eine trennscharfe Definition von Forsthoff nicht vorgenommen werden konnte (Kersten 2005). So definierte Forsthoff Daseinsvorsorge allgemein als „die Darbietung von Leistungen, auf welche der in die modernen massentümlichen Lebensformen verwiesene Mensch lebensnotwendig angewiesen ist“.

Zu diesen Leistungen zählen beispielsweise die Versorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität sowie Post, Telekommunikation und öffentlicher Verkehr, aber auch Vorsorge im Falle von Krankheit, Alter, Invalidität und Arbeitslosigkeit( Forsthoff 1938: 7, 12, 42ff.). Bis heute existiert für den Begriff der Daseinsvorsorge weder eine Legaldefinition noch ist sein Inhalt abschließend bestimmbar.

Im Mittelpunkt der Daseinsvorsorge steht üblicherweise die Versorgung mit Infrastrukturgütern (exemplarisch Knorr 2005). Welche Infrastrukturgüter im Einzelnen dazu gezählt werden, variiert je nach Betrachtung und wohl auch (politischen) Moden (aktuell: Die Diskussion um die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs oder die Breitbandverbindungen).