Ein König für Deutschland - Roman

von: Andreas Eschbach

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2009

ISBN: 9783838701158 , 491 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Ein König für Deutschland - Roman


 

Teil IV Der König (S. 383-384)

KAPITEL 42

Es war ein wahrhaft anachronistischer Anblick: ein opulenter Ballsaal in barockem Stil, an dessen Wänden und Decken goldener Zierrat glänzte, bevölkert von Männern in Schoßröcken und Frauen in aufwendigen Ballkleidern – und alle standen sie da und starrten auf einen riesigen Plasmabildschirm neben dem Kamin. Bereits wenige Minuten nach der offiziellen Schließung der Wahllokale kam die erste Hochrechnung. »Die ersten Zahlen stammen aus kleinen Wahlkreisen, in denen teilweise schon um sechzehn Uhr alle Stimmen abgegeben waren«, erzählte einer der beiden Moderatoren, um die Zeit zu überbrücken. »Diese Stimmen sind natürlich schnell ausgezählt und hochgerechnet. Deswegen müsste sich gleich etwas tun …«

»Eine erstaunlich hohe Wahlbeteiligung hatten wir heute zu verzeichnen«, meinte sein Kollege. »Das lag zum einen sicher an dem doch bis zuletzt spannenden Wahlkampf, zum anderen aber spielt natürlich das Wetter immer eine wichtige Rolle …« »Jetzt«, unterbrach der erste Moderator. Balken wuchsen in die Höhe, schwarz, rot, grün. »Wir sehen«, fuhr der Moderator fort, »im Moment CDU / CSU und SPD fast gleichauf, die Grünen bei zwölf Prozent … Daran dürfte sich bei den nächsten Hochrechnungen noch einiges ändern.«

Viele der festlich Gekleideten seufzten. War bis eben noch gespannte Aufregung im Raum zu spüren gewesen, verflüchtigte sich diese nun zu kalter, fader Enttäuschung. Manche der Frauen suchten Platz auf einem der Polsterstühle, die in großer Zahl entlang der Wände standen. Männer zuckten mit den Schultern oder gaben anderweitig zu verstehen, dass sie selbstverständlich nichts anderes erwartet hatten, vernünftig, wie sie waren. »Da kommt schon die zweite Hochrechnung«, verkündete der eine Moderator.

»Das geht schnell heute«, meinte der andere. Wieder wich das Bild der beiden Männer einem blassen Rechteck, auf dem sich farbige Balken erhoben. Schwarz … rot … Und blau. »Ist das ein Fehler?«, fragte einer der Moderatoren. »Das sieht aus wie blau. Sollte das nicht … Ah, ich höre gerade von unseren Mathematikern, dass das kein Fehler ist.« »Aber wofür steht blau?« Ein Moment atemloser Stille, dann: »Blau steht für VWM.« Ein Räuspern.

»Das, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ist nun eine echte Überraschung. Das sieht aus, als hätte die Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie, die in den letzten Wochen so viel mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, mehr Anklang gefunden, als alle Experten für möglich gehalten hätten.« »Wenn das stimmt, dann haben wir es wohl doch nicht mit einer Spaßpartei zu tun?« »Nein. Bei fast dreiundzwanzig Prozent der Stimmen kann man beim besten Willen nicht mehr von einer …«

Der Rest seines Satzes ging in unvermittelt losbrechendem Jubel unter. Die Festteilnehmer rissen die Arme hoch, schrien, hüpften in die Höhe, schlugen die Hand vor den Mund oder fielen sich um den Hals. Niemanden hatte es auf den Stühlen gehalten. Die Temperatur im Saal schien schlagartig um zehn Grad gestiegen zu sein. Psst! hieß es und Still!, als die dritte Hochrechnung angekündigt wurde. Atemlos standen sie da, starrten auf den Bildschirm, manche mit gefalteten Händen.