Der Weg zur exzellenten Führungskraft - Leuchtturm sein!

Der Weg zur exzellenten Führungskraft - Leuchtturm sein!

von: Klaus Rafenstein

MANZ Verlag Wien, 2023

ISBN: 9783214250355 , 188 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 21,99 EUR

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Der Weg zur exzellenten Führungskraft - Leuchtturm sein!


 

Prolog

Sie kann es kaum glauben und zwickt sich in den rechten Oberarm, um festzustellen, ob all die Geschehnisse der letzten Tage nur ein Traum waren. Fehlanzeige. Es tut weh. Es ist real. Emsig hatte sie in den letzten Jahren an ihrer Verkaufskarriere gearbeitet. Fachbücher gelesen, förderliche Veranstaltungen besucht und an einschlägigen Seminaren teilgenommen, dabei stets vorbildlich mitgeschrieben. Sie hatte alles, was ihr zum Thema „Verkaufen“ in die Finger kam und nützlich erschien, aufgesaugt wie ein Schwamm. Nicht nur aufgesaugt, angewendet hat sie es. Bei jeder möglichen Verkaufssituation hatte sie ihr Wissen in die Praxis umgesetzt. Und nun das! In ihrem Kopf wiederholt sich die Szene immer wieder, als der Geschäftsführer ihrer Firma ihr offenbart: „Wir gratulieren Ihnen, Fabienne. Als unsere loyalste und beste Verkäuferin befördern wir Sie zur Verkaufsleiterin. Herzlich willkommen im Kreise der Führungskräfte.“

Fabienne spürt, wie sich das Feuer in ihr neu entfacht. Lange Zeit hatte es geschlummert, als schwache Glut im Arbeitsalltag. Doch der Sauerstoff für neues Aufflammen ist nun da. Es beginnt erneut, kräftig zu brennen. Endlich Führungskraft!

Ein großer Felsblock lädt sie ein zum Verweilen. Erleichtert setzt sie sich auf ihn und atmet tief durch.

Diesen kühlen Donnerstagabend würde sie sich ewig merken. Unzählige Gedanken schießen ihr durch den Kopf. Sind die Fußstapfen des vor kurzem verabschiedeten Verkaufsleiters nicht ein bis zwei Nummern zu groß für sie? Wie macht man das denn eigentlich, ein Team führen? Was fällt denn alles in den Aufgabenbereich einer Verkaufsleiterin? Wie führt man Mitarbeitergespräche, auch brenzlige, erfolgreich? Ein leichtes Gefühl der Überforderung stellt sich ein. Sie spürt diese bekannte Mischung aus Angst, Respekt und großer Vorfreude auf das, was kommt. Immer wenn das Leben sie vor neue Herausforderung stellte, spürte sie genau dieses Gefühl. Der helle Schrei einer Möwe unterbricht ihren Gedankengang. Sie geht weiter.

Schritt für Schritt und in sich gekehrt geht sie in ihrem Tempo, weder gehetzt durch Verpflichtungen noch gebremst durch zähe Menschenmassen. Sie ist allein. Mutterseelenallein zu Fuß unterwegs auf ihrem kargen und fast bizarr wirkenden Lieblingsweg. Es ist Mitte März und die Gipfel des nahen Gebirges sind noch sahnehäubchenartig angezuckert. Ihre Schuhe hingegen setzen auf trockenem Boden auf. Das Festland schmiegt sich in Rundungen an die Wasserlinie. Großsteinigen Rundschotter gibt es nahezu überall, über Jahrtausende von Wind und Wasser glatt geschliffen. Manchmal unterbrechen Felsformationen den Schotter. Die Olivenbäume werfen ihren Schatten auf den kargen Boden. Ein paar tapfere Wildgrashalme haben sich den Weg durch die spröde und ausgetrocknete Erdkruste erarbeitet und ragen stolz empor. Hier und da lümmeln Ziegen, die aufmerksam und neugierig das Geschehen der Landschaft beobachten. Es beginnt zu dämmern und Fabienne weiß, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen. Der Spaziergang hat gut getan. Die frische Luft und der Wind haben Ihren Kopf wieder freigemacht. Noch drei Tage, dann gehts los. Am Montag wird die Nachricht an alle Mitarbeiter ergehen. Sie kann es kaum erwarten.

Als die Neuheit in einem kurzfristig anberaumten Meeting verlautbart wird, sind sämtliche Regungen dabei: verdutzte Gesichter voller Überraschung, zufriedene Grinser ob der Tatsache, dass nicht ein großer externer Unbekannter die Führung übernehmen würde, aber auch enttäuschte Gesichter. Sie hätten sich womöglich gerne selbst in Fabiennes neuer Position gesehen. Fabienne freundet sich mit ihrem neuen Büro an. Endlich ein eigenes Büro! Viel neue Information für einen Tag, fast zu viel. Zugangsdaten zu neuen Management-Tools, zusätzliche Berechtigungen im CRM-System, eine Menge an Formularen, Kalendereinträge für Führungskräfte-Meetings und vieles mehr sausen ihr um die Ohren. Als der lange Arbeitstag zu Ende ist, weiß sie genau, was zu tun ist. Kopf auslüften. Natürlich an ihrem liebgewonnenen Fußweg die Küste entlang. Eingepackt in ihre Daunenjacke, spaziert sie beschwingt durch die altbekannte Gegend.

Nanu? Die Tür des Leuchtturms steht offen. Seitdem sie vor wenigen Jahren hierhergezogen war, ist dieses weit emporragende Gebäude ein treuer Gefährte ihrer Küstenspaziergänge geworden. Hunderte, wenn nicht tausende Male ist sie an ihm vorbeigegangen. Doch dass der Leuchtturm eine Tür hat, war ihr noch nie aufgefallen. Und nun steht diese Tür sogar offen. Langsam und neugierig nähert sie sich. Wie es da drin wohl aussieht? Und wer wohl die Tür geöffnet hat? Keine Geräusche, Stille aus der Wandöffnung. Vorsichtig klopft sie an die offenstehende Tür und lässt ein kräftiges „Hallo?“ erschallen. Keine Antwort. Niemand da. Sie betritt den Raum, und im Nu fühlt sie sich zurückversetzt in ihre Kindheit, als sie auf Omas Dachboden spielen durfte. Der Geruch löst sofort diese schönen inneren Bilder von damals in ihr aus. Auch die unverputzten und freiliegenden Ziegelsteine verstärken das Dachboden-Gefühl. Wenig Licht dringt durch die von der salzhaltigen Luft beschlagenen Fenster herein. Und da! Wer auch immer es sich hier gemütlich gemacht hat, er hat Geschmack. Eine Hängematte baumelt quer durch den Raum, fein säuberlich von Ziegelsteinmauer zu Ziegelsteinmauer gespannt. Wahnsinn! Nicht irgendeine Hängematte. Dieses edle Stück stammt aus der Premium-Collection ihrer Firma. Seitdem sie für den Vertrieb von Hängematten zuständig ist, ist genau diese Collection ihr klarer Liebling. Kein Spreizstab und keine nach Häkelware anmutenden Fransen, sondern eine grundsolide, schlichte, grau-weiße Ausführung. Montiert mit einem gedrehten ockerfarbenen Naturseil aus Hanf, wie es die Seefahrer seit Jahrhunderten verwenden. Eine Sporttasche steht unter der Hängematte, T-Shirts und ein weißes Hemd lugen heraus. Eine mit weißer Leinenwäsche überzogene Matratze liegt am Boden, gleich daneben stehen einige Übersiedelungskartons, eine geöffnete Kartoffelchips-Packung, eine leere Colaflasche und Hamburgerreste. Den wackeligen Holztisch ziert ein silbernes Notebook, davor ein Holzsessel, der aus einer griechischen Taverne stammen könnte. „Spartanisch eingerichtet, doch irgendwie rustikal ansprechend“, denkt sich Fabienne, als von draußen Bremsenquietschen in ihre Ohren dringt. Sie tippt auf Fahrradbremsen und merkt den Hitzeschwall, der in ihr aufsteigt. Schließlich steht sie mitten in einer fremden Behausung, und die einzige Möglichkeit, ins Freie zu gelangen, ist die offenstehende Tür, aus der nun von außen Geräusche hereindringen. Schnell nähert sie sich der Maueröffnung.

„Oh, hallo! Welch Glanz in meiner schäbigen Hütte. Wusste nicht, dass ich Besuch bekomme, sonst hätte ich sauber gemacht“, ruft es durch die Tür herein.

„Nicht notwendig, ich bin nur auf der Durchreise“, wirft Fabienne dem Radfahrer schnippisch zu, während er sein Mountainbike an die Außenmauer lehnt. Um gleich danach zu ergänzen: „Ich muss gestehen, ich war im Vorbeigehen einfach zu neugierig, wie es hier drin aussieht. Zu oft bin ich schon vorbeigegangen, ohne zu wissen, was sich hinter diesen altehrwürdigen Mauern verbirgt. Und da bin ich einfach hereinspaziert, um ein Fragezeichen weniger in meinem Kopf zu haben.“

„Ok, verstehe“, kommt es zurück, während Fabiennes Vis-à-vis ihr Gesicht studiert. „Alles in Ordnung bei Ihnen? Ich habe das Gefühl, da sind noch weitere Fragezeichen in Ihrem Kopf. Kann ich Ihnen helfen?“

Fabienne antwortet nach einer kleinen Nachdenkpause: „Ich glaube nicht, dass Sie mir helfen können. Ein beruflicher Umbruch in meinem Leben verunsichert mich gerade ein wenig. Deshalb habe ich beschlossen, meinen altvertrauten Spazierweg zu gehen, um mich und meine Gedanken …“

„Ein beruflicher Umbruch klingt interessant“, unterbricht er sie. „Und so nebenbei: Ich bin Ralf.“

„Angenehm, Fabienne“, kommt es postwendend.

„Darf ich fragen, welchen Umbruch es in deinem beruflichen Leben gerade gibt?“

„Ich war viele Jahre im Verkauf. Meine Leidenschaft sind Hängematten, qualitativ hochwertige Hängematten. Ich gratuliere dir übrigens, du hast da drin ein ganz edles Teil baumeln. Das stammt von meiner Firma, Royal Schwung. Die letzten Jahre war ich für den Vertrieb von Hängematten hier in der Region zuständig. Ich habe sowohl Endkunden als auch Firmenkunden und Händler betreut. Seit heute bin ich Führungskraft und leite unser Sales-Team als neue Verkaufsleiterin. Sehr neu. Eigentlich habe ich keine Ahnung von Führung, doch weil ich seit Jahren tolle Leistungen erbracht habe, hat die Geschäftsführung mich befördert. Tag 1 einer neuen Ära. Das ist der...