Steuerung in Organisationen

von: Jens Henning Fischer

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531913537 , 485 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 49,44 EUR

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Steuerung in Organisationen


 

1 Einleitung (S. 15)

Erkenntnisinteresse

In Organisationen muss gesteuert werden, das liegt auf der Hand: Wie sonst sollten die arbeitsteiligen Prozesse der Leistungserstellung trotz nie ganz konvergierender Ziele und Interessen der Beteiligten etabliert, aufeinander abgestimmt und auf Dauer gestellt werden können?

Nicht strittig ist in den Sozialwissenschaften auch die Auffassung, dass es bei sozialer Steuerung um die gezielte Beeinflussung der Handlungen eines Steuerungsobjekts durch ein Steuerungssubjekt geht.

Aber wie funktioniert Steuerung in Organisationen? Welche Steuerungssubjekte und Steuerungsobjekte lassen sich identifizieren: individuelle Akteure, kollektive Akteure, oder kann Steuerung letztlich immer nur Selbststeuerung eines sozialen Systems sein?

Welche Mittel werden in Organisationen eingesetzt, um Einfluss zu nehmen: Ist es nur Macht oder auch Geld, oder können noch andere Steuerungsmedien eingesetzt werden (und wenn ja: welche und wie?), oder kommen Organisationen sogar ohne den Einsatz von Steuerungsmedien zurecht?

Und welche Formen kann Steuerung in Organisationen annehmen – erlaubt die formale Hierarchie einen direkten Durchgriff auf Entscheidungen oder kann Steuerung nur in der Beeinflussung relevanter Kontexte des Steuerungsadressaten bestehen? Kurz: Wie lässt sich Steuerung in Organisationen theoretisch angemessen erfassen?

Um diese Frage geht es in der vorliegenden Arbeit, und wie wir sehen werden, findet man aus einer akteurtheoretischen Perspektive ganz andere Antworten darauf als aus systemtheoretischer Sicht.

Die für die divergierenden Antworten verantwortlichen Unterschiede in den Theoriekonzeptionen lassen sich meines Erachtens im Kern auf die Frage reduzieren, welche der folgenden drei Komponenten die jeweiligen Ansätze als Determinanten des sozialen Handelns berücksichtigen: individuelle Akteure, soziale Strukturen oder soziale Prozesse. Dies muss ich erläutern, um das Vorgehen in dieser Arbeit verständlich zu machen.

Akteure, Strukturen und Prozesse als Komponenten der Handlungserklärung

Die meisten wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Theorien lassen sich den Akteurtheorien zuordnen und greifen zur Erklärung nicht nur von Steuerung, sondern jedes sozialen Handelns auf zwei Komponenten zurück: intendierende Akteure und soziale Strukturen.

Unterschiede bestehen dann vor allem in der Einschätzung der Relevanz der beiden Komponenten: Eher voluntaristische Ansätze betonen stärker die Bedeutung individueller Handlungsentwürfe, eher strukturdeterministische Ansätze die Bedeutung sozialer Regeln.

Institutionalistische und neoinstitutionalistische Ansätze beispielsweise beruhen nach James G. March und Johan P. Olsen auf der Annahme,

that life is organized by sets of shared meanings and practices that come to be taken as given for a long time. Intentional, calculative actions of individuals and collectivities are embedded in these shared meanings and practices, which can be called identities and institutions. (…) Rules and understandings frame thought, constrain interpretation and shape action. As a result, a theory that treats intentional, calculative action as the basis for understanding human behavior is incomplete if it does not attend to the ways in which identities and institutions are constituted, sustained, and interpreted.

Als weitere Komponente zur Erklärung sozialen Handelns bringt die neuere Systemtheorie Niklas Luhmanns den sozialen Prozess ins Spiel. Sie macht z. B. für Organisationen deutlich, dass die Eigendynamik von organisationalen Kommunikationsprozessen Entscheidungen generiert, die sich weder auf die Intentionen von Individuen noch allein auf die Strukturen der Organisation zurückführen lassen:

In organisationalen Prozessen, in denen Entscheidungen die nachfolgenden Handlungen unter einen unmittelbaren Reaktionsdruck setzen (und sie damit ebenfalls zu Entscheidungen machen), werden von den Mitgliedern, die an diesen Prozessen beteiligt sind, permanent Entscheidungen abgerufen.