Die Sphären - Roman

von: Iain Banks

Heyne, 2009

ISBN: 9783641032593 , 800 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Die Sphären - Roman


 

Prolog
Inder leichten Brise kam ein trockenes Rascheln von einigen nahen Büschen. Der Wind schuf kleine Staubschleier über sandigen Stellen und ließ eine dunkle Locke über der Stirn der Frau flattern, die auf dem Klappstuhl saß, der nicht ganz gerade auf dem nackten Fels stand – von dort reichte der Blick über den Rand des Grats in die Wüste. In der Ferne zitterte die gerade Linie der Straße in der Hitze. Einige dürre Bäume, nur wenige von ihnen höher als zwei aufeinander stehende Männer, markierte ihren Verlauf. Weiter entfernt, Dutzende von Kilometern hinter der Straße, flirrten dunkle, zerklüftete Berge in der heißen Luft.
Nach den üblichen menschlichen Maßstäben war die Frau groß, schlank und recht muskulös. Ihr Haar war kurz, glatt und dunkel, und ihre Haut hatte die Farbe von mattem Achat. In einem Umkreis von mehreren tausend Lichtjahren gab es niemanden sonst von ihrer besonderen Art, doch wenn jemand aus ihrem Volk zugegen gewesen wäre, hätte er vielleicht darauf hingewiesen, dass ihr Alter zwischen Jugend und dem Beginn der mittleren Jahre lag. Vermutlich wäre sie ihm dicklich erschienen in ihrer weiten Hose und der leichten Jacke, beides in der gleichen Farbe wie der Sand. Hinzu kam ein großer schwarzer Hut, der sie vor der Sonne des späten Morgens schützte – ein greller weißer Punkt hoch oben am wolkenlosen, hellgrünen Himmel. Die Frau hob einen sehr alten, abgenutzt wirkenden Feldstecher vor die nachtschwarzen Augen und sah zu der Stelle, wo die Wüstenstraße den Horizont im Westen traf. Rechts von ihr stand ein Klapptisch mit einem Glas und einer Flasche, die kaltes Wasser enthielt. Ein kleiner Rucksack lag darunter. Mit der freien Hand nahm sie das Glas vom Tisch und nippte an dem Wasser, während sie durch den alten Feldstecher blickte.
»Sie sind etwa eine Stunde entfernt«, sagte die links neben ihr schwebende Maschine, die wie ein schmutziger Metallkoffer aussah. Sie bewegte sich ein wenig in der Luft, rotierte und neigte sich zur Seite, als sähe sie die sitzende Frau an. »Und überhaupt …«, fügte sie hinzu, »… mit dem Museumsstück erkennen Sie nicht viel.«
Die Frau setzte das Glas auf den Tisch und ließ den Feldstecher sinken. »Dies gehörte meinem Vater«, sagte sie.
»Ach, wirklich?« Von der Drohne kam ein Geräusch, das nach einem Seufzen klang.
Einige Meter vor der Frau entstand ein Bildschirm und füllte ihr halbes Sichtfeld aus. Aus einer Höhe von etwa hundert Metern zeigte er den vorderen Teil eines Heereszugs auf der Wüstenstraße. Die meisten Männer gingen zu Fuß, aber einige ritten, und alle wirbelten Staub auf, der als dichte Wolke langsam nach Südosten trieb. Sonnenschein spiegelte sich auf erhobenen Speeren und Spießen wider. Fahnen, Standarten und Wimpel wehten. Der Heereszug füllte die Straße auf einer Länge von mehreren Kilometern hinter den Berittenen an der Spitze. Den Abschluss bildeten Gepäckkarren, Planwagen, mit Rädern ausgestattete Katapulte, Bliden und große hölzerne Belagerungsmaschinen, alle gezogen von dunklen, kräftig wirkenden Tieren, deren schwitzende Schultern über die neben ihnen marschierenden Männer aufragten.
»Ts, ts«, machte die Frau und sagte: »Weg damit.«
»Ja, Ma’am«, erwiderte die Maschine. Der Schirm verschwand.
Die Frau blickte erneut durch den Feldstecher und hielt ihn diesmal in beiden Händen. »Ich sehe den Staub«, verkündete sie. »Und zwei weitere Späher, glaube ich.«
»Erstaunlich«, kommentierte die Drohne.
Die Frau legte den Feldstecher auf den Tisch, zog die Krempe des Huts über die Augen, lehnte sich zurück, streckte die Beine und verschränkte die Arme. »Ich mache ein Nickerchen«, teilte sie der Drohne mit. »Weck mich, wenn es so weit ist.«
»Machen Sie es sich nur bequem«, erwiderte die Maschine.
»Mhm.«
Turminder Xuss (Drohne, offensiv) beobachtete die Frau namens Djan Seriy Anaplian eine Zeit lang und überwachte ihr langsames Atmen und die sich nach und nach entspannenden Muskeln, bis sie wusste, dass sie wirklich schlief.
»Träum schön, Prinzessin«, sagte sie leise. Sofort analysierte die Drohne ihre eigenen Worte und konnte nicht feststellen, ob ein unbeteiligter Beobachter in der Lage gewesen wäre, einen Hauch von Sarkasmus darin festzustellen.
Turminder Xuss überprüfte die zuvor eingesetzten sechs Scout- und sekundären Messerraketen. Mit ihren Sensoren beobachtete die Drohne den noch fernen, langsam näher kommenden Heereszug und überwachte mehrere kleine Patrouillen und einzelne Späher, die der Hauptstreitmacht vorausgeschickt worden waren.
Für eine Weile folgte sie den Bewegungen des Heeres. Aus einer gewissen Perspektive gesehen wirkte es wie ein einzelner großer Organismus, der dunkel durch die gelbbraune Weite der Wüste kroch. Etwas Gegliedertes und Zögerliches – Teile davon verharrten gelegentlich aus keinem ersichtlichen Grund, bevor sie sich wieder in Bewegung setzten, und dadurch schien das große Wesen zu schlurfen, anstatt langsam zu fließen -, aber auch entschlossen und ohne jeden Zweifel zielstrebig. Sie alle sind auf dem Weg in den Krieg, dachte die Drohne verdrießlich, um zu erobern, zu verbrennen, zu plündern und zu schleifen. Mit welcher Hingabe sich die Menschen der Zerstörung widmeten.
Etwa eine halbe Stunde später, als sich die Spitze des Heereszugs einige Kilometer westlich im Hitzedunst abzeichnete, ritt ein einzelner Späher über den Kamm des Höhenzugs und näherte sich der Stelle, an der die Drohne wachte und die Frau schlief. Der Mann gab durch nichts zu erkennen, das kleine Lager durch den Tarnschirm erkannt zu haben, aber wenn er nicht den Kurs änderte, ritt er direkt hindurch.
Die Drohne gab ein »Ts, ts« von sich – es klang fast genauso wie zuvor das der Frau – und wies die nächste Messerrakete an, das Reittier zu erschrecken. Das stiftdünne Objekt sauste praktisch unsichtbar heran und stieß an die Flanke des Tiers, woraufhin es kreischte, zur Seite sprang und den Reiter fast abgeworfen hätte. Über den sanft geneigten Hang lief es fort, in Richtung Straße.
Der Späher fluchte, zügelte sein Tier und lenkte es ein ganzes Stück hinter Frau und Drohne zu den Hügeln zurück. Die Entfernung wuchs schnell, und eine dünne Staubfahne blieb in der fast unbewegten Luft zurück.
Djan Seriy Anaplian setzte sich halb auf und lugte unter ihrem Hut hervor. »Was war los?«, fragte sie schläfrig.
»Nichts. Schlafen Sie weiter.«
»Hmm.« Die Frau entspannte sich wieder, und eine Minute später schnarchte sie leise.
Die Drohne weckte sie, als sich die Spitze des Heereszugs fast auf einer Höhe mit ihnen befand. Sie richtete ihren vorderen Teil auf die einen Kilometer entfernte Kolonne aus Menschen und Tieren, während Anaplian gähnte und sich streckte. »Da sind die Jungs«, sagte sie.
»Ja.« Die Frau hob ihren Feldstecher und beobachtete den vorderen Teil der Streitmacht. Eine Gruppe von Männern ritt dort auf besonders großen, mit bunten Satteldecken ausgestatteten Tieren. Diese Männer trugen hohe Federhelme, und ihre polierten Rüstungen glänzten im Sonnenschein. »Sie sehen aus wie bei einer Parade«, sagte Anaplian. »Als erwarteten sie, hier draußen jemandem zu begegnen, den sie beeindrucken müssen.«
»Gott?«, spekulierte die Drohne.
Die Frau schwieg einen Moment. »Hm«, erwiderte sie, ließ den Feldstecher sinken und sah die Drohne an. »Sollen wir?«
»Ein Wort von Ihnen genügt.«
Anaplian sah wieder zum Heereszug und atmete tief durch. »Na schön. Gehen wir’s an.«
Die Drohne kippte nach vorn, was fast wie ein Nicken aussah. Eine kleine Luke öffnete sich in der Seite. Ein etwa vier Zentimeter breiter und fünfundzwanzig Zentimeter langer Zylinder, wie ein konisches Messer geformt, rollte träge in die Luft und raste plötzlich fort. Er blieb dicht über dem Boden, beschleunigte und näherte sich schnell dem Ende des langen Zugs aus Menschen, Tieren und Maschinen. Für einen Moment hinterließ er eine Spur aus aufgewirbeltem Staub, passte dann seine Höhe an. Anaplian verlor das getarnte Objekt fast sofort aus den Augen.
Das bisher unsichtbar gebliebene Aurafeld der Drohne leuchtete kurz rosarot auf. »Dies dürfte interessant werden«, sagte sie.
Die Frau richtete einen skeptischen Blick auf die Drohne. »Diesmal gibt es doch keine Patzer, oder?«
»Natürlich nicht«, antwortete die Maschine sofort. »Möchten Sie zusehen?«, fügte sie hinzu. »Ich meine richtig sehen, nicht durch Ihr antikes Opernglas.«
Anaplian starrte die Drohne aus zusammengekniffenen Augen an. »Na schön«, sagte sie nach einigen Sekunden.
Diesmal erschien der Schirm auf der einen Seite, damit Anaplian mit dem bloßen Auge noch immer das Heer auf der fernen...