Julia Extra Band 494

Julia Extra Band 494

von: Louise Fuller, Dani Collins, Heidi Rice, Elisa Marshall

CORA Verlag, 2021

ISBN: 9783751500548 , 450 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 5,99 EUR

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Julia Extra Band 494


 

1. KAPITEL

Rhys Charlemaine erwachte vor Sonnenaufgang. Noch ehe sich einer seiner Mitarbeiter mit frischem Kaffee, Morgenzeitungen und Nachrichten, die beantwortet werden mussten, in seine Suite schleichen konnte.

Er läutete nicht. Die Zeit, die er für sich allein hatte, war kostbar. Außerdem hatte es gestern genug Wirbel gegeben. Maude Brodeur, die Inhaberin des Spas, hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn persönlich zu begrüßen, um ihn anschließend noch fast zwei Stunden festzuhalten. Und dabei ein nervtötendes Namedropping zu betreiben.

Zweck der Übung war wohl gewesen, ihm ihre hübschen, einem Schweizer Eliteinternat entsprungenen Töchter ans Herz zu legen.

Rhys seufzte. Wenn man ihm für jede Frau, die in seinen Hosentaschen nach einem Ehering grub, einen Euro gäbe, wäre er wahrscheinlich reicher als alle Technologie-Milliardäre der Welt zusammen.

So aber hatte er nur ein recht ansehnliches Vermögen vorzuweisen, das auf klugen Investitionen beruhte, die er im Technologie-, vor allem aber im Immobiliensektor getätigt hatte. Die Hälfte davon gehörte seinem Bruder Henrik. Rhys kümmerte sich um ihre privaten Finanzen, während Henrik für die des Königshauses zuständig war. Auch wenn sie getrennte Wege gingen, arbeiteten die Brüder Hand in Hand.

Dennoch waren Henrik und er keineswegs immer einer Meinung. Rhys’ Ausflug in dieses winzige Nest in Kanada hatte seinen Bruder veranlasst, skeptisch die Augenbrauen zu heben.

Wobei auch Rhys erst mal seine Fühler ausstrecken wollte. Auf den ersten Blick schien das in einem Tal liegende, von einem Gebirgszug umgebene Objekt mit seinen heißen Mineralquellen reif zur Erschließung. Natürlich stellte die abgeschiedene Lage eine Herausforderung dar, aber jenseits des Sees gab es eine ausbaufähige Skipiste, die von den Einheimischen und den Gästen des Spas genutzt wurde.

Maude hatte betont, den geplanten Verkauf des Spas aus persönlichen Gründen vorerst geheim halten zu wollen, wobei sie so tat, als ginge es ihr nicht ums Geld, was natürlich Unsinn war. Aber Rhys hatte seine eigenen Gründe dafür gehabt, Maude Brodeurs Einladung anzunehmen. Und die hatten nichts mit der Frage zu tun, ob dieses Objekt eine lohnende Investition zu werden versprach oder nicht.

Auf der Suche nach Antworten, die weder mit Geld noch mit Status zu finden waren, ließ Rhys seinen schwermütigen Blick über den zugefrorenen See schweifen. Er brauchte ein Wunder, obwohl er an Wunder nicht glaubte. Er war ein Mann der Tat, der es gewohnt war, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Doch der Weg, der nun vor ihm lag, war mit Verrat gepflastert. Mit Verrat an seinem Bruder, wenn nicht gar an der Krone.

Wahrscheinlich sollte er dem Arzt dankbar sein, der den Grund für Henriks Zeugungsunfähigkeit herausgefunden hatte. Zum Glück hatte man den Hodenkrebs früh genug entdeckt. Henrik hatte gute Chancen, vollkommen zu genesen, sodass die Königswürde nicht auf Rhys übergehen musste. Doch was die Zeugungsfähigkeit seines Bruders anging, fiel die Prognose schlecht aus.

Was bedeutete, dass Rhys für den nächsten Thronfolger sorgen musste.

Und dafür brauchte er eine Ehefrau.

Er versuchte zu verdrängen, wie verräterisch sich das anfühlte. Henrik hatte alles dafür gegeben, dass sie ihren rechtmäßigen Platz in Verina wieder hatten einnehmen können. Dabei hätte er fast die Frau, die er liebte, verloren. Denn die Royalisten, die ihre Rückkehr aus dem Exil tatkräftig unterstützt hatten, waren ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Henrik eine Adelige heiraten würde. Nur mühsam war es ihm am Ende gelungen, sie eines Besseren zu belehren. Und jetzt das.

Henrik und Elise verdienten es, eigene Kinder zu haben. Sie wären gewiss ganz wunderbare Eltern geworden.

Ein blaues Leuchten vor seinem Fenster riss Rhys aus seinen trüben Gedanken. Scheinwerfer tauchten den Dunst auf dem warmen Wasser eines Außenbeckens in blaues Licht und verlockten Rhys, nach draußen zu gehen.

Seine Sicherheitsleute hatten ihm berichtet, dass es im Gästeverzeichnis von weiblichen Namen mit Adelstiteln nur so wimmelte. Was kaum überraschend war, nachdem sein Besuch hier an die Medien durchgesickert war und so die üblichen Verdächtigen angelockt hatte.

Da er keine andere Wahl hatte als zu heiraten, befand er sich derzeit im letzten Stadium seines Junggesellendaseins. Und er entschied sich, dieses voll und ganz auszuleben.

Rhys streifte seine Pyjamahose ab und schlüpfte in einen mit seinem persönlichen Monogramm bestickten Bademantel und handgenähte Slipper. Dann suchte er nach der Zugangskarte, die Maude ihm gegeben hatte, und bestieg den Aufzug, um nach unten zu fahren.

Sopi war so erschöpft, dass sie an Einbildung glaubte, als sich hinter den Dampfschwaden, die aus dem Pool aufstiegen, eine männliche Gestalt materialisierte. Der Wellnessbereich, dessen Zugänge mit einem Timer gekoppelt waren, war eigentlich noch nicht geöffnet. Im Moment kam man da nur mit einer Personalkarte rein, und sie war allein in dieser Schicht. Der Mann trug keinen Hotelbademantel, sondern ein edles purpurrotes goldbesticktes Stück, das schöner war als jeder Bademantel, den sie je gesehen hatte.

Und noch während sie ihn anschaute, öffnete er den Gürtel und sie sah …

Himmel. Darunter war er splitternackt!

Sie sollte den Blick abwenden, aber sie tat es nicht. Konnte es nicht.

Durch die Schwaden beobachtete sie, wie er den Bademantel abstreifte und ihn über die halbhohe Glaswand warf, die sich um den Pool zog. Dabei kam sein knackiger nackter Po zum Vorschein. Der Unbekannte besaß die Statur eines olympischen Schwimmers mit breiten Schultern, schmalen Hüften und muskulösen Schenkeln.

Gleich darauf drehte er sich zu ihr herum. Herrlich nackt. Die dunkle Körperbehaarung betonte die wohldefinierten Konturen von Brust und Rippen und verlief pfeilförmig über seinen Waschbrettbauch nach unten zu …

Sein geschmeidiger Kopfsprung ins Wasser verursachte kaum ein Kräuseln der Wasseroberfläche.

Sopi drückte ihr Gesicht in den Stapel Badetücher auf ihrem Arm und vergaß vor Schreck zu atmen. Ihre Wangen waren ganz heiß, während ein gänzlich unbekanntes Gefühl in ihr aufstieg.

Weil sie nicht nur ihren Ehrengast, den Prinzen von Verina, in einer höchst intimen Situation erspäht hatte. Sondern auch die Kronjuwelen.

Unglücklicherweise befand sich Sopi auf der anderen Seite des Beckens, wo hinter einem Vorsprung der Rollwagen mit den frischen Badetüchern stand. Um von hier wegzukommen, musste sie erst das Deck umrunden und die kleine Brücke überqueren …

Plötzlich spritzte das Wasser, als der Prinz nahe ihren Füßen auftauchte.

„Guten Morgen.“ Er klang überrascht, ein klein wenig heiser.

Oh Gott. Sie zwang sich, den Kopf zu heben und kurz – ganz flüchtig – in seine Richtung zu schauen.

Gut. Nur Kopf und Schultern waren sichtbar. Das sollte es ihr eigentlich erlauben zu atmen, aber, Himmel, er sah so umwerfend aus. Seine Wangenknochen über dem nass glänzenden kurzen Bart wirkten wie gemeißelt. Ließ er sich diesen Bart nur stehen, um seinen schönen Mund zu betonen? Denn diese männlichen, wohlgeformten Lippen brachten sie allein durchs Ansehen auf schlimme Gedanken. Das nasse Haar hatte er sich nach hinten gestrichen, in den laserblauen Augen lauerte träge Neugier.

„Péférez vous le français?“, fragte er.

„Was? Ich meine, Verzeihung? Ich meine, nein. Ich spreche Englisch. Guten Morgen“, brachte sie sehr verspätet heraus.

Wenigstens wusste er nicht, wer sie war. Sie hatte gestern Abend ihr einziges anständiges Kleid angezogen, weil sie als Mitglied des Empfangskomitees eingeplant gewesen war, das aus Maude und ihren Stiefschwestern bestanden hatte. Doch dann hatte sie sich wieder umziehen müssen, um eine Lieferung mit sehr speziellen Kaffeebohnen und anderen Delikatessen abzuholen, die Maude extra für den Prinzen bestellt hatte. Eine Fahrt von vier Stunden, und das nur, weil irgendwer einen Fehler gemacht hatte.

„Ich fülle nur rasch die Badetücher auf.“ Nicht, dass sie gestarrt hätte oder sprachlos gewesen wäre oder so. Sie beeilte sich, den Stapel in den Rollwagen zu schieben, nahm dann aber schnell ein Handtuch wieder raus. „Das lege ich zu Ihrem Bademantel. Unsere … äh … europäische Stunde ist übrigens erst um … äh … zehn Uhr. Abends.

„Europ…? Oh.“ Sein rechter Mundwinkel zuckte. „Bin ich gehalten, Badekleidung zu tragen?“

„Eigentlich schon. Nacktbaden ist nur nachts erlaubt … nach dem Saunagang.“

„Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, es ist also praktisch immer noch Nacht.“ Er hob eine geschwungene Augenbraue und sah zum Himmel auf.

„Stimmt.“ Sie überlegte einen Moment, dann beschloss sie, ihn ein bisschen zu piesacken. „Aber hier ist noch nicht geöffnet. Deshalb verstoßen Sie in jedem Fall gegen die Hausordnung.“

„Worin besteht die Strafe?“

So mit ausgebreiteten Armen gegen die Beckenwand gelehnt sah er aus wie jeder andere Gast, der müßig die Blicke schweifen ließ oder mit einer zufällig vorbeikommenden Angestellten ein bisschen flirtete.

Doch da sie wusste, dass er nackt war, bekam Sopi bei dem Geplänkel Herzklopfen und hatte plötzlich Schmetterlinge im Bauch. Sie drückte das Badetuch fest an sich, während sie versuchte, die Schmetterlinge auszublenden.

„Wenigstens verstehe...