Seewölfe - Piraten der Weltmeere 688 - Die Galeere des Sultans

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 688 - Die Galeere des Sultans

von: Fred McMason

Pabel eBooks, 2021

ISBN: 9783966881029 , 115 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 688 - Die Galeere des Sultans


 

1.


Dieses schaurig-schöne Ungeheuer schob sich jetzt langsam in den Hafen von Madras.

Die Segel hingen halb im Gei. Nur ein paar große Riemen bewegten sich mit sanftem Schlag durch das Wasser. Der Rammsporn der prunkvollen Galeere schien wie zufällig auf die Schebecke zu zielen.

„Was hast du gesagt?“ fragte Hasard.

Mac Pellew wiederholte es schluckend.

„Ich sagte, da braut sich ein höllisches Donnerwetter zusammen, Sir. Das habe ich so im Gefühl.“

Old Donegal, der interessiert am Schanzkleid lehnte und zu der Galeere hinüberblickte, hatte diesmal gar nichts „im Gefühl“. Sein Blick hinter die Kimm war an diesem Tag getrübt, und so nahm er in keiner Weise das Unheimliche und Drohende zur Kenntnis, das von diesem Schiff ausging.

„Feines Eimerchen“, murmelte er begeistert. „Ein Prunkschiffchen, das sicher so einem reichen Widdibum gehört.“

Wenn sich der Admiral für etwas begeisterte, dann tat er das durch Verniedlichung kund, und aus der riesigen Galeere wurde dann ein feines Eimerchen.

„Was versteht man unter einem reichen Widdibum?“ wollte Mac Pellew wissen.

„So heißen die reichen Inder“, behauptete der Alte.

„Dachte immer, sie nennen sich Nawab und sind Vizekönige in Indien oder Provinzgouverneure. Reich sind sie jedenfalls.“

„Sie heißen Widdibum“, sagte Old Donegal stur.

„Na, meinetwegen“, knurrte Mac. „Soll mir auch recht sein.“

Hasard kniff die Augen schmal und musterte durch das Sonnenlicht die einlaufende Galeere. In seinem Magen war Leere, als hätte er seit Tagen nichts mehr gegessen. Er konnte das Gefühl nicht deuten, aber ihm schwante nichts Gutes.

Außerdem gingen ihm Macs Worte nicht aus dem Sinn. Der gute Mac hatte doch sonst keine trüben Vorahnungen!

„Bedrückt dich dieser Anblick?“ fragte der Spanier Juan de Alcazar, der neben den Seewolf getreten war.

„Galeeren wecken immer schlechte Erinnerungen in mir. Sie haben etwas so – so Unmenschliches an sich. Ich habe sie auch schon von innen kennengelernt, angekettet auf der Ruderbank, gepeitscht von Blutsäufern und Menschenschindern.“

„Hier scheint es auch nicht viel besser zu sein“, meinte der Spanier und wies auf einen bulligen Kerl an Oberdeck, der durch die Bankreihen ging und eine zusammengerollte Bullpeitsche unter dem Arm trug. „Scheint sich hier um eine Art Staatsbesuch zu handeln“, fügte er hinzu. „Merkwürdig, daß der Sultan davon nichts erwähnt hat. Es muß irgendein Nawab sein, der Madras mit seinem Besuch beehrt.“

„Das könnte sein“, gab Hasard zu. „Aber erwähnt hat er davon kein Sterbenswort, und gerade ihm müßte das doch bekannt sein.“

Sie hatten Gold und Silber ausgeladen, und es war auf einer Elefantenkarawane ins Landesinnere abtransportiert worden. Der Sultan von Golkonda hatte die Arwenacks gebeten, hier noch ein oder zwei Tage zu warten. Dann wollte er mit großem Gefolge zurückkehren und alle in seinen Palast einladen. Ein rauschendes Fest sollte gefeiert werden.

Inzwischen, so hatte er empfohlen, sollten sie sich von den Strapazen ausruhen und sich ein wenig in Madras umsehen.

Aber Madras war ein ziemlich trostloses Kaff, in dem Carberry vor allem zünftige Kneipen vermißte. Statt dessen gab es den Kapaleswara- und den Parathasarathy-Tempel sowie die Kathedrale San Thomé, die man über dem Grab des Apostels Thoma erbaut hatte, der im Jahre 68 n. Chr. in Mylapore den Märtyrertod gestorben war.

Aber das hatten sie alles schon gesehen.

Das Volk hier war arm, bettelarm und hauste in Lehmhütten. Es gab in Madras nur zwei Marktplätze, die allerdings märchenhaft und sehr exotisch anmuteten, ein paar Fischer und Gaukler, die sich mit Schlangen oder fürchterlicher Musik zur Schau stellten.

Über Madras und dem Hafen hing an diesem Morgen eine Glocke aus brütender Hitze. Der Wind blies leicht ablandig und brachte den Gluthauch des Binnenlandes mit sich.

Aber jetzt war die Langeweile durch das Erscheinen der Prunk-Galeere unterbrochen worden, einem Schiff, an dem die Arwenacks eine ganze Weile herumrätselten.

„Zweifellos eine osmanische Galeere, wie wir sie in der Türkei bereits gesehen haben. Sie hat den gleichen fürchterlichen Rammsporn wie die Dromonen“, sagte Ferris Tucker. „Aber was sucht eine osmanische Galeere in indischen Gewässern?“

Er erhielt keine Antwort darauf. Der Kutscher deutete lediglich an, daß man sie wohl erobert haben könnte, aber auch das sei ziemlich unwahrscheinlich.

„Glaube ich nicht“, sagte Ferris. „Man hätte sie dann durch das gesamte Mittelmeer und um den afrikanischen Kontinent herumbringen müssen. Das ist ein Törn, der länger als ein Jahr dauern kann. Zudem ist die Galeere nicht geeignet, durch die Ozeane zu schwimmen.“

Es war müßig, darüber nachzudenken. Jedenfalls war das Ungetüm jetzt hier und bewegte sich provozierend langsam auf die Schebecke zu. Der Rammsporn ragte aus dem Wasser – eine fürchterliche Waffe, mit der man andere Schiffe durchbohren oder vom Sporn aus auch entern konnte.

Die schon halbaufgetuchten Segel hingen jetzt schlapp herab. Der warme Wind bewegte das Tuch kaum.

Anfangs sah es so aus, als versuchten sie auf der Galeere, die Hafenausfahrt zu blockieren. Aber jetzt hatte sich die schwimmende Festung bereits hindurchgeschoben und nahm Kurs auf die Schebecke.

„Das werden doch nicht wieder ein paar Höllenhunde sein, die hinter unserer Ladung her sind?“ fragte Carberry stirnrunzelnd. „Da hätten die Herrschaften allerdings etwas früher aufstehen müssen. Jetzt ist der ganze Klumpatsch fort.“

Kommandos erklangen jetzt auf der Galeere. Die Ruderer auf den Bänken gingen mit der Schlagzahl zurück. Gleichzeitig wurde auch der Kurs ein wenig nach Steuerbord geändert.

Ein dumpfer Trommelschlag war zu hören. Die Riemen an Backbord hoben sich ein Stück aus dem Wasser. An Steuerbord wurde langsam weitergepullt, so daß das Prunkschiff einen Halbkreis beschrieb.

„Die scheinen nicht viele Leute zu haben“, bemerkte Matt Davies und zeigte mit der Hakenprothese auf etliche leere Bänke. „Vielleicht holen sie sich hier neue Arbeitskräfte.“

„Dann wären die Leute schon verschwunden und hätten sich in Sicherheit gebracht“, meinte der Seewolf. „Sie stehen aber sehr andächtig da und sind fast in Verehrung versunken.“

Über dem Hafen lag ein eigentümliches Schweigen. Noch kurz zuvor war hier alles in lebhafter Bewegung gewesen, doch jetzt wirkte die Szenerie wie erstarrt. Fast ehrfürchtig starrten die Inder zu dem Riesenschiff.

„Sie scheint hier bekannt zu sein“, murmelte Ben Brighton. „Muß sich wohl doch um recht hohe Würdenträger handeln. Aber warum werden sie nicht vom Sultan empfangen?“

„Weil der mit den Elefanten unterwegs ins Landesinnere ist“, erwiderte Hasard. „Wahrscheinlich ist der Besuch nicht angemeldet worden.“

„Ob das der große Akbar persönlich ist?“ fragte Dan O’Flynn in die Stille, die nur vom leisen Plätschern der Langriemen unterbrochen wurde. „Die Ladung gehörte ihm doch. Der Sultan will sie jedenfalls an ihn weiterleiten, wie uns erzählt wurde.“

Hasard hatte wieder dieses Gefühl entsetzlicher Leere im Magen, das er nicht definieren konnte.

Auf dem Achterdeck nahe der großen Hütte tauchte jetzt ein Mann auf.

Er trug eine hüftlange Jacke aus teurem Brokattuch und darunter trotz der brüllenden Hitze, eine Art Weste, die mit silbernen Knöpfen besetzt war. Seine Beine steckten in engen weißen Röhrenhosen, um das Gewand schlang sich ein golden schimmernder Gürtel. In dem Gürtel steckte in einer reichverzierten Scheide ein Krummdolch.

Unter dem hellen Turban waren schwarze Haare zu sehen. Der Mann hatte ein gutgeschnittenes Gesicht von Mahagonifarbe. Seine Nase war gerade, das Kinn energisch. Die Erscheinung strahlte Autorität aus. Kohlschwarze Augen blickten über den Hafen und blieben dann an der Schebecke für Augenblicke hängen.

Der schlanke und hochgewachsene Inder deutete eine leichte Verbeugung an, sehr knapp und kurz, die Hasard seinerseits mit einem leichten Kopfneigen etwas irritiert beantwortete.

Jetzt zeigte der Inder auf die gegenüberliegende Pier. Seine ringgeschmückte Hand wies nur einmal kurz dahin, und schon änderte die Galeere wie durch Zauberhand abermals den Kurs und hielt auf die Pier zu.

Ein paar Fischer pullten mit...