Die Legion - Roman

von: Simon Scarrow

Heyne, 2012

ISBN: 9783641067267 , 592 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Die Legion - Roman


 

Kapitel 1

Der Kommandant des kleinen Marinestützpunkts Epichos frühstückte gerade, als ihm der diensttuende Optio der Morgenwache Bericht erstattete. Seit Tagesanbruch fiel ein leichter Nieselregen der erste Niederschlag seit Monaten , und der Mantel des Optios war mit Tröpfchen bedeckt, die wie winzige Glasperlen aussahen.

»Was ist, Septimus?«, fragte Trierarch Philipus knapp und tunkte ein Stück Brot in eine kleine Schale mit Garum-Sauce, die vor ihm stand. Er hatte die Gewohnheit, morgens einen Kontrollgang durch das kleine, befestigte Lager zu machen und dann in sein Quartier zurückzukehren, um ungestört zu frühstücken.

»Ein Schiff ist gesichtet worden, Herr. Es fährt die Küste entlang und hat Kurs auf uns genommen.«

»Ein Schiff, so? Zufällig befährt es eine der verkehrsreichsten Schifffahrtsstraßen des Imperiums.« Philipus holte tief Luft, um seine Ungeduld zu zügeln. »Und der wachhabende Marineinfanterist hält das für ungewöhnlich?«

»Es ist ein Kriegsschiff, Herr. Und es ist auf dem Weg in die Bucht.« Der Optio überging den Sarkasmus seines Vorgesetzten und setzte seinen Bericht mit ausdrucksloser Stimme fort. So hielt er es, seit der Trierarch vor beinahe zwei Jahren das Kommando über den Vorposten übernommen hatte. Anfangs war Philipus von seiner Beförderung begeistert gewesen; zuvor hatte er ein kleines Kriegsschiff in der Provinzflotte Alexandrias befehligt, eine Liburne. Als rangniedriger Kommandant eines kleinen Schiffes, das kaum je den Hafen verließ, hatte er nie eine Gelegenheit bekommen, sich auszuzeichnen, was ihn allmählich zutiefst verdrossen hatte. Die Ernennung zum Kommandanten des kleinen Marinestützpunkts in Epichos hatte ihm Unabhängigkeit verschafft, und anfangs hatte Philipus sich größte Mühe gegeben, den kleinen Versorgungshafen vorbildlich zu führen. Doch die Monate schleppten sich dahin, ohne dass irgendetwas Aufregendes geschah, und die Männer hatten wenig zu tun. Ihnen oblag es, die Kriegsschiffe und kaiserlichen Postschiffe zu verproviantieren, die auf ihrem Weg entlang der ägyptischen Küste gelegentlich in den kleinen, flachen Hafen einfuhren. Philipus’ einzige weitere Pflicht war das Entsenden einer regelmäßigen Patrouille das Nildelta hinauf, um die Einheimischen daran zu erinnern, dass ihre römischen Herren stets ein wachsames Auge auf sie hatten.

Und so quälte Philipus sich gelangweilt durch die Tage. Er befehligte eine halbe Centurie Marineinfanteristen und ebenso viele Seeleute, dazu eine alte Bireme die Anubis , die einmal in der Flotte gesegelt war, mit der Kleopatra ihren Liebhaber Marcus Antonius in seinem Krieg gegen Octavian unterstützt hatte. Nach Antonius’ Niederlage bei Actium war die Bireme in die römische Marine eingegliedert worden und hatte in der Flotte von Alexandria Dienst getan. Schließlich hatte man sie am Ende ihrer Tage nach Epichos geschickt, wo sie vor dem kleinen befestigten, aus Lehmziegeln errichteten Lager, das die Bucht überwachte, auf dem Strand lag.

Was für ein trübseliges Kommando, dachte Philipus. Die Küste des Nildeltas war flach und eintönig, und ein großer Teil der Bucht bestand aus einem Mangrovensumpf, in dem Krokodile lauerten. Reglos wie umgestürzte Palmstämme lagen sie im Wasser und warteten darauf, dass ihnen ein Beutetier nah genug kam, um es zu überrumpeln. Der Trierarch hoffte immer noch auf ein Abenteuer. Doch heute würde er nur überwachen, wie Zwieback, Wasser und Ersatzteile Tauwerk, Segel und Rundhölzer auf das neu eintreffende Boot geladen wurden, und sonst überhaupt nichts Aufregendes erleben. Dafür hätte man ihn wirklich nicht beim Frühstück zu stören brauchen.

»Ein Kriegsschiff, so?« Philipus biss Brot ab und kaute. »Nun, es befindet sich wahrscheinlich auf einer Patrouillenfahrt.«

»Das glaube ich nicht, Herr«, erwiderte Optio Septimus. »Ich habe im Logbuch des Stützpunkts nachgeschaut, und für mindestens einen Monat wird kein Kriegsschiff in Epichos erwartet.«

»Dann ist es eben mit einem besonderen Auftrag unterwegs«, erklärte Philipus wegwerfend. »Der Kapitän macht Station, um seine Wasser- und Nahrungsmittelvorräte aufzufüllen.«

»Soll ich die Männer zu den Waffen rufen, Herr?«

Philipus warf ihm einen scharfen Blick zu. »Warum denn das? Welchen Sinn soll das haben?«

»Stehender Befehl, Herr. Bei Sichtung eines unbekannten Gefährts ob nun zu Wasser oder zu Land wird die Garnison alarmiert.«

»Es ist doch kein unbekanntes Gefährt, oder? Es ist ein Kriegsschiff. Wir Römer sind die Einzigen, die im östlichen Mittelmeerraum Kriegsschiffe einsetzen. Das Fahrzeug ist also nicht unbekannt. Ergo ist es nicht nötig, die Männer in Aufruhr zu versetzen, Optio.«

Septimus hielt seine Stellung. »Wenn ein Schiff nicht angemeldet ist, ist es den Regeln zufolge unbekannt, Herr.«

»Den Regeln zufolge?« Philipus blies die Wangen auf. »Hör zu, Optio, sollte es irgendein Anzeichen von Feindseligkeit geben, kannst du die Garnison alarmieren. Sag einfach dem Quartiermeister Bescheid, dass wir Besuch bekommen. Er und seine Leute sollen sich bereithalten, das Kriegsschiff zu verproviantieren. Und jetzt möchte ich zu Ende frühstücken, wenn du gestattest. Wegtreten.«

»Jawohl, Herr.« Der Optio nahm Haltung an, salutierte, machte kehrt und schritt durch den kurzen Säulengang zum Ausgang des Kommandantenquartiers. Philipus seufzte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er den Mann so abgekanzelt hatte. Septimus war ein fähiger Unteroffizier, auch wenn er nicht sonderlich viel Fantasie besaß. Er war durchaus im Recht gewesen, als er den stehenden Befehl zitierte. In den frühen Tagen seines neuen Kommandos, als er noch voller Begeisterung gewesen war, hatte Philipus diese Befehle eigenhändig sorgfältig niedergeschrieben.

Philipus aß den letzten Bissen Brot, leerte sein Glas von mit Wasser vermischtem Wein und erhob sich, um in seine Schlafkammer zu gehen. Er blieb bei den Kleiderhaken an der Wand stehen und griff nach seinem Brustpanzer und seinem Helm. Es war sicherlich geraten, den Kommandanten des Schiffs förmlich zu empfangen und für ein rasches Beladen zu sorgen, damit er der Flotte in Alexandria einen guten Eindruck vermitteln konnte. Wenn die Berichte über Philipus wohlwollend ausfielen, bestand immerhin die Möglichkeit, dass er vielleicht ein prestigeträchtigeres Kommando erhielt und Epichos hinter sich lassen konnte.

Philipus band seinen Kinnriemen fest, rückte den Helm zurecht, legte sich den Schwertgurt über die Schulter und verließ sein Quartier. Das befestigte Lager in Epichos war klein, kaum fünfzig Schritte im Quadrat. Die Mauern aus Lehmziegeln waren drei Meter hoch und würden einen Feind, der entschlossen war, den Versorgungshafen anzugreifen, kaum abhalten. Die Mauern waren jedenfalls rissig und baufällig und wären leicht einzureißen. Aber tatsächlich bestand die Gefahr eines Angriffs gar nicht, überlegte Philipus. Die römische Marine beherrschte das Meer, und die nächste Bedrohung von Landseite stellte das Königreich Nubien dar, das Hunderte von Meilen weiter südlich lag. Sonst gab es nur noch verschiedene arabische Räuberbanden, die gelegentlich isolierte Siedlungen am oberen Nil überfielen.

Das Quartier des Trierarchen lag am hinteren Ende des befestigten Lagers zwischen dem Kornspeicher und dem Lagerhaus für Schiffsbedarf. Sechs Mannschaftsbaracken säumten die Straße, die mitten durchs Lager zum Torhaus führte. Als er sich näherte, nahmen zwei Wachleute gemächlich Haltung an und präsentierten die Speere. Philipus ging zwischen ihnen hindurch und verließ das Lager. Obwohl der Himmel klar war, lag ein leichter Nebelschleier über der Bucht und wurde über dem Mangrovensumpf dichter. Das Gestrüpp aus Binsen, Palmen und Buschwerk wirkte dadurch ein wenig gespenstisch, und in seiner Anfangszeit hier hatte Philipus das sogar als leicht beunruhigend empfunden. Doch inzwischen hatte er oft an Flusspatrouillen teilgenommen und sich an den frühmorgendlichen Nebel gewöhnt, der häufig über dem Nildelta lag.

Vor dem befestigten Lager lag ein langer Strand, der um die Bucht herum bis zum Mangrovensumpf führte. Auf der anderen Seite der Bucht machte der Strand einer felsigen Landzunge Platz, die einen schönen, natürlichen Hafen bildete. Unmittelbar vor dem Lager lag die Philipus unterstellte Bireme auf dem Sand. Der oberste Zimmermann hatte dem alten Kriegsschiff viele Monate Arbeit gewidmet. Er und seine Männer hatten angefaultes Holz ersetzt, das Schiff geteert und den Mast, die Spieren und die Takelage erneuert. Nahe dem Bug waren zu beiden Seiten kunstvoll Augen aufgemalt worden. Das Schiff war seetüchtig und konnte zu Wasser gelassen werden, aber Philipus bezweifelte, dass dieser Veteran aus Actium je wieder eine Seeschlacht erleben würde. Neben der Anubis ragte ein solider Holzpier rund vierzig Schritte in die Bucht hinaus und gestattete besuchenden Schiffen das Anlegen.

Obwohl die Sonne sich noch nicht über den Nebel erhoben hatte, war die Luft warm, und Philipus hoffte, dass er auf die Förmlichkeiten, die mit der Ankunft des Schiffes verbunden waren, bald verzichten und Brustpanzer und Helm wieder ablegen könnte. Er machte kehrt und schritt über den staubigen Weg zu dem kleinen Wachturm. Dieser war auf einer Felsenerhöhung der Landzunge errichtet, die den natürlichen Wellenbrecher des Hafens bildete. An der Spitze der Landzunge bewachte ein weiterer, mächtigerer Wachturm die...