Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin - Shapeshifters of New York

Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin - Shapeshifters of New York

von: Sara Hill

beHEARTBEAT, 2020

ISBN: 9783751700054 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 6,99 EUR

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Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin - Shapeshifters of New York


 

Kapitel 1


Eine eisige Brise biss in mein Gesicht, als ich das Taxi verließ. Kleine Wölkchen kondensierten Atems stiegen aus meinem Mund auf. Endlich frische Luft!

Ich atmete sie tief in die Lunge. Das säuerliche Aroma, das im Taxi vorgeherrscht hatte, war wirklich nichts für empfindliche Nasen gewesen.

Der Fahrer holte eifrig meine Reisetasche aus dem Kofferraum und drückte sie mir in die Hand. Sie war alles, was ich dabeihatte, denn ich stand nicht so auf Handtaschen und dergleichen. Das, was ich brauchte, war in meinen Jackentaschen verstaut.

Der Mann verschwand wieder in seinem warmen Fahrzeug, und ich blieb allein zurück.

Mein Blick glitt die Fassade des Hotels hoch. Sie verschmolz mit der Dunkelheit. Eine Schneeflocke traf meine Nasenspitze. Ich erschauderte. Zunehmend mehr Flocken rieselten aus der Finsternis auf mich herab. Warum musste ich auch ausgerechnet im Februar nach New York reisen? Dazu noch während des kältesten Winters, den die Stadt jemals gesehen hatte?

Eilig betrat ich das Hotel, vor dem kein Portier wartete, wie man es so häufig in Filmen sah. Entweder es war zu kalt oder zu spät für solcherlei Service – oder beides.

Der Eingangsbereich war mit braunem Marmor ausgekleidet. Eine wohlige Wärme begrüßte mich, und die Gänsehaut verschwand. Das Aroma von Knoblauchwurst dämpfte meine Freude etwas. Wahrscheinlich hatte sich der Mann hinter dem Marmortresen einen kleinen Nachtsnack gegönnt. Die meisten Menschen würden den Geruch kaum wahrnehmen, ich aber widerstand dem Drang, mir meine behandschuhte Hand vor die Nase zu halten, nur mit Mühe. In letzter Zeit war mein Geruchsinn wirklich extrem empfindlich geworden. Schwangeren sagte man nach, dass sie besser als Hunde riechen konnten. Doch ich erwartete kein Baby, und es gab einfach keinen plausiblen Grund für diese Veränderung. Nur Andeutungen meines unbekannten Vaters in einem Brief besagten, dass diese Veränderungen auf mich zukommen würden.

»Was kann ich für Sie tun?« Der Mann Mitte vierzig zog die Augenbrauen hoch.

»Mein Name ist Olivia Müller, ich habe reserviert.«

»Mueller?«, wiederholte er umständlich, als würde ihm das Ü in meinem Namen die Zunge brechen.

»Müller«, korrigierte ich und wünschte mir in diesem Moment, Mama hätte mir den Namen meines Vaters gegeben. Der war meines Wissens nach Amerikaner.

Der Angestellte murmelte etwas und tippte auf seiner Tastatur herum. »Ich sehe keine Reservierung«, erwiderte er. Genervt zog ich die Handschuhe aus, schnappte mir den Kugelschreiber vom Tresen und schrieb meinen Namen in Druckbuchstaben auf meine Handfläche. Dann hielt ich sie ihm vor die Nase.

Wieder tippte er und schüttelte den Kopf. Ein Schwall seines Wurstatems traf mein Gesicht, ich trat hastig einen Schritt zurück, Galle brannte mir in der Kehle.

»Es gibt leider keine Reservierung.«

»Wieso? Ich habe schon vor Wochen gebucht.« Ich versuchte, ruhig zu bleiben, doch die Wut, die in mir hochkochte, ließ sich nicht aus der Stimme drängen. Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete die Buchungsseite, die sich gerade in diesem Augenblick nicht öffnen ließ. Dort stand etwas von technischen Problemen. Das war ja mal wieder typisch.

»Tut mir leid, Miss.«

»Egal, geben Sie mir einfach ein anderes Zimmer.«

»Wir haben keine Zimmer mehr frei, zur Zeit ist die Fashion Week«, erwiderte er mit betretener Miene.

Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war Tausende Kilometer von Zuhause entfernt und hatte kein Zimmer? Meine Beine zitterten, ich hatte das Gefühl, den Halt zu verlieren. Meine Suche nach meinem verschollenen Vater begann ja schon gut.

»Vielleicht gibt es im Giles noch eines. Es liegt nur ein paar Blocks entfernt. Ich könnte Ihnen ein Taxi rufen.«

»Geben Sie mir nur die Adresse, ich tippe sie in mein Handy. Wenn es nicht zu weit weg liegt, kann ich ja zu Fuß laufen.« Ich hatte für heute genug von unangenehm riechenden Taxis. Hoffnung loderte in mir auf, als ich die Adresse eingab und feststellte, dass sich das empfohlene Hotel nur zwei Straßen weiter befand.

»Vielleicht wäre ein Taxi wirklich besser«, meinte der Angestellte.

»Die frische Luft wird mir guttun.« Meinem Magen auf jeden Fall, fügte ich in Gedanken hinzu.

Als ich aus dem Hotel trat, glühten meine Wangen vor Ärger. Dass die Schneeflocken, die darauf landeten, nicht verdampften, war ein Wunder. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, während ich meine Tasche schulterte. Hoffentlich hatte das Giles ein Zimmer für mich. Wenn ich dort auch keines fand …

Mir wurde schon wieder schlecht. Darüber wollte ich keinesfalls nachdenken.

Der Gehweg war menschenleer, im Gegensatz zu den Straßen. Ein Auto nach dem anderen rauschte an mir vorbei. Bei dieser verfluchten Kälte schien sich niemand im Freien aufhalten zu wollen – was kein Wunder war. Obwohl ich gefütterte Sneakers trug, spürte ich schon nach wenigen Minuten meine Zehen kaum noch. Ich hob mein Handy hoch, an der nächsten Kreuzung musste ich nach links. Irgendwoher wehte Waschmittelgeruch in meine Richtung, der sich mit Abgasen vermischte.

Dann traf mich ein moschusartiges Aroma: ein Mensch, genauer gesagt ein Mann, der sich in unmittelbarer Nähe aufhielt.

Ich begann zu laufen. Aber der Geruch folgte mir. Das Knirschen von Schritten kam näher. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen, wurde noch schneller. Mein Herz sprang gegen die Rippen. Sämtliche Nackenhärchen stellten sich auf, der Instinkt schrie mir zu, dass ich hier wegmusste. Wo konnte ich hin? Mit angehaltenem Atem schaute ich über die Schulter, entdeckte aber niemand. Vielleicht hatte ich mir das alles nur eingebildet?

Mein Herz widersprach mit wilden Pochen.

In diesem Moment rutschte mir das Handy aus der Hand. Es schlitterte über eine gefrorene Pfütze in Richtung Fahrbahn. Ich ließ meine Tasche auf den Boden fallen.

»Verflucht!« Panisch rannte ich hinterher. Nach der Devise »Schlimmer geht immer!« sah ich noch, wie mein Telefon über den Bordstein kippte und zwischen Gittern verschwand. In einem der gruseligen Abwasserschächte, in denen vorzugsweise Horrorclowns lauerten, wenn man Stephen King Glauben schenken mochte! Meine Tränen wurden nur noch von einem hauchdünnen Damm gehalten.

In diesem Moment schlug mir der Duft von Moschus regelrecht ins Gesicht. Hände packten mich grob. Ich wurde über den Gehweg gezerrt und gegen eine Hauswand gedrückt. Mein Herz schlug bis zur Kehle. Panik legte sich um meinen Brustkorb – einem Schraubstock gleich. Ein Schrei blieb mir im Hals stecken.

»Mister, ich gebe Ihnen alles, was ich habe, aber bitte tun Sie mir nichts«, flehte ich heiser.

»Was tust du hier? Das ist nicht euer Gebiet«, fuhr mich mein Angreifer an.

Der Mann war gut einen Kopf größer als ich. Seine Pranke umfasste meinen Hals, während die andere weiter meinen Oberarm fest im Griff hatte. Ich schnappte nach Luft.

»Ich … ich … weiß nicht, wovon Sie reden.« Tränen liefen über meine Wagen.

Hasserfüllt starrte mich der Mann an. »Willst du mich verarschen?«

»Nein«, schluchzte ich und zitterte wie ein Reh, dessen Hals im Maul eines Raubtiers steckte.

Er musste nur noch zubeißen und würde mein Genick brechen wie einen verdorrten Grashalm. Verzweifelt sah ich zur Straße. Warum hielt keines dieser verfluchten Autos an?

»Sie können mein ganzes Bargeld haben. Alles, was Sie wollen.«

»Wir werden es nicht dulden, dass ihr unsere Grenzen verletzt, das weiß deine Brut.«

Er sprach ganz leise, was noch beängstigender als sein Brüllen war. Sein Griff wurde fester, und ich versuchte, die Hand von meinem Hals zu zerren, während ich nach Atem rang.

»Bitte«, stieß ich hervor.

»Hör auf zu zappeln, sonst drücke ich zu«, drohte er, und ich erstarrte. Eine lange Strähne seines im Nacken zusammengebundenen Haares rutschte ihm ins Gesicht. Er kam näher. Eine Narbe verlief quer über sein rechtes Auge. Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren.

»Bitte«, flehte ich keuchend, woraufhin er den Griff lockerte. »Ehrlich, Mister, ich kenne hier niemanden. Ich bin heute aus Deutschland in New York angekommen und war vorher noch nie in dieser Stadt.« Ich schluckte, meine Kehle schmerzte, doch endlich bekam ich wieder Luft.

»He, was machst du mit der Frau?«, schrie ein Fremder.

Der Mann ließ meine Kehle los, den Arm packte er dagegen umso fester.

»Das geht dich nichts an«, knurrte er und drehte sich zu dem Typ um. Ich erstarrte, war nicht in der Lage, auch nur die Finger zu bewegen.

»Ich ruf die Polizei, wenn du sie nicht loslässt.«

»Hau ab und kümmere dich um deinen Scheiß!«

Schneller, als ich es erfassen konnte, stand der unbekannte Retter bei meinem Angreifer, schnappte sich dessen Handgelenk, verdrehte es. Das hässliche Knacken verursachte mir eine Gänsehaut. Mit einem Schrei ließ mein Peiniger mich los, im nächsten Augenblick lag er mit dem Gesicht voran auf dem Gehsteig, das Knie des Retters im Kreuz.

»War alles ein Missverständnis, lass mich los, Mistkerl!«, lamentierte er.

»Du entschuldigst dich jetzt bei der Lady.« Mein Retter drückte das Gesicht des anderen in einen schmutzigen Schneehaufen, dann packte er ihn an den Haaren und zog den Kopf etwas hoch.

Es schüttelte mich.

»Okay, okay, bitte, Miss, verzeihen Sie mir.«

Ich beobachtete die Szenerie, als würde ich im Kino sitzen. Irgendwie war alles so unwirklich. Mir wurde schwindlig, meine Knie wollten nachgeben.

»Miss, wollen Sie die Polizei rufen?«, fragte Robin Hood mich.

Ich starrte ihn nur an, schüttelte...