Niederrhein. Radeln für die Seele - Wohlfühltouren

Niederrhein. Radeln für die Seele - Wohlfühltouren

von: Thomas Maria Claßen

Droste Verlag, 2018

ISBN: 9783770041640 , 192 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Niederrhein. Radeln für die Seele - Wohlfühltouren


 

Auszeittour 1


Waldesruh


Durch Reichswald und Niersauen


21,6 Kilometer

113 Höhenmeter

2 Stunden

Rundtour

Wir verlassen den Parkplatz im Herzen von Nierswalde unter den großen Laubbäumen mit dem Rücken zum Dorfanger. Der Schützenbaum auf der grünen Wiese hinter uns erinnert mit zwei Gedenktafeln an die ostdeutschen Ursprünge der Menschen dieser Siedlung.

Wenn wir früh unterwegs sind, können wir uns gegenüber im Nierswalder Landhaus am täglichen Frühstücksbuffet für die Tour stärken.

Rechts neben dem Landhaus fahren wir auf die Königsberger Straße. Kurz hinter dem Ortsausgangsschild biegen wir links ab und folgen zwischen Waldrand und offenen Feldern 1,2 Kilometer der schmalen Asphaltstraße. Dabei überqueren wir die Kreisstraße K 10 zwischen Kleve und Goch und sehen vor uns schon den weiten Rand des Klever Reichswalds.

Der Reichswald zwischen Kleve und der Grenze zu den Niederlanden umfasst ein Gebiet von 5100 Hektar und ist zugleich der größte öffentliche Wald in Nordrhein-Westfalen. Die Anhebungen im nördlichen Reichswald sind Teil des Niederrheinischen Höhenzugs, einige der höchsten Erhebungen des Niederrheins liegen hier. Der Klever Berg misst stattliche 106 Meter.

Die größte zusammenhängende Waldfläche des Niederrheins begrüßt uns am Holztor mit einer kleinen Gedichttafel und bittet mit dem „Gebet des Wildes“ für höchste Rücksicht auf die Bewohner des Waldes: „Kommst Du, oh Mensch in dies’ Revier, vergiss uns nicht wir leben hier …“

Nicht nur weil wir so nett gebeten werden, bleiben wir stets auf den freigegebenen Wegen des Naturschutzgebietes und schonen strikt die Ruhezonen rechts und links unserer Strecke. Über 2 Kilometer und mit wenigen sanften Schlenkern fahren wir geradeaus in den lichten Wald. Die Luft ist geprägt von frischer Erde und dem harzigen Duft hoher Nadelbäume, die hier den Mischwald dominieren.

Erst ahnen, dann erkennen wir vor uns das „Tunnelende“ unseres Weges, erreichen es an der Landstraße L 484, überqueren sie und fahren links. Nach 200 Metern sehen wir gegenüber das helle Portal des Forest War Cemetery . Der größte Ehrenfriedhof des Commonwealth in Deutschland ist eine beeindruckende Gedenkstätte, die an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs mit 7654 Gräbern und zwei großen Türmen erinnert. Von dort oben hat der Besucher einen weiten Blick über die Anlage.

Von hier folgen wir dem Radweg neben der L 484, wenden uns nach 500 Metern links zurück in den Reichswald und nach weiteren 700 Metern an der ersten Wegkreuzung wieder rechts. Nun fahren wir immer geradeaus, wie an der Schnur gezogen, weiter auf dem festen Waldweg. Wir bleiben stets im flachen Südteil des Reichswaldes, weiter im Norden liegen einige der höchsten Erhebungen des Niederrheins.

Forest War Cemetery

Für die Seele


Wir genießen den Duft des Waldes und die Stille der Seen.

Auch bei schönstem Wetter begegnen wir nur ab und zu ein paar Joggern, Wanderern oder anderen, die wie wir per Rad unterwegs sind. Bänke sind hier rar, aber immer wieder liegen große und kleine Stapel gefällter Bäume am Rand, teilweise mächtige Stämme, die auf ihre Verwertung warten. Oder auf uns, weil wir sie als Sitz für eine erste Pause nutzen. Dazwischen wachsen Farne, so weit das Auge reicht, und überall liegt Totholz, modert hier langsam vor sich hin. Ein unschätzbarer Lebensraum für bedrohte Käfer, Vögel und all die anderen schützenswerten Waldtiere. Große, moosbewachsene Baumstümpfe glänzen in der Sonne in unbeschreiblich grünem Grün.

Neben dem namensgebenden Rhein ist die Niers der wichtigste Fluss am Niederrhein. Sie durchzieht ihn über 113 Kilometer vom Braunkohletagebau im Mönchengladbacher Wanlo bis zur niederländischen Grenze. Bei Kessel, etwa 17 Kilometer vor ihrer Mündung in die Maas bei Gennep, hat die Niers eine Breite von fast 20 Metern.

Gelegentlich überfliegen uns Raubvögel bei der Jagd und mit etwas Geduld und absoluter Ruhe entdecken wir vielleicht tief im Wald eine Gruppe Rehe oder Hirsche. Auch wenn uns meist kein Blick darauf gelingt, immer hören wir Gezwitscher und Gekreische aus unterschiedlichen Vogelkehlen.

Kaum merklich, aber stetig fahren wir bergab und nähern uns mehr und mehr dem Tal der Niers. Nach 3 Kilometern mündet der breite Weg in einen schmalen Pfad und 400 Meter weiter verlassen wir den Reichswald durch ein schmales Holztor im Drahtgitterzaun, der das gesamte Gebiet kilometerlang umschließt.

Zuerst geradeaus, dann in langen Bögen zuerst rechts, dann links, geht es nun auf 800 Metern über die Asphaltstraße Zum Horn. Danach scharf links auf den Radweg der Kranenburger Straße, deren Brücke uns nach 300 Metern über die Niers ins Spargeldorf Kessel, einen Ortsteil der Stadt Goch, führt. Dahinter biegen wir links ab, bewegen uns am Ortsrand entlang und erreichen nach 250 Metern St. Stephanus und den Kaiser-Otto-Platz des 2000-Seelen-Dorfes. Am Parkplatz erinnert eine Informationstafel daran, dass hier in der Gegend anno 980 der spätere deutsche Kaiser Otto III. geboren wurde.

Die Kirche wurde Anfang des 14. Jahrhunderts erstmals erwähnt, später abgerissen und zwischen 1868 und 1886 im neugotischen Stil neu erbaut. Der Klang der Glocken von St. Stephanus zählt wohl zu den schönsten Dorfgeläuten am Niederrhein. Eine der drei Glocken stammt aus dem Jahr 1414 und trägt in niederländischer Sprache die Inschrift „St. Stephanus ist mein Name, mein Geläut soll Gott gefallen“. Immer am Morgen des zweiten Weihnachtstages findet hier vor dem Glockenturm die schon traditionelle Pferdesegnung statt.

Paddeln auf der Niers

St. Stephanus in Kessel

Um die denkmalgeschützte Kirche herum wachsen Weinstöcke in langen Reihen, rundum mit grünen Netzen gut geschützt vor gefräßigen Vögeln. Und tatsächlich keltert der Pfarrer von St. Stephanus alljährlich nach der Traubenernte daraus seinen Messwein Kesseler Kirchenstück.

Auf unserem Weg durch den Ort treffen wir auf etliche Gasthöfe, die saisonal wechselnd lokale Gerichte anbieten, von Mitte April bis Ende Juni vor allem Spargel, der hier im Herzen des linken Niederrheins prächtig gedeiht. Ophey´s Spargelhof führt neben dem Restaurant auch einen Hofladen mit Erdbeeren und Feldgemüse aus eigenem Anbau.

Wir Niederrheiner orten Spargelfelder eigentlich nur am Niederrhein und bevorzugen unsere regionalen Spargelbauern gerne als die besten der Welt. Denn nur frisch schmeckt er am besten und Profis bereiten ihn stehend im hohen Topf, damit die zarten Köpfe nicht verkochen. Wahre Feinschmecker erlauben nur Butter oder Rührei neben den Spargelstangen auf dem Teller.

Die Kirche hinter uns lassend, fahren wir weiter, biegen zuerst rechts ab in den Klosterweg, dann 100 Meter weiter zweimal links wieder in die Kranenburger Straße, der wir über 1,5 Kilometer auf dem linksseitigen Geh- und Radweg folgen. Neben dem Parkplatz des Freizeitbads Goch Ness fahren wir 500 Meter weiter geradeaus, ein kurzes Stück auf dem Radweg links der Bundesstraße B 504 und wechseln an der Kreuzung nach links auf den rechten Radweg der Maasstraße. Nach 1 Kilometer biegen wir wieder links ab und folgen dem grünen Schild Kloster Graefenthal durch die Pappelallee.

Nonnen leben in dem ehemaligen Zisterzienserkloster längst nicht mehr. Aber das schmucke Klostercafé ist täglich geöffnet und lädt zu frischen Getränken, Kaffeespezialitäten und hausgemachtem Kuchen ein. An vielen Wochenenden finden in dem historischen Areal unterschiedlichste Veranstaltungen statt. Es gibt Rockkonzerte, Weinfeste und alljährlich auch einen Mittelaltermarkt mit der „Schlacht um Graefenthal“. Die bunten Klosterhühner stört...