Der Herr der Ringe - Einbändige Ausgabe, in der Übersetzung von Margaret Carroux

von: J.R.R. Tolkien

Klett-Cotta, 2010

ISBN: 9783608105353 , 1295 Seiten

9. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 27,99 EUR

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Der Herr der Ringe - Einbändige Ausgabe, in der Übersetzung von Margaret Carroux


 

VORWORT

Diese Erzählung wuchs und wuchs, während ich sie erzählte, bis sie zur Geschichte des Großen Ringkrieges wurde, in der immer wieder die noch ältere Geschichte flüchtig auftauchte. Ich hatte damit begonnen, kurz nachdem Der Hobbit geschrieben und noch ehe er 1937 erschienen war; aber dann fuhr ich mit der Erzählung nicht fort, denn zuerst wollte ich die Mythologie und Sagen der Altvorderenzeit, die damals schon seit einigen Jahren Gestalt angenommen hatten, vervollständigen und ordnen. Das wollte ich zur eigenen Freude tun, und ich hatte wenig Hoffnung, dass andere sich dafür interessieren würden, zumal die Erzählung in erster Linie sprachwissenschaftlich inspiriert war und ursprünglich darauf zielte, den notwendigen »geschichtlichen« Hintergrund für die Elbensprachen zu schaffen.

Als jene, die ich um Rat und ihre Meinung befragte, mich berichtigten, dass nicht wenig Hoffnung, sondern gar keine Hoffnung bestünde, nahm ich dann die Erzählung wieder auf, ermutigt durch die Bitten von Lesern, ihnen mehr über Hobbits und ihre Abenteuer zu berichten. Aber die Darstellung wurde unwiderstehlich zur älteren Welt hingezogen, wurde gleichsam zu einem Bericht über deren Ende und Vergehen, bevor ihr Beginn und die Zwischenzeit erzählt waren. Dieser Vorgang hatte schon bei der Niederschrift des Hobbits eingesetzt, der bereits manche Hinweise auf die älteren Begebenheiten enthält: Elrond und Gondolin, die Hochelben und Orks, und auch ungebeten wurden flüchtig Dinge sichtbar, die höher oder tiefer oder dunkler waren, als es äußerlich schien: Durin, Moria, Gandalf, der Geisterbeschwörer, der Ring. Als die Bedeutung dieser flüchtigen Ausblicke und ihrer Beziehung zur ganz alten Geschichte einmal entdeckt war, enthüllte sich das Dritte Zeitalter und sein Höhepunkt, der Ringkrieg.

Diejenigen, die mehr über Hobbits wissen wollten, erfuhren es schließlich, aber sie mussten lange darauf warten; denn in den Jahren 1936 bis 1949 kam ich nur dann und wann dazu, mich mit dem Herrn der Ringe zu beschäftigen. Damals hatte ich viele Pflichten, die ich nicht vernachlässigte, und so manche anderen Interessen als Lernender und Lehrender, die mich oft völlig in Anspruch nahmen. Auch der Ausbruch des Krieges 1939 trug natürlich zur Verzögerung bei; am Schluss jenes Jahres hatte die Erzählung noch nicht das Ende von Buch I erreicht. Trotz der Dunkelheit der nächsten fünf Jahre fand ich es nun nicht mehr möglich, die Darstellung völlig aufzugeben, und so quälte ich mich voran, zumeist des Nachts, bis ich an Balins Grab in Moria stand. Dort hielt ich eine lange Weile inne. Es war fast ein Jahr vergangen, als ich fortfuhr und dann Ende 1941 nach Lothlórien und zum Großen Strom kam. Im nächsten Jahr schrieb ich die ersten Entwürfe der Begebenheiten, die jetzt das Buch III bilden, und die Anfänge der Kapitel 1 und 3 von Buch V; und dort, als die Signalfeuer in Anórien aufflammten und Théoden zum Hargtal kam, hörte ich auf. Weiter hatte ich nicht vorausgeschaut, und zum Nachdenken war keine Zeit.

Im Jahre 1944 war es soweit, dass ich die noch ungeklärten Wirren eines Krieges, den zu führen oder zumindest über den zu berichten meine Aufgabe war, beiseite ließ und mich zwang, Frodos Wanderung nach Mordor in Angriff zu nehmen. Diese Kapitel, die später Buch IV werden sollten, schickte ich in Fortsetzungen an meinen Sohn Christopher, der damals bei der Royal Air Force in Südafrika war. Dennoch dauerte es noch weitere fünf Jahre, bis die Erzählung zu ihrem jetzigen Ende gelangte; in dieser Zeit wechselte ich mein Haus, meinen Lehrstuhl und mein College, und die Tage waren zwar weniger dunkel, aber nicht weniger arbeitsreich. Dann, als das »Ende« schließlich erreicht war, musste die ganze Darstellung überarbeitet und großenteils sogar neu geschrieben werden. Und sie musste getippt und noch einmal getippt werden: von mir, die Kosten für professionelles Tippen von Zehnfingrigen überstiegen meine Mittel.

Seit Der Herr der Ringe im Jahr 1954 endlich erschien, haben viele Leute das Buch gelesen; und ich möchte hier gern einiges sagen zu den Ansichten oder Mutmaßungen über die Motive und Bedeutungen der Erzählung, die mir zugegangen sind oder über die ich gelesen habe. Das Hauptmotiv war der Wunsch eines Märchenerzählers, es einmal mit einer wirklich langen Geschichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit der Leser fesselt, sie unterhält, erfreut und manchmal vielleicht erregt oder tief bewegt. Als Richtschnur hatte ich nur mein eigenes Gefühl für das, was ansprechend oder packend ist, und für viele erwies sich diese Richtschnur unvermeidbar oft als falsch. Manche, die das Buch gelesen oder jedenfalls besprochen haben, fanden es langweilig, absurd oder belanglos; und ich habe keinen Grund, mich zu beklagen, denn ich habe ähnliche Ansichten über ihre Arbeiten oder über die Art zu schreiben, die sie offenbar vorziehen. Aber selbst denjenigen, denen meine Darstellung Vergnügen bereitet hat, hat vieles nicht gefallen. Vielleicht ist es in einer langen Erzählung nicht möglich, jedermann an allen Stellen zu gefallen oder auch jedermann an denselben Stellen zu missfallen; denn aus den mir zugegangenen Briefen ersehe ich, dass gerade die Abschnitte oder Kapitel, die den einen ein Ärgernis sind, von anderen besonders gelobt werden. Der kritischste Leser von allen, ich selbst, findet jetzt viele kleinere und größere Mängel; da er aber zum Glück weder verpflichtet ist, das Buch zu besprechen, noch es ein zweites Mal zu schreiben, wird er sie mit Stillschweigen übergehen, abgesehen von dem einen Mangel, den andere festgestellt haben: Das Buch ist zu kurz.

Was irgendwelche tiefere Bedeutung oder »Botschaft« betrifft, so gibt es nach der Absicht des Verfassers keine. Das Buch ist weder allegorisch noch aktuell. Als die Darstellung wuchs, schlug sie Wurzeln (in der Vergangenheit) und verzweigte sich unerwartet, aber ihr Hauptthema lag von Anfang an fest, weil der Ring nun einmal das Bindeglied zwischen ihr und dem Hobbit war. Das entscheidende Kapitel, »Der Schatten der Vergangenheit«, ist einer der ältesten Teile der Erzählung. Es war schon lange geschrieben, ehe die Vorzeichen des Jahres 1939 sich zur Drohung eines unentrinnbaren Verhängnisses verdichtet hatten, und von diesem Punkt an hätte sich die Darstellung im Wesentlichen in denselben Grundzügen weiterentwickelt, auch wenn das Verhängnis abgewendet worden wäre. Ihr Ursprung sind Dinge, die mir schon lange im Sinn lagen oder in einigen Fällen schon niedergeschrieben waren, und wenig oder nichts wurde durch den Krieg, der 1939 begann, oder durch seine Folgen verändert. Der wirkliche Krieg ähnelt weder in seinem Verlauf noch in seinem Abschluss dem Krieg der Sage. Hätte er den Fortgang der Sage inspiriert oder bestimmt, dann hätte man sich des Ringes bemächtigt und ihn gegen Sauron eingesetzt; Sauron wäre nicht vernichtet, sondern versklavt, Barad-dûr nicht zerstört, sondern besetzt worden. Nachdem Saruman nicht in den Besitz des Ringes zu gelangen vermochte, hätte er in jener Zeit der Verwirrung und des Verrats die fehlenden Zwischenglieder seiner eigenen Nachforschungen über Ringkunde in Mordor gefunden und sich bald einen eigenen Großen Ring gemacht, um damit den selbsternannten Herrscher von Mittelerde herauszufordern. Bei diesem Kampf hätten beide Seiten für die Hobbits nur Hass und Verachtung empfunden: nicht einmal als Sklaven hätten sie lange überlebt.

Andere Lösungen könnten ersonnen werden je nach dem Geschmack oder den Ansichten jener, die Allegorien oder aktuelle Bezüge schätzen. Aber ich habe eine herzliche Abneigung gegen Allegorie, und zwar immer schon, seit ich alt und wachsam genug war, um ihr Vorhandensein zu entdecken. Wahre oder erfundene Geschichte mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit auf das Denken und die Erfahrung der Leser ist mir viel lieber. Ich glaube, viele Leute verwechseln »Anwendbarkeit« mit »Allegorie«; aber die eine ist der Freiheit des Lesers überlassen, die andere wird ihm von der Absicht des Verfassers aufgezwungen.

Ein Verfasser kann natürlich nicht völlig unbeeinflusst bleiben von seiner Erfahrung, aber die Art und Weise, wie der Keim einer Geschichte aus dem Boden der Erfahrung Nutzen zieht, ist äußerst verwickelt, und Versuche, diesen Vorgang zu beschreiben, sind bestenfalls Mutmaßungen aufgrund unzulänglicher und mehrdeutiger Nachweise. Auch ist es eine falsche, obschon natürlich verlockende Annahme, dass, wenn das Leben eines Autors und eines Kritikers einander überschneiden, die Denkweise und die Ereignisse der von ihnen gemeinsam erlebten Zeiten notwendigerweise einen starken Einfluss ausüben. Man muss in der Tat persönlich in den Schatten des Krieges geraten, um zu erfahren, wie bedrückend er ist; aber im Laufe der Jahre scheint man nun oft zu vergessen, dass es ein keineswegs weniger furchtbares Erlebnis war, in der Jugend von 1914 überrascht zu werden, als 1939 und in den folgenden Jahren vom Krieg betroffen zu sein. 1918 waren bis auf einen alle meine nächsten Freunde tot. Oder um ein weniger schmerzliches Beispiel anzuführen: Man hat vermutet, dass »Die Befreiung des Auenlandes« die Situation in England zu der Zeit, als ich meine Erzählung beendete, widerspiegelt. Das stimmt nicht. Das Kapitel ist ein wesentlicher Bestandteil der Handlung und war von Anfang an vorgesehen, wenn es auch in seinem Verlauf modifiziert wurde durch Sarumans Charakter, wie er sich in der Darstellung entwickelte, ohne – muss ich das erwähnen? – irgendwelche allegorische Bedeutung oder einen zeitgenössischen politischen Bezug. Allerdings besteht ein Zusammenhang, wenn auch ein loser (weil die wirtschaftliche Situation eine völlig...