Biomasseanbau und Naturschutz. Reformvorschläge für einen zunehmend ökologisch, gesellschafts- und klimapolitisch fragwürdigen Anbau von Biomasse

von: Jens Lüdeke

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836616133 , 181 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 43,00 EUR

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Biomasseanbau und Naturschutz. Reformvorschläge für einen zunehmend ökologisch, gesellschafts- und klimapolitisch fragwürdigen Anbau von Biomasse


 

Kapitel 2, Analyse und Bewertung der Auswirkungen des Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft: Einführung:
Der Biomasseanbau ist bereits heute ein flächenmäßig bedeutendes Phänomen und seine Auswirkungen auf Natur und Landschaft bedürfen von daher einer genauen Untersuchung. Bisher ist das Wissen vor allem über die landschaftsbezogenen Auswirkungen des zunehmenden Anbaus von Biomasse gering. Besonders die Auswirkungen auf die gewachsene Kulturlandschaft und deren nachhaltige Nutzung sollten dabei betrachtet werden. Die Biomasseproduktion erfolgt heute fast ausschließlich mittels einer "industrialisierten" Landwirtschaft, während man in der Forstwirtschaft noch ganz am Anfang steht. Dabei werden große Mengen an Energie verbraucht, so für Dünger und Chemikalien, für den Maschinenpark, für die Bewässerung, Trocknung und die Endverarbeitung der Produkte. Außerdem liegt anschließend oft noch ein weiter Transportweg vor. Um die Biomasseproduktion zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien zwar ökonomisch, aber unter Berücksichtigung der ökologischen Konsequenzen zu betreiben, müssen sowohl diese Energiebilanzen als auch die Auswirkungen auf Natur und Landschaft in die Betrachtungen mit einbezogen werden.
Ein offensichtliches Problem besteht heute darin, dass trotz der Vielzahl von zur Verfügung stehenden Arten und Kulturtechniken eine eindeutige Konzentration allein auf den Maisanbau für die Biogasnutzung sowie den Rapsanbau für Biodiesel erfolgt. Im Jahre 2005 nahm Raps (nach Statistiken des FNR) mit 1,06 Million Hektar 76 Prozent der Gesamtfläche ein, auf denen nachwachsende Rohstoffe angebaut wurden. Nach Abb. 9 ist dieser Anteil bis 2007 zwar gefallen, er beträgt aber immer noch 63 Prozent der Fläche, die für die energetische Nutzung bebaut wird, und absolut ist die Rapsanbaufläche weiterhin gewachsen. Mais nimmt 2007 bereits 15,4 Prozent der energetisch genutzten Anbaufläche in Anspruch, mit der früher beschriebenen gewaltigen Dynamik (siehe Abschnitt 1.4) Wenn die weitere Analyse vor allem für die beiden Fruchtgruppen gilt und erst in 2.1.7 auch auf andere Fruchtgruppen eingegangen wird, deren Anbau möglicherweise verdrängt wurde, so vor allem, weil man über die verdrängten Fruchtgruppen und Fruchtarten wenig weiß. Sowohl der Anteil der Maisproduktion, vor allem aber der Rapsproduktion lag 2007 bei der Bodennutzung für energetische Zwecke immerhin über dem Anteil in der Landwirtschaft insgesamt (2006 Maisanteil 13,8 Prozent, Rapsanteil 12 Prozent). Auch spricht nicht viel für die Vermutung im neuesten Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, dass der Maisanbau für energetische Zwecke den Maisanbau insgesamt gar nicht erhöht habe. Zwischen 2005 und 2007 ist die energetisch genutzte Fläche des Maisanbaus um 202.000 Hektar gestiegen, im gleichen Zeitraum stieg nach den Statistiken des Deutschen Maiskomitees die Gesamtfläche, auf der Mais angebaut wurde, um 153.000 Hektar.
Durch diese Konzentration kam es in den vergangenen Jahren zu immer großflächigeren Monokulturen für den Energiepflanzenanbau, die wachsende Belastungen des Bodens durch Verdichtung und Erosion bewirken. Die einseitige Ausrichtung begünstigt obendrein eine stärkere Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen. Auch die ohnehin schon eingeschränkte Biodiversität in den Lebensräumen des landwirtschaftlichen Anbaus nimmt weiter ab. Dabei kann das Landschaftsbild durch den großflächigen und im Eindruck "erdrückenden" Maisanbau Schaden nehmen.
Um die größtmögliche Menge an Pflanzenmasse zu produzieren, und nur darauf kommt es bei einer reinen Biomasseproduktion ohne ökologisch gesetzte Grenzen an, werden auch weiterhin große Mengen an Düngemittelgaben eingesetzt, die durch Auswaschung dann als Nitrateinträge ins Grundwasser gelangen können. Dabei könnten schon bei Einhalten der bereits heute gesetzlich geregelten "guten fachlichen Praxis" (siehe BNatSchG und BBodSchG) viele dieser Probleme verhindert werden.
Ökologisch empfehlenswert erscheint dahingegen der Mehrkulturenanbau. Gegenüber dem Mais sind Nutzungssysteme, die auf einen vielfältigen Anbau in abgestimmter Fruchtfolge setzen, aber bisher kaum zum Einsatz gekommen. Hierfür fehlen (außerhalb weniger Demonstrationsprojekten) noch langjährigen Erfahrungswerte, die verlässliche Aussagen über die ökologischen und zugleich ökonomische Seite dieser Produktionsweise zulassen. Außerdem ist beim Mehrkulturenanbau eine anspruchsvoller Planung und Bewirtschaftung von Nöten. Die Übernahme der dadurch entstehenden Kosten scheuen die Landwirte derzeit noch. Vorteilhaft an derartigen Systemen sind die geringere Erosionsgefahr und Eutrophierungsneigung. Auch kann bei geschickter Planung der Einsatz von Herbiziden und Pestizide zumindest stark reduziert werden.
Weiterhin sollte auch eine verstärkte Toleranz gegenüber Ackerwildkräutern gerade beim Biomasseanbau eingefordert werden. Dies kann z.B. durch einer Verringerung der Pflanzenschutzmittelgabe erreicht werden. Außer der extensiveren Nutzung der "Normalstandorte" kann eine weitere Lösung für die ökologischen Biomasseprobleme in der Bewirtschaftung zusätzlicher bisher nicht genutzter ertragsarmer Flächen liegen. Diese Standorte bieten noch ein großes Potenzial.
Doch vor der Erarbeitung solcher Lösungsstrategien sollen die einzelnen Auswirkungen eines verstärkten Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft näher analysiert werden. Die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schutzgüter lassen sich nach SCHULTZE 2004 wie folgt differenzieren.
Die in Tab. 6 aufgeführten Wirkfaktoren auf die Schutzgüter beziehen sich durchwegs auf negative Auswirkungen, die der Verursacher (für den Anbau von Biomasse) nicht in vollem Umfang selbst zu spüren bekommt. Man spricht deshalb in der ökonomischen Disziplin auch von externen Kosten, die die eigentliche Rechtfertigung öffentlicher Interventionen in Gestalt von Subventionen oder Ver- und Geboten abgeben sollten. Wenn z.B. der großflächige Monokultur-Maisanbau zum Verlust von ästhetisch wertvollen Landschaftselementen führt, so können sich die davon Betroffenen nicht individuell wehren (ein normaler Markt versagt). Auch in der ökonomischen Theorie ist anerkannt, dass bei Vorliegen solcher Externalitäten kollektive (öffentliche) Eingriffe aus wohlfahrtsökonomischer Sicht notwendig sind. Das rechtfertigt deshalb auch beim Biomasseanbau selbst aus ökonomischer Perspektive Maßnahmen, die dem Natur- und Landschaftsschutz dienen.
Bisher liegen diesen Wirkungen der Energiepflanzenproduktion (zu den externen Kosten) erst wenige Untersuchungsergebnisse vor. Allerdings laufen derzeit eine Reihe von Forschungsvorhaben, die sich diesem Themenfeld widmen.
Der Biomasseanbau in heutiger Produktionsweise wirkt einerseits auf die Anbaufläche selbst, andererseits strahlen die Auswirkungen auch auf Schutzgüter außerhalb der Anbaufläche selber aus. Auf den Flächen kommt es ökologisch nachteilig zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, verstärkter Düngung, einer Verdichtung des Bodens und Bodenerosion. Außerhalb des Gebietes kommt es zusätzlich zu einer Veränderung der Grundwasserneubildung und der Grund- und Oberflächenwasserqualität. Weiterhin wirkt sich der Intensiv-Biomasseanbau negativ auf die Arten und Biotope und das Landschaftsbild aus. PETERS nennt in seiner Untersuchung 2007 zusätzlich noch die Verluste von Arten, die Minderung der Erholungsfunktion und die Verschlechterung der Humusbilanz als Begleiterscheinung des verstärkten Biomasseanbaus.
Den vielfachen energiepolitischen Chancen durch den Biomassenanbau stehen also zahlreiche naturschützerische Bedenken entgegen. So sollten z.B. Monokulturen aus Mais oder Pappelschnellwuchsplantagen vermieden werden. Auch muss die Konzentration des einseitigen Anbaus rund um die Biogasanlagen entzerrt werden, um der Verödung des Landschaftsbildes entgegenzuwirken. Nährstoffeinträge in Böden und Gewässer sollten begrenzt werden. Ein vielfältiges Landschaftsbild wäre zu wahren, damit die Naherholung und der Tourismus nicht durch öde Landschaften geschädigt werden.