Ein Jahr mit einem Narzissten - Die Wahrheit hinter den Fifty Shades

von: Katrin Roth

epubli, 2018

ISBN: 9783745079074 , 460 Seiten

10. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 4,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Ein Jahr mit einem Narzissten - Die Wahrheit hinter den Fifty Shades


 

Die neue Beziehung


Diese sich danach einstellende Leere des Alleinseins plagte mich von Tag zu Tag und wurde über die nächsten Wochen und Monate fast unerträglich. Ich empfand ein unbefriedigendes Gefühl der Einsamkeit und Unzufriedenheit in mir, welches ich mir nicht erklären konnte. Eigentlich hätte ich doch glücklich und zufrieden sein müssen. Mir ging es gut, ich hatte meine Kinder und einen neuen Job, der mich auf neue Art und Weise herausforderte. Dieser Job war mein rettender Absprung gewesen, da er mir die nötige finanzielle Unabhängigkeit brachte, die mir endlich den Umzug in meine erste eigene Wohnung ermöglichte, weg von meinen Eltern. Der Umzug in die Großstadt würde mir viele neue Möglichkeiten eröffnen.

Von der Hilfe meiner Eltern, die unsere erste Anlaufstelle nach der Trennung meines Mannes und unserem Rückzug von Neuseeland nach Deutschland gewesen waren, konnte ich mich nun auch endlich lösen.

Trotz der Freude verspürte ich zur gleichen Zeit eine riesengroße Angst. Ich war noch nie zuvor als Alleinerziehende komplett auf mich selbst gestellt gewesen, in einer Stadt, die ich nicht kannte und in einem Land, in welchem ich seit gut neun Jahren nicht mehr gelebt hatte. Meine Mutter war der Überzeugung, dass ich das alleine sowieso nicht schaffen würde und es sicherer für mich und meine Kinder sei, bei ihnen zu bleiben. Vielen Dank für die aufmunternden und ermutigenden Worte, dachte ich sauer. Ich hatte oft das Gefühl, dass meine Mutter alles nur pessimistisch und negativ sehen konnte, was mich sehr verärgerte. Man muss auch mal was wagen, sonst kommt man im Leben ja gar nicht voran!, versuchet ich mich selbst zu ermutigen. Das Leben bei meinen Eltern war extrem anstrengend und belastend geworden - für alle Betroffenen. Dort zu bleiben war absolut keine Option gewesen.

Dieses Gefühl, dass ich zur Selbstständigkeit unfähig bin, welches mir meine Eltern schon seit meiner Jugend vermittelten, machte mich wütend. Mein automatischer Trotz, den ich über die Jahre entwickelt hatte, setzte sofort ein. Ich würde mir selbst und allen anderen, die an mir und meiner Fähigkeit mein Leben alleine meistern zu können zweifelten, beweisen, dass ich es alleine doch schaffen würde - und zwar erfolgreich!

Meine erste Arbeitsstelle hier in Deutschland im Krankenhaus, musste ich wegen eines Burn Outs aufgeben. Die Ärztin riet mir damals, im Rahmen der Diagnose, erst einmal zu mir selbst zu kommen und mich deshalb auch von Männern fernzuhalten, um jeglichen Stress zu vermeiden.

»Tun Sie nichts, was Sie nervlich zu sehr belasten könnte«, riet sie mir besorgt.

Meine kurze berufliche Pause hatte mir zwar etwas Kraft und Erholung gebracht, war aber mit diesem unerwarteten Arbeitsangebot als Lehrkraft in der Erwachsenenbildung schnell zu Ende gegangen. In gewisser Weise war ich froh darüber gewesen, weil ich es jeden Tag alleine zu Hause mit meinen Kindern nicht aushielt. Ich war unausgelastet und vermisste den sozialen Kontakt zu anderen Menschen. Endlich konnte ich auch wieder als Lehrerin arbeiten, denn als solche war ich immerhin qualifiziert. Nur, dass ich nun keine Kinder, sondern Erwachsene unterrichtete.

Ungeachtet des Rates der Ärztin war ich ein paar Abenteuer mit Männern eingegangen. Die Sex-Freundschaften hatten mir einen kurzen Kick gegeben und etwas Abwechslung in mein Leben gebracht, aber sie erfüllten mich nicht. Mir fehlten die dauerhafte Zuwendung und Nähe. Ich fühlte mich einsam und sehnte mich nach einer festen Beziehung.

Als ich eines Tages meine E-Mails sortierte, stolperte ich über einen alten Kontakt, den ich über die Internetseite gefunden hatte, über welche ich auch meinen letzten Ex-Partner kennengelernt hatte.

Mit diesem Kontakt hatte ich ein paar Mal kurz geschrieben und versucht ein Date zu arrangieren. Da es damals bei uns beiden zeitlich nie gepasst hatte, war der Kontakt irgendwann eingeschlafen. Sein Profil und die darin aufgelisteten Interessen reizten mich immer noch. Er schien auch dominanter Natur zu sein und suchte eine devote Frau. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass sein Profil immer noch aktiv war, schrieb ich ihn an. Wir vereinbarten ein spontanes Treffen abends nach seiner Arbeit in einem Café, welches sich um die Ecke seiner Arbeitsstelle befand. Bis zu dem Treffen gab es keinen weiteren Informationsaustausch. Nur ein Bild hatte er mir von sich geschickt, auf welchem man ihn entspannt auf einem Sofa sitzen sah. Sieht ganz attraktiv und sympathisch aus, dachte ich bei der Betrachtung des Bildes. Aber, erst einmal abwarten wie er real so drauf ist, entschloss ich mich dann. Ich würde ihn einfach ganz ungezwungen treffen und dann entscheiden, ob tiefergehendes Interesse besteht oder nicht. Bei zu viel Geschreibe mit einer fremden Person kann schnell ein falsches Bild entstehen und die Erwartungen können sich so hochschrauben, dass man bei der realen Begegnung am Ende enttäuscht ist. Zudem werden persönliche Informationen teils überspitzt oder so zurechtgebogen, dass nicht mal die Hälfte davon auf die reale Person zutrifft. Deswegen war mir mittlerweile ein schnelles privates Treffen lieber, als langes Schreiben.

Ich wartete vor der Tür des Cafés auf ihn. Obwohl es sehr kalt war, trug ich einen kurzen Rock, Strapse, meine Lieblingsbluse und Pumps. Durch meinen Ex-Partner und all das, was ich durch ihn über Devotion gelernt hatte - wie sich eine devote Frau zu kleiden und zu präsentieren hat - wusste ich, dass er ein solches Auftreten wahrscheinlich zu schätzen wissen würde und vielleicht sogar erwartete. Ich wollte ihm gefallen und ihn auch ein wenig scharfmachen.

Ein sehr großer stattlicher, mit einer braunen Schirmmütze und Schal winterlich gekleideter, Mann kam auf mich zu.

»Entschuldige die Verspätung«, brachte er etwas gestresst hervor. Ich lächelte ihn an: »Kein Problem.«

Er öffnete mir die Tür und wir betraten zusammen das Café. Im ersten Augenblick machte er einen eher zurückhaltenden Eindruck auf mich.

»Was möchtest du trinken?«, fragte er, wobei er auf mich herabsah. Durch seine Größe strahlte er eine unheimliche Präsenz aus. Mir fiel auf, dass seine Körperhaltung sehr gerade und standhaft war. Sein Kinn hielt er etwas höher, wodurch er einen leicht arroganten Eindruck auf mich machte.

Er bestellte zwei Cappuccino für uns.

In dem Café schien er sich gut auszukennen und wies mir den Weg an. Am Ende des langen Raumes führte eine Treppe zu einer Sitzecke im ersten Stock. Dort fanden wir einen ruhigen Platz. Während er seine Jacke ablegte musterte ich ihn mit unauffälligen Blicken und bemerkte, dass seine Figur nicht ganz so sportlich war, wie auf dem Bild, welches er mir geschickt hatte. Aha, dachte ich anmaßend, wieder mal die irreführende Nummer des nicht aktuellen Bildes. Es lag auch auf der Hand, dass er nicht der Mann war, dessen Oberkörper man auf seinem Profilbild hatte sehen können. Die Anatomie stimmte überhaupt nicht.

Wir setzten uns an einen kleinen runden Tisch. Er nahm gegenüber von mir Platz und faltete sachlich seine Hände. Mir fiel auf, dass diese sehr gepflegt waren.

Nun, da ich ihn etwas besser auf Augenhöhe betrachten konnte, war ich unentschieden, ob ich ihn attraktiv fand oder nicht. Sehr sympathisch sah er schon aus, mit seinem perfekt getrimmten Dreitagebart, welcher die kurz rasierten Haare auf seinem Kopf komplimentierte und seinen großen freundlichen Augen, die Vertrauenswürdigkeit und Wärme ausstrahlten. Wäre er mir auf der Straße begegnet, hätte ich ihm allerdings aufgrund seines Aussehens eher weniger Beachtung geschenkt. Aufgefallen wäre er mir vorrangig wegen seiner beachtlichen Körpergröße.

An unser genaues Gespräch kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an Eindrücke, Gefühle und Brocken von Informationen. In unserem Austausch über Privates kam heraus, dass die Altersangabe, die in seinem Profil stand, nicht seinem wirklichen Alter entsprach. Es bestand ein Unterschied von fünf Jahren, die er sich jünger gemacht hatte. Seine Erklärung für die falsche Angabe lautete, dass er Angst habe, Patienten könnten ihn über sein Profil auf dieser unkonventionellen Webseite wiedererkennen. Verständlich, dachte ich, wobei man sich in dem Falle fragen könnte: »Was suchen die Patienten auf der Webseite. Ich konnte seine...