Bin hexen - Wünscht mir Glück

von: Liane Mars

Drachenmond Verlag, 2017

ISBN: 9783959918152 , 280 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 6,99 EUR

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Bin hexen - Wünscht mir Glück


 

Kapitel 4


Alles, was schiefgehen könnte, geht schief


Zufrieden mit mir schickte ich das Papier magisch weg. Das klappte seltsamerweise stets perfekt, was meiner Theorie nach daran lag, dass die Magie meine Pamphlete sehr mochte. Die sorgten nämlich stets für ordentlich Unruhe. Das Fiese war schließlich, dass ein magisch verschicktes Papier direkt vor den Nasen der Empfänger auftauchte. In dem Fall waren das der für mich zuständige Hexenrat und mein Zirkel.

Aus dem Wohnzimmer hörte ich nur Sekunden später lautes Lachen. Oma und Uroma lasen bereits. Mama hingegen tauchte im Türrahmen auf und sah mich ernst an. Sie schüttelte den Kopf und verschwand.

Tja. Wer mich reizte, der musste mit so etwas rechnen.

Mittlerweile war es Abend geworden. Ich würde bei Mama übernachten, solange meine Magie noch unruhig war. Das war sicherer für uns alle, vor allem für meine armen Nachbarn, selbst wenn die ziemlich weit von mir entfernt wohnten. Ich verabschiedete mich also von meinem Zirkel und zog mich in mein Zimmer zurück, das trotz meines Auszugs so aussah wie in meiner Jugendzeit. Die Gesichter von Mitgliedern einer Boygroup strahlten mir entgegen, verhöhnten mich mit ihrem Lächeln. Dank der Magie war es mir nie möglich gewesen, ein Konzert zu besuchen. Dabei wusste ich über all die schmutzigen Details aus dem Leben meiner Schwärme Bescheid. Vielleicht hätte ich Klatschreporterin werden sollen.

Aber nein. Ich durfte nicht in der Menschenwelt arbeiten. Dazu war ich zu magisch. Pah.

Ich ließ mich in mein Bett sinken und starrte das Poster eines Strandes an. Auch da war ich nie gewesen. Wie denn auch, wenn man alle paar Tage dazu verpflichtet war, vom Hexenzirkel umgeben zu zaubern? Mit den alten Tanten nach Bali zu fliegen, war jedoch keine Option gewesen, also hatten wir Urlaub auf Balkonien gemacht. Meiner Mama hatte das nie etwas ausgemacht, mir aber schon. Ich hätte so gerne was von der Welt gesehen.

Als Achtjährige hatte ich mir mal voller Hoffnung eine Begleiterin gewünscht. Sie sollte wie diese niedliche Hexe aus der Fernsehserie sein. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich ohne Aufsicht gezaubert – voller Vertrauen darauf, dass die Magie gut und sinnvoll war. Nichts war passiert. Seitdem zweifelte ich die Nützlichkeit der Magie ernsthaft an. Meiner Meinung nach verdammte sie uns lediglich zu unendlicher Einsamkeit.

Als mein Vater schwer krank wurde, hatten wir versucht, ihn mithilfe von Zauberei zu heilen. Das war etwas ganz anderes gewesen als mein kindlicher Versuch, mir eine Begleiterin herbeizuhexen. Mir wurde eins dabei klar. Egal wie oft und verzweifelt man es versuchte: Einen Kranken zu heilen – das klappte nicht. Irgendwer wurde vielleicht auf geheimnisvolle Weise irgendwo auf der Welt gesund. Der Todkranke, der ursprünglich gemeint war, war aber noch genauso krank wie zuvor. Mein Vater starb zwei Tage nach unserem Zauberversuch. Seitdem konnten mich Namen und Magie mal kreuzweise.

Um es kurz zu sagen: Zauberei war nicht nützlich, sondern hauptsächlich lästig. Und gefährlich.

Mit einem Wink aus dem Handgelenk machte ich das Licht in meinem Zimmer aus. Ein wenig Magie, nur so zum Test. Das Resultat war … unbefriedigend. Die Glühbirne brannte einfach durch, die Sicherung flog raus und von unten hörte ich prompt Protestschreie. Zumindest hörte das Hula-Mädchen abrupt auf, auf meinem Bettgestell Limbo zu tanzen. Die Magie war zufrieden. Immerhin das.

Ich hingegen lag hellwach in meinem Bett und starrte in die Dunkelheit, dachte nach. Mein Hexenzwilling Liam. Ich musste ihn finden – und zwar schleunigst, am besten, bevor die FFF ihn beseitigen konnten. Wie gesagt: Der Name war lächerlich, die Truppe war es jedoch nicht. Sie war gefährlich, vor allem, weil dort Hexer mitmachten, die was konnten. SM-Hexer. In dem Fall konnte SM auch durchaus für Sadomaso stehen. Die waren eiskalt und fies.

Auf der Pro-Seite für mich stand, dass die FFF auch nur wenige waren. Wie viele genau, wusste ich nicht, aber unser SM-Hexer im Zirkel hatte mal eine Bemerkung fallen lassen. Er war damals ein FFF gewesen. Einer von vieren.

Gegen vier SM-Hexer hätte ich eventuell eine Chance. Jedenfalls, wenn sie nicht ahnten, dass ich gegen sie vorging.

Netterweise hatte ich einen Wissensvorsprung. Das Café. Es war selbstverständlich hier im Ort. Hexenzwillinge konnten zwar an unterschiedlichen Orten überall in der Welt verteilt geboren werden, am Ende brachte die Magie sie aber zusammen. In unserem Fall hatte sie dafür gesorgt, dass Liam von New York hierhergezogen war. Verrückt, aber wahr.

Mein Herz begann schneller zu schlagen, sobald ich an Liam dachte. Er war ein Hexenjäger. Mich in seine Nähe zu begeben, war definitiv keine gute Idee. Außerdem wurde er relativ sicher bewacht – sowohl von der Menschentruppe als auch von sämtlichen Hexern dieser Welt. Ich musste ihn dennoch kennenlernen, ihn sehen, spüren. Die Magie würde früher oder später ungeduldig werden, und das endete meistens in einer Katastrophe. Deshalb war es wichtig, es einfach hinter mich zu bringen.

Wie ein Pflaster, das man mit einem Ruck abzog. Ich konnte nur hoffen, dass mich das nicht umbrachte.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf und zauberte ein wenig. Meine Haare ließen sich zum Glück gut beeinflussen. Sie wechselten zwar monatlich ihre Farbe, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, allerdings war es für die Magie okay, wenn ich sie öfters als einmal färbte. Da eine normale Haarfarbe jedoch nicht zu hexen war, entschied ich mich für Grellgrün. Wenn schon auffällig, dann richtig.

In Mamas Kleiderschrank im Flur fand ich jede Menge merkwürdiger Klamotten. Da wir in etwa die gleiche Statur hatten, passte das Elfenkostüm mit dem grünen Minirock und dem olivfarbenen Body perfekt. Danach sah ich aus wie einem Märchen entsprungen. Ich klatschte mir eine Menge Schminke ins Gesicht, um mein wahres Äußeres so gut es ging zu verbergen, und erkannte mich danach fast selbst nicht mehr.

Meine dunklen Augen wirkten dank der Tonnen Kajal und meiner Aufregung viel lebendiger als zuvor. Das stand mir, fand ich. Testweise kniff ich mir in meine bleichen Wangen, versuchte, etwas Farbe hineinzubringen. Hoffnungslos. Meine Haut hatte den vielbesungenen Alabasterton. Was in Märchen ziemlich cool klang, war in der Realität eher weniger schön. Ich wirkte dauernd etwas kränklich und bekam unfassbar schnell einen Sonnenbrand. Nicht, dass ich oft rauskam. Immerhin sah mein von Natur aus dunkelroter Mund gleich viel eindrucksvoller aus, sodass ich auf Lippenstift verzichten konnte.

Mit einer halben Tube Abdeckcreme versuchte ich, meine zahlreichen Sommersprossen zu verbergen. Die waren nur ganz leicht zu sehen, denn wir hatten Winter, aber sicher war sicher. Danach war ich so überschminkt, dass es beinahe hübsch aussah. Na ja. Fast.

Ein letzter Blick in den Spiegel. Ja, so konnte ich gehen. Gegen meine winzige Größe konnte ich nichts ausrichten, außer hohe Hacken zu tragen. Ich fand Lederstiefel mit Mörderabsätzen, entschied mich aber dagegen. Falls ich wegrennen müsste, wären flache Schuhe die bessere Wahl. Also zog ich meine heiß geliebten grünen Chucks an. Das sah natürlich seltsam aus, aber wer war schon perfekt?

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, saß ich bereits in meinem blauen Panda und fuhr zum Café. Die Straßen waren noch angenehm leer, es war gerade mal sechs Uhr früh. Liam war jedoch ein Morgenmensch. Sobald das Café öffnete, saß er dort. Woher ich das wusste? Die Magie hatte es mir mitgeteilt. Und ja: Zum ersten Mal war ich meiner bekloppten Gabe halbwegs dankbar

Die Magie verriet generell nur so viel, wie absolut notwendig war. Andere Dinge, die durchaus wichtig hätten sein können, ließ sie im Dunkeln. Warum? Fragt sie, nicht mich! Sie hätte mir meinen Zwilling bereits zeigen können, als ich acht Jahre alt gewesen war, dann wäre meiner Familie und mir viel Ärger erspart geblieben.

Vielleicht wäre er dadurch kein Hexenjäger geworden.

»Was hat dich so wütend auf uns werden lassen?«, fragte ich in die Stille meines Autos hinein. Ab und zu musste ich einfach mit mir selbst sprechen, um meinen Gedanken Luft zu machen. Das war vermutlich eine typische Angewohnheit von Menschen, die sich einsam fühlten.

War ich denn einsam? Theoretisch nicht, immerhin hatte ich eine riesige Familie, die mich heiß und innig liebte, Arbeitskollegen, die mich mochten, und einen kleinen, aber erlesenen Freundeskreis. Zugegebenermaßen hatte ich mich um den in letzter Zeit nicht mehr viel gekümmert.

Ich verdrängte den unliebsamen Gedanken und parkte gekonnt im Halteverbot. Nur Sekunden...