Das Vermächtnis der Ahnen an die Krieger des Lichtes

von: Claudia González Peláez

epubli, 2017

ISBN: 9783745043310 , 231 Seiten

3. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 4,49 EUR

Mehr zum Inhalt

Das Vermächtnis der Ahnen an die Krieger des Lichtes


 

1 Die Entwurzelung


»Wer bin ich? «


„Sie rufen mich!“ …

Ihre Augen blickten starr wie die eines Falken, und für einen Moment verzerrte sich ihr Gesicht. Ein tiefes durchdringendes Fauchen kam aus ihrem blassen Mund, die Augen verdrehten sich, kullerten nach hinten und rollten hin und her, bis das tiefe Grün aus ihren Augen verschwand.

Es flackerte um sie herum, und ich konnte sie noch leicht keuchen hören: Dann hörte ich ein plötzliches Klirren, das mich aus meinem Traum riss. Hatte ich dieses Geräusch geträumt? Oder war tatsächlich etwas zerbrochen? Ich schaute mich in meinem Zimmer um, doch ich konnte nichts Zerbrochenes entdecken.

Klitschnass, schweißgebadet saß ich aufrecht in meinem kuscheligen Bett und rang nach Luft.

Was war das denn? Vor Aufregung konnte ich kaum atmen. Was habe ich denn nur geträumt? Verzweifelt griff ich nach meinem roten Büchlein auf meinem Nachttisch aus Lärchenholz, der rechts neben meinem Bett stand. Ich hatte mir angewöhnt, dass Büchlein jede Nacht darauf zu legen, um meine Träume aufzuschreiben. Aber es war gar nicht so einfach, sich an das Geträumte zu erinnern. Langsam beruhigte und konzentrierte ich mich. An der Wand vor meinem Bett hatte ich ein Zeichen gemalt, das mir dabei half, meine Träume zu rekonstruieren: Ein weißer Planet und in der Mitte ein roter Kreis. Darauf starrte ich schon die ganze Zeit, aber meine Erinnerung ließ mich im Stich. Enttäuscht legte ich mein Büchlein zur Seite. Wieder nichts!

Mein Blick fiel nach links auf die Wanduhr: 5.45 Uhr. Noch viel zu früh, um aufzustehen.

Ich legte mich wieder hin. Es raschelte. Die Blätter fielen von den Bäumen. Sie hörten sich an wie Musik. Es war mir so wichtig gewesen, ein Zimmer mit Blick in die Natur zu haben, das beruhigte mich einfach. Ich nahm meine Decke und zog sie mir über die Nase, rollte mich zur Seite und fühlte die Wärme der flauschigen, weißen Baumwolldecke.

Es war so schön, hier zu liegen mit dem Blick nach Osten. Ich sah den Halbmond, und wie er blinzelte, genoss den Moment. Ich fühlte mein Herz immer stärker pochen. Ein Hauch von Aufregung überkam mich, die sich durch meinen Magen schlich und mir kleine Stromschläge im Leib verpasste. Dabei lag ich nur still da, warm und eingehüllt.

Der Wecker klingelte und riss mich aus dem Schlaf. Ich war noch einmal eingeschlafen. Vollkommen benommen stolperte ich aus meinem Bett und ging ins Bad. Es war 7:00 Uhr morgens und das Haus noch still. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete mich in meinem antiken Mahagoni-Spiegel.

So stolz war ich auf diesen Spiegel gewesen. Er war ein Erbstück, ich weiß gar nicht mehr genau von wem. Er wurde von einer Generation zur nächsten Generation weitergegeben. „Ein Schmuckstück“, hatte mir meine Mutter erzählt. Aber bei Nachfragen hatte sie mir nie Genaueres erzählen wollen.

So begann also mein Tag. Ich schaute in den Spiegel und blickte in mein Gesicht. Ich sah meine helle Haut, meinen tiefen Blick. Es war immer seltsam für mich gewesen, mich im Spiegel zu betrachten. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich dort noch etwas anderes sah, wenn ich mich zu konzentrieren vermochte.

Ach Quatsch, sagte ich mir, jetzt muss ich aber los.

Und so spritzte ich mir noch einmal kaltes Wasser ins Gesicht, putzte mir die Zähne, warf mir schnell etwas zum Anziehen über und ging die Treppen hinunter.

Draußen traf ich mich, wie jeden Tag mit meiner Freundin vor dem Haus, um mit ihr gemeinsam zur Schule zu gehen. Unter dem Birkenbaum war unser Treffpunkt. Angela stand schon da, mit einem grünen Apfel in der Hand, und wartete auf mich.

„Mensch Ronja, du trödelst ja wieder so, wir kommen zu spät!“, begrüßte sie mich grinsend. „Du bist echt lustig. Du hast deine Jacke mal wieder komplett falsch zugeknöpft“, stellte sie fest.

Erschrocken schaute ich an mir herab und sah, dass meine weiße Kapuzenjacke schief an mir herunterhing, da ich die Knöpfe wieder einmal in Windeseile kreuz und quer geschlossen hatte. Dabei gab ich mir doch solche Mühe, mich dabei zu konzentrieren, aber ich war wohl wieder in Gedanken gewesen.

Zunächst noch geknickt stimmte ich in ihr Lachen mit ein. So gingen wir gutgelaunt in Richtung Betonschule.

In der Schule herrschte normales Treiben. Der Pausenhof hallte vor Lärm, die Schulglocke läutete und wir schlenderten in Richtung Klassenraum.

„Du, Ronja, ich muss dir was erzählen… ich hatte einen Traum!“ berichtete Angela.

„Echt? Und du erinnerst dich daran?“, fragte ich neugierig.

„Ja, klar“, erwiderte sie.

„Dann erzähl doch mal!“, bat ich sie.

Unsere Schritte wurden immer langsamer, und das Gefühl im Herzen meldete sich wieder. Eine innere Unruhe stieg in mir hoch, und für einen Augenblick bedauerte ich, dass ich meinen Traum vergessen hatte.

Angela schloss für einen Moment die Augen, um sich die Szene in Erinnerung zu rufen. „Ich saß da auf unserem Planet Erde. Die Erde war winzig, so dass ich gerade so darauf passte und sie war auch gar nicht rund, sondern spitz. Ich sah mich auf dem Gipfel der Erde sitzen, angelehnt an einen dünnen Apfelbaum. Der Baum besaß zwei Äste. An einem Ast hingen zwei Blüten und ein Blatt, am Ende des anderen ein großer, grüner Apfel. Dieser Ast schien zu brechen, der Apfel drohte herunterzufallen.“

Ich musste schmunzeln. Deswegen hatte Angela heute Morgen zum Apfel gegriffen, ha, ha…, aber ich wollte sie nicht unterbrechen und fragte weiter: „Und, was hast du da gemacht?“

„Ich war ein kleines Kind und saß neben dem Stamm. Mein Kopf war nach unten gebeugt und meine Beine hielt ich umarmt. Ich war traurig. Die Erde begann zu beben, ich versuchte, mich an dem schmächtigen Baum festzuhalten. Als das Beben aufhörte, und ich erleichtert hochschaute, fiel mir der Apfel auf den Kopf.“

Ich musste kurz auflachen, weil ich mir diese Szenerie bildlich vorstellen konnte. Angela erzählte weiter: „Und obwohl es nur ein Traum war, tat mir der Kopf so richtig weh. Von diesem pochenden Schmerz bin ich dann wach geworden und merkte, dass der Schmerz real war. Ein Buch aus einem Regal über meinem Bett war mir auf den Kopf gefallen.“

„Ach, sag bloß… und was war das für ein Buch?“, fragte ich weiter.

„Eines von meiner Mutter. Das Einzige von ihr, das in meinem Regal stand“, antwortete sie. Aber gerade als ich mich nach dem Buchtitel erkundigen wollte, stieß jemand die Tür unseres Klassenraums auf und unsere Lehrerin, Frau Müller, stand mit tadelnder Miene im Gang. Ich befürchtete das Schlimmste, aber Angela konnte ihr mit ihrem sommersprossigen Gesicht wie gewohnt den Wind aus den Segeln nehmen. „Ach, Frau Müller, sie sehen aber heute frisch und erholt aus! Hatte es denn schon geläutet? Wir waren so vertieft in unser Gespräch über Mathematik, dass wir es nicht klingeln hörten.“

Die Lehrerin versuchte ihr Lachen zu unterdrücken und verwies uns mit einem aufgesetzt bösen Blick auf unsere Plätze. Angela und ich betraten grinsend den Unterrichtsraum.

Wir saßen nebeneinander in der dritten Reihe und beobachten Frau Müller, die uns Gleichungen an der Tafel erklärte. Die Stunde schien sich endlos hinzuziehen. Ich konzentrierte mich auf den Buchstaben X und versuchte, die Lösung zu erraten. Plötzlich sah ich, wie sich das X bewegte. Es schien zu tanzen, knickte ein und machte eine Pirouette. Ich stieß Angela mit dem Ellbogen an.

„Siehst du, wie sich das X bewegt?“

Angela blickte mich an und fragte verwirrt: „Wie meinst du das?“

„Angela, das X bewegt sich, es tanzt!“ erwiderte ich.

„Geht es dir gut, Ronja? Du hast ganz rote Wangen“.

Frau Müller wurde auf uns aufmerksam. „Kann ich euch beiden weiterhelfen?“ Mit tadelndem Blick stand sie vor uns. Wir hatten sie bei ihrem Rechenvorgang gestört. Angela ergriff das Wort und sagte entschuldigend: „Ronja geht es nicht so gut!“

„Was hast du denn, Ronja?“ fragte sie mich.

„Frau Müller, das X tanzt auf der Tafel Lambada“, erwiderte ich.

Für einen kurzen Augenblick wurde es in der Klasse still, und im nächsten Moment fingen alle an zu lachen. Nur Frau Müller fand es diesmal nicht lustig.

„So, Ronja, wenn das X doch tanzt, dann kannst du es ja darum bitten, mit dir zu tanzen, vielleicht verrät es dir ja die Lösung.“ Genervt legte sie das Stück Kreide vor mich auf den Tisch und bat mich, nach vorne zu gehen, um den Rechenvorgang zu Ende zu bringen.

Wieder blickte ich zur Tafel. Das X war verschwunden, es hatte sich stattdessen verformt, und ich erkannte die Zahl Siebenundfünfzig.

„Was hast du da vor dich her gemurmelt?“, fragte mich Frau Müller.

„Siebenundfünfzig“, antwortete ich klar und deutlich.

„Sehr gut, Ronja, ich wusste ja gar nicht, dass du diesen Rechenvorgang schon kanntest, sehr gut!“

Zufrieden wandte sie sich von mir ab und ging wieder nach vorne. Angela starrte mich ungläubig an. „Woher hast du denn das gewusst?“, fragte sie mich.

„Ich sag doch, das X hat mir das Ergebnis vorgetanzt“, antwortete ich ratlos.

Den Weg nach Hause ging ich an diesem Tag allein. Ich bummelte durch den Park, bis ich auf unsere Straße gelangte. Die Autos fuhren an mir vorbei. Plötzlich wurde mir für einen Moment schwindelig und schlecht. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich lehnte mich an die Mauer einer Häuserreihe und rang verzweifelt nach Luft.

Es war laut und sehr heiß. Ich saß in diesem Zelt, ganz...