Lassiter 2314 - Verraten und verkauft

von: Jack Slade

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2016

ISBN: 9783732541386 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Lassiter 2314 - Verraten und verkauft


 

»Black Oak und sein Sohn Red Hawk!« Der Reiter, ein Corporal, riss an den Zügeln seines Pferdes und stoppte es neben Redfords Tier. »Sie haben den Angriff selbst angeführt!« Leichenblass war der Mann. »Das Fort ist verloren!«

»Wie konnte das geschehen?« Redford erschrak vor seiner eigenen brüchigen Stimme.

»Sie haben im Morgengrauen angegriffen. Plötzlich flogen Brandpfeile und brennende Holzstapel loderten vor Tor und Palisade auf, Sir! Wir hatten von Anfang an keine Chance.«

Redfords Gedanken überschlugen sich – eine Kriegslist! Die Indianer hatten ihn mit vier Schwadronen vom Fort weggelockt. Nur eine halbe Schwadron war zurückgeblieben. »Verluste?« Die Angst um Louise schnürte ihm die Kehle zu.

»Tote und Verletzte, Sir. Wie viele, kann ich nicht sagen.« Der Corporal senkte den Blick. »Zu viele, fürchte ich. Und nicht wenige sind in Gefangenschaft geraten.«

»Der Fähnrich soll zum Sturm blasen«, wandte Redford sich an seinen Captain. Dann riss er den Säbel aus der Scheide, drehte sich um und schrie: »In gestrecktem Galopp durch das Tal und zurück zum Fort!«

Hufschlag erhob sich, der Klang des Horns hallte vom Waldhang wider. Knapp dreihundert Kavalleristen trieben ihre Pferde an und preschten das Flusstal hinauf. Terence Redford dachte an seine Frau Louise und an sonst gar nichts.

Sein Captain ritt neben ihm, sein Lieutenant, der Corporal und der Fähnrich mit der Regimentsstandarte vor ihm. Zwei Steinwürfe entfernt, am Eingang des Tals, lichtete sich der Nebel, die Morgensonne brach durch.

Redford beugte sich tiefer über die Mähne seines Wallachs. Neben sich sah er, wie der Captain sich bekreuzigte. Er stammte aus Boston, war katholisch, und seine Lippen bewegten sich stumm. Er betete.

»O Gott, Louise.« Redford betete nicht, murmelte nur den Namen seiner Frau. »Louise, Louise …«

Auf einmal sah er, wie vor ihm sich die Lanze mit dem Regimentswimpel nach hinten neigte und dem Fähnrich aus der Hand glitt. Er riss an den Zügeln, neben dem Tier des Fähnrichs bäumte sein Pferd sich auf.

Der Fähnrich machte ein ungläubiges Gesicht und starrte auf den gefiederten Pfeil in seiner Brust. Dann kippte er vom Pferd. »Die Sioux greifen an!« Wie ein Echo flog der Ruf durch die Schwadronen.

»Die Zweite Schwadron zu mir an die Spitze!«, brüllte Redford. »Dritte Schwadron Flanken sichern, Erste Schwadron Nachhut verstärken!«

Die Befehle flogen von Mund zu Mund. Wieder tönte das Horn. Hinter sich hörte Redford Metall über Metall scheuern. Die Kavalleristen zogen ihre Säbel. Er spähte nach vorn zum schmalen Eingang des Tales.

Umrisse von Reitern schälten sich aus dem grauen Morgenlicht. Indianer, dreißig oder mehr. Black Oaks Krieger. Auf zwei Linien von etwa hundert Schritten rückten sie vor. Vollkommen reglos saßen sie auf ihren Pferden. Wie Raubtiere kamen sie Redford vor, wie Wölfe, die ihrer Beute sicher waren.

Kein einziger Pfeil flog mehr. Gut eine Minute lang standen sich die Kavallerieschwadronen und die Indianerreihen stumm gegenüber. Um sich herum sah Redford lauter bleiche Gesichter. Er blickte hinter sich. Viel zu langsam formierten seine Männer die Kampfstellungen an den Flanken. »Die Flanken sichern!«, schrie der Captain. »Schneller!«

Jeden Moment würde Black Oak die Nachhut und die Flanken angreifen. Redford blieb keine Wahl außer dem Weg nach vorn: »Erste Schwadron zur Attacke!«

Mit ausgestrecktem Säbel setzte Redford sich an die Spitze seiner Kavalleristen. Der Captain und der Lieutenant hielten sich neben ihm. Die beiden Offiziere schrien Befehle nach hinten, organisierten den Feuerschutz für die Attacke.

Keine Zeit, nachzudenken, keine Zeit mehr für die Angst um Louise – Redford klemmte den Säbel zwischen die Zähne und zog seinen Colt. Der feuchte Boden spritzte unter den Hufen der Wallache auf. In gestrecktem Galopp hielten er und seine Kavalleristen auf die immer noch abwartenden Indianer zu.

»Hurra!«, brüllten die Soldaten rechts und links von Redford.

»Gewehr hoch und Feuer!«, brüllte sein Captain. Er selbst schoss aus seinem Armeecolt auf die indianischen Reiter.

In diesem Moment kam Bewegung in die Indianer. Ihre Kette teilte sich genau in der Mitte. Die eine Hälfte wich nach links aus, die andere nach rechts. Redford stieß einen Fluch aus – egal welche Gruppe er attackierte, die andere würde ihm in den Rücken fallen.

Er ließ anhalten und sah sich nach den anderen beiden Schwadronen um. Plötzlich erhob sich vielstimmiges Geheul. Schüsse peitschten durch das Tal. Der Waldrand am Fuß beider Berghänge schien in Bewegung zu geraten. Dutzende von Indianerrotten brachen aus dem Wald und griffen die Flanken der Kavalleriekolonne an.

Und gleichzeitig sah Redford hinter den Schwadronen eine Angriffswelle vom Ausgang des Tales heranpreschen. Es kam, wie er es befürchtet hatte: Von allen Seiten griffen Black Oaks Sioux an.

Die etwa sechzig Reiter, die sich vor ihnen geteilt hatten, hatten einen scharfen Bogen geschlagen und galoppierten nun in zwei Angriffskeilen auf Redfords Angriffsspitze zu.

Redford befahl der ersten Schwadron, sich zu teilen. Der Captain führte dreißig Kavalleristen der indianischen Reiterschar entgegen, die vom Eingang des Tales heran galoppierte. Redford und der Lieutenant führten etwas mehr als dreißig Soldaten gegen den zweiten Angriffskeil der Sioux. Die Indianer schossen nun ebenfalls aus Gewehren.

Eine weitere Rotte Black Oaks von mindestens vierzig Indianern preschte von aus dem Wald heran. Gewehrschüsse näherten sich, Kugeln zischten über Redford Kopf, rechts und links von ihm rissen seine Kavalleristen die Arme hoch und stürzten vom Pferd.

»Absitzen! Verteidigungsformation!« Sie sprangen vom Pferd. Acht Soldaten gingen in die Knie und rissen die Gewehrkolben an die Schultern. Neun stellten sich hinter ihnen auf und legten ihre Winchesterbüchsen an. Drei lagen bereits tot oder verwundet im feuchten Gras.

Redford biss die Zähne zusammen. »Ruhig bleiben, Männer!«, rief er. »Ganz ruhig. Wartet, bis sie nah genug heran sind, wartet auf meinen Feuerbefehl.«

Die Indianer preschten heran. Viele schossen aus Gewehren, einige schwangen Streitäxte, andere trugen Speere und Lederschilde. Die Silhouette roter Falken war auf den Schilden abgebildet – das Totemtier von Black Oaks Sohn.

Redford konnte ihre Gesichter erkennen – schwarzrot gefärbt. Er sah die Silhouette des Falken auf ihren nackten Brustkörben, er sah Adlerfeder und Skalps an ihrer gekrümmten Standarte. Und er erkannte die drahtige Gestalt des jungen Häuptlingssohnes Red Hawk.

Ein Eiszapfen bohrte durch seine Brust: Sie hatten keine Chance gegen die Sioux! Nun nahmen sie Rache für Redfords Überfall auf ihre Jagdlager einen Monat zuvor. Und er trug die Verantwortung, denn er hatte sich vom Fort weglocken lassen.

»Kämpft um eure Haut!«, schrie Colonel Terence Redford. »Feuer!« Die Gewehre krachten, und ein halbes Dutzend Indianer stürzen von den Pferden. Der dritte Feuerstoß dezimierte die Angriffswelle um fast die Hälfte. Aber auch weitere sieben von Redfords Männern lagen reglos oder stöhnend im Gras.

Und dann waren die Angreifer über ihnen. Sie kämpften mit brennendem Hass. Die Männer um Redford gingen einer nach dem anderen von Speeren und Äxten getroffen zu Boden. Zu viert mussten sie sich schließlich mit Gewehrkolben, Säbeln und Fäusten einer dreifachen Übermacht erwehren.

Vom Eingang des Tales und aus dem Waldhang wogten neue Angriffswellen heran. Nach allen Seiten flohen die Kavalleristen. Von einer organisierten Verteidigung konnte keine Rede mehr sein. Flussufer und Tal waren mit Leibern in blauen Uniformen übersät.

»Vorbei, Redford, verloren.« Redford zischte und murmelte. »Lieber Gott, beschütze Louise …« Etwas traf ihn hart im Nacken. Dunkelheit hüllte sein Hirn ein und zerrte sein Bewusstsein ins Nichts.

***

Die Louisiana Queen lief mit neun Stunden und zehn Minuten Verspätung in Kansas City ein. Der Mann von der Brigade Sieben stand unter zahllosen Menschen an der Reling, während der Schaufelraddampfer sich der Anlegestelle entgegen schob.

Die Leute winkten, riefen irgendwelche Namen oder kämpften um einen Platz möglichst nahe an der Landungsbrücke. Lassiter sah in fremde Gesichter ebenfalls winkender und irgendwelche Namen rufender Menschen am Missouri-Ufer.

Endlich flogen die ersten Taue von Bord, und dann krachte der Rumpf des Schaufelraddampfers gegen den Anlegesteg. Matrosen öffneten das Relinggatter und schoben die Landungsbrücke auf die Planken hinüber – die ersten Passagiere gingen von Bord. Lassiter kannte keinen unter den Dutzenden, die am Ufer warteten.

Am frühen Morgen war er in St. Louis an Bord der Louisiana Queen gegangen, jetzt dämmerte es bereits. Drei Schiffe hatten den Missouri blockiert – ein havarierter Schaufelraddampfer, der quer stand, weil ein alter Alligator ihm das Backbordschaufelrad zerstört hatte und zwei Frachtschiffe, die ihn ins Schlepptau neben wollten.

Seine Winchester auf dem Rücken, seine prall gepackte Mochilla über der Schulter, sein Decken- und Kleiderbündel unter dem Arm ließ Lassiter sich von der Menge von Bord und auf den Landungssteg treiben. Über die Köpfe der Wartenden hinweg spähte er zu den vielen Kutschen, die am Eingang des Hafengeländes warteten.

Einen offenen Zweispänner, braun, mit zwei Rappen hatte ihm das Telegramm aus Washington angekündigt; gestern Morgen hatte es ihm der...