Kompendium der Mediengestaltung - Konzeption und Gestaltung für Digital- und Printmedien

von: Joachim Böhringer, Peter Bühler, Patrick Schlaich

Springer-Verlag, 2008

ISBN: 9783540785262 , 877 Seiten

4. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 29,99 EUR

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Kompendium der Mediengestaltung - Konzeption und Gestaltung für Digital- und Printmedien


 

"2.1.1 Frühformen der Schrift (S. 138-139)

2.1.1.1 Bilderschriften

Bevor es die Schrift als wichtigsten Informationsträger gab, verständigten sich die Menschen mit Hilfe von Zeichen aller Art. Rauch und Trommelzeichen, Kerbhölzer und Knotenschnüre waren einige frühe Informations- und Kommunikationsmittel. Sobald die Menschen in den verschiedenen Regionen aus dem „Zustand der Wildheit"" herausgetreten waren, versuchten sie sich durch Bilder und Zeichen an bestimmte Tatsachen und Ereignisse zu erinnern.

Vielleicht wollten sie bestimmte Rituale, Jagdtechniken oder kultische Dinge weitergeben. Wir wissen es nicht genau. In Mexiko und Peru, im Reich der Inkas, hatte man das Knotenbinden zu einem kunstvollen System entwickelt. Das netzartige Flechtwerk von Schnüren entsprach oft ganzen Schriftstücken und selbst Gesetzestexte und geschichtliche Darstellungen ließen sich damit aufzeichnen. Anstelle der Schreiber waren bei der peruanischen Obrigkeit „Knotenschürzer"" beschäftigt, die auch zugleich die Erklärer dieser „Schriftstücke"" waren. Denn nur wer den „Schlüssel"" hatte, konnte eine solche Schrift lesen.

Diese Art der Schrift, durch einen geknoteten oder gekerbten Körper Informationen weiterzugeben, war in ihrer Anwendung viel zu ungenau, als dass sie bedeutenden Einfluss auf die geistige Entwicklung einer Bevölkerung nehmen konnte. Eine Literaturentwicklung, wie wir sie bei den Griechen und Römern kennen, war mit solchen Körperschriften nicht denkbar. Erst als die Menschen anfingen, Gegenstände des täglichen Lebens oder des täglichen Erlebens durch ein Bild zu bezeichnen, wurde die Schrift zum Kulturgegenstand. Aus den Bilderschriften des Zeitalters der Piktografie sind die ältesten Schriftsysteme hervorgegangen.

Die Höhlenbilder dienten der Überlieferung von Ereignissen durch die Darstellung des Ereignisses selbst. Wollten uns die Altvorderen die erlegten Tiere zeichnen und zeigen, uns vor den Tieren warnen, weil sie gefährlich waren oder schwer zu jagen? Wir wissen es nicht. Wir kennen diese Bilder nur als frühe Beispiele der Informationsübermittlung. Bilderschriften waren einfache Darstellungen. Ein Mensch wurde grob gezeichnet.

Der Kopf war ein Kreis, Striche bezeichneten Arme und Beine. Ein erschlagener Feind wurde durch eine kopflose Figur dargestellt. Auch wenn der Vorstellungskreis unserer Vorfahren vermutlich nicht sehr groß war, es konnten auch abstrakte Vorgänge wie Licht oder Hören symbolisch dargestellt werden. Wenn wir uns heute poetisch ausdrücken wollen, so gebrauchen wir abstrakte Begriffe.

Wenn jemand Ruhm erworben hat, kann der Begriff „Lorbeer"" fallen, wenn jemand herrscht, hat er das „Zepter"" in der Hand. Ähnlich machten es die Bilderschriftkulturen. Das Bild eines Gegenstandes, der eine Eigenschaft vorzugsweise besitzt, wurde zur Bezeichnung dieser Eigenschaft selbst genutzt. Das Bild der Sonne versinnbildlicht den Begriff Licht, das Bild des Ohres vermittelt Hören und das Auge bedeutet Sehen. Diese Bilder wurden aber uneinheitlich verwendet – ein einheitliches Bildverständnis gab es noch nicht.

2.1.1.2 Wortbilderschriften

Die Bilderschriften müssen im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren haben. Die primitiven Bilderschriften der Piktografieära entwickeln sich ganz allmählich zu den Wortbilderschriften der Ideografiezeit, in der einzelnen Wörter festgelegte Zeichen erhalten haben und auch abstrakte Begriffe dargestellt werden konnten. Die Veränderungen in der Schrift von der Piktografie hin zur Ideografie ergaben sich zwangsläufig.

Je mehr Informationen geschrieben und übermittelt wurden, umso flüssiger und schneller musste geschrieben werden. Das Bild wurde zum Zeichen, es verlor die Merkmale des entsprechenden Gegenstandes und bestand nur noch aus einer Anzahl von Linien und Punkten, die jetzt die Begriffe ausdrückten. Diese Art der Darstellung, ohne jede phonetische oder grammatikalische Verbindung zur gesprochenen Sprache, macht es uns heute noch schwer, diese Schriften zu entziffern. Erst viele Jahrhunderte später entwickelte sich aus den Wortbilderschriften die Silbenschrift, wie wir sie zum Beispiel in China heute noch kennen."