Wenn das der Führer sähe ... Von der Hitler-Jugend in Filbingers Fänge - Ein deutsch-schlesisches Kriegsdrama

von: Jacqueline Roussety

acabus Verlag, 2016

ISBN: 9783862824090 , 763 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 14,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Wenn das der Führer sähe ... Von der Hitler-Jugend in Filbingers Fänge - Ein deutsch-schlesisches Kriegsdrama


 

Schlesien, Mohrau 1934 'Der Führer will das so!' [...] Eine spätnachmittägliche Stimmung strömte mit lauer Luft süß zu uns herein. Aus der Ferne hörte man Herbert in seiner Schmiede arbeiten, offene Fuhrwerke rumpelten über die Wege. Viele junge Burschen und Mädchen verließen jetzt die Gegend, kehrten in ihre Heimatdörfer zurück. Die Ernte war eingefahren. Auf den Höfen begannen die Vorbereitungen, die Ställe winterfest zu machen; auch die Erntekrone war wieder erfolgreich übergeben worden. Unsere Haferfahne hatte alle vereint; noch einmal warf der Herbst sein goldenes Licht übers Land und betörte die Sinne. Einige kleinere Kinder tummelten sich unten am Bach, warfen Kieselsteine ins Wasser. Ein ganz normaler, friedlicher Tag. In der Ferne das Bellen eines Hundes, das wohlige Schnauben der Pferde und in den Lüften das Rufen und Schreien der Vögel, die sich auf ihre Reise gen Süden vorbereiteten. Ich beendete gerade meine Hausaufgaben, die Oma immer wieder staunend anschaute, denn sie konnte kaum schreiben und lesen, als Walter in die Küche stürmte, direkt hinter ihm Peter. Beide redeten wie wild auf Mutter ein. 'Der Jan blutet! Er bewegt sich nicht mehr! Mutter, du musst helfen!' 'Jetzt sind sie zu weit gegangen! Seine Hand war verbunden und trotzdem sollte er kämpfen und durch den Matsch robben. Als Heinrich und seine Helfer ihn triezen wollten, hat Jan sich auf seine Hand gelegt, damit sie geschützt ist, und dabei ist er am Kopf getroffen worden!' Peter war außer sich, Walter zwischen Wut und Hoffnung hin- und hergerissen. Wütend darüber, dass ein Wehrloser so schikaniert worden war, hoffnungsvoll, weil sein Freund in dieser schwierigen Situation zu ihm hielt. Mutter nahm ihre Flasche vom Regal, eine Tinktur, die sie in allen Notfällen einsetzte, dazu ein sauberes Tuch, und dann stürmte sie mit den Jungs aus dem Haus. 'Peter, renn zu Doktor Felder, der soll sofort kommen!', kommandierte sie ihm zu. Peter lief den Weg ins Dorf hinunter, während Walter und Mutter den Pfad zur Storchenwiese einschlugen. Dort lag Jan, anscheinend bewusstlos, wie Walter mir später erzählte. Umringt von einem Haufen aufgeregt schreiender und zeternder Jungen. Jeder beschuldigte jeden. Der Fähnlein-Führer versuchte die Ordnung wiederherzustellen, aber alle redeten wild durcheinander. Erst als meine Mutter sich über Jan beugte, herrschte schlagartig Ruhe. Sie wischte ihm das Blut vom Kopf, versuchte seine Lider anzuheben, um in die Augen blicken zu können. Dann bettete sie seinen Kopf in ihre Schürze und schaute wütend in die Runde. 'Seid ihr noch bei Trost? Wie könnt ihr jemanden an den Kopf treten? Solch eine Grausamkeit hat noch nicht einmal im Krieg ihre Berechtigung!' 'Er hat seinen Einsatz nicht geschafft. Hier einmal die Wiese rauf und runter robben, wie beim richtigen Krieg!' Gebieterisch zeigte Fähnlein-Führer Heinrich auf die Strecke. 'Da mussten wir ihn etwas härter rannehmen. Das ist die Auslese der Tüchtigsten. Das ist nun mal unsere Regel, da muss ich mich doch dran halten! Unser Führer will das so!', gab er trotzig von sich. Einige murmelten etwas Anerkennendes, andere jedoch schüttelten verzweifelt den Kopf. Wiederum andere saßen auf der Wiese und ließen ihren Tränen freien Lauf. Walter rannte hin und her, versuchte zu schlichten und zu beruhigen. Mit wild entschlossener Miene schlug Heinrich die Hacken zusammen, riss den rechten Arm nach oben und brüllte: 'Wir wählen Hitler! Denn uns ist sein Name/ Gleich einem Licht und einer Weiheflamme. Vom Weltenlenker eigens uns entfacht/ In Deutschland heutiger dunkler Schicksalsnacht.'