Nicht ohne meine Tochter - Sie wird von ihrem persischen Ehemann in Teheran festgehalten.. Sie hätte fliehen können, ihre Tochter aber sollte sie zurücklassen ...

von: Betty Mahmoody

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783732510153 , 540 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 6,99 EUR

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Nicht ohne meine Tochter - Sie wird von ihrem persischen Ehemann in Teheran festgehalten.. Sie hätte fliehen können, ihre Tochter aber sollte sie zurücklassen ...


 

1


Meine Tochter war auf ihrem Fensterplatz an Bord der British-Airways-Maschine eingenickt. Ihre rotbraunen Locken umrahmten ihr Gesicht und fielen ungebändigt bis zu ihren Schultern herunter. Sie waren noch nie geschnitten worden.

Wir schrieben den 3. August 1984.

Mein geliebtes Kind war von unserer langen Reise erschöpft. Am Mittwochmorgen hatten wir Detroit verlassen, und während wir uns dem Ende dieses letzten Reiseabschnitts näherten, ging die Sonne auf und der Freitag begann.

Moody, mein Mann, blickte von den Seiten seines Buches auf, das auf seinem Schoß lag. Er schob die Brille auf seine höher werdende Stirn. »Du solltest dich jetzt fertig machen«, sagte er.

Ich öffnete meinen Sicherheitsgurt, nahm meine Handtasche und machte mich auf den Weg durch den schmalen Gang zur Toilette im Heck des Flugzeugs. Das Personal war schon dabei, die Abfälle einzusammeln und die Landung vorzubereiten.

Es ist ein Fehler, sagte ich mir. Wenn ich bloß auf der Stelle aus diesem Flugzeug aussteigen könnte! Ich schloss mich in der Toilette ein und sah im Spiegel eine Frau an der Grenze zur Panik. Ich war gerade neununddreißig geworden, und in dem Alter sollte eine Frau ihr Leben im Griff haben. Wie, fragte ich mich, hatte ich die Kontrolle verloren?

Ich frischte mein Make-up auf, um möglichst gut auszusehen und um mich abzulenken. Ich wollte nicht hier sein, aber ich war hier, also musste ich das Beste daraus machen. Vielleicht würden diese zwei Wochen ja schnell vorübergehen. Wenn wir wieder zu Hause in Detroit wären, würde Mahtob in die Vorschulklasse einer Montessori-Schule in der Vorstadt kommen. Moody würde sich wieder in seine Arbeit vertiefen. Wir würden den Bau unseres Traumhauses in Angriff nehmen. Du musst nur diese beiden Wochen durchstehen, sagte ich mir.

Ich suchte in meiner Handtasche nach der dicken schwarzen Strumpfhose, die ich auf Moodys Anweisung hin gekauft hatte. Ich zog sie an und strich den Rock meines konservativen dunkelgrünen Kostüms glatt. Noch einmal betrachtete ich mein Spiegelbild und verwarf den Gedanken, mir mit der Bürste durch mein braunes Haar zu fahren. Wozu der Aufwand?, fragte ich mich. Ich band das dicke grüne Kopftuch um, das ich, wie Moody gesagt hatte, immer tragen musste, wenn wir aus dem Haus gingen. Mit dem Knoten unter dem Kinn sah ich aus wie eine alte Bauersfrau.

Prüfend betrachtete ich meine Brille. Ich fand mich ohne sie attraktiver. Wollte ich Moodys Familie beeindrucken oder wollte ich möglichst viel von diesem schwierigen Land sehen? Ich ließ die Brille auf; das Kopftuch hatte ohnehin schon irreparablen Schaden angerichtet.

Schließlich kehrte ich zu meinem Platz zurück.

»Ich habe mir überlegt, dass wir unsere amerikanischen Pässe lieber verstecken sollten«, sagte Moody. »Wenn sie die finden, werden sie sie uns wegnehmen.«

»Aber wo?«, fragte ich.

Moody überlegte kurz. »Deine Handtasche werden sie durchsuchen, weil du Amerikanerin bist«, sagte er. »Gib mir die Pässe. Bei mir werden Sie es kaum versuchen.«

Das war vermutlich richtig, denn mein Mann gehörte in seiner Heimat zu einer berühmten Familie. Das wurde schon aus seinem Namen deutlich. Persische Namen haben – jeder für sich – eine besondere Bedeutung, und jeder Iraner konnte aus Moodys vollem Namen – Sayyed Bozorg Mahmoody – eine Menge schließen: »Sayyed« ist ein religiöser Titel, der auf einen direkten Nachkommen des Propheten Mohammed auf beiden Seiten der Familie hinweist, und Moody besaß einen komplizierten, in Farsi geschriebenen Stammbaum, um dies zu untermauern. Seine Eltern hatten ihm den Namen »Bozorg« gegeben, in der Hoffnung, er werde eines Tages die Größe, Würde und Ehre erlangen, die der Name verheißt. Der Familienname hatte eigentlich Hakim gelautet, aber Moody wurde um die Zeit geboren, als der Schah ein Edikt erließ, das islamische Namen wie diesen verbot, sodass Moodys Vater den Familiennamen in Mahmoody änderte, was eher persisch als islamisch ist. Er ist von Mahmud abgeleitet, was so viel heißt wie »der Gepriesene«.

Zum Glanz seines Namens kam noch das Prestige der Ausbildung. Obgleich Moodys Landsleute offiziell alles Amerikanische hassen, genießt das amerikanische Erziehungssystem bei ihnen hohes Ansehen. Als ein in Amerika ausgebildeter Arzt zählte Moody zur privilegierten Elite seiner Heimat.

Ich stöberte in meiner Handtasche, fand die Pässe und gab sie Moody. Er ließ sie in die Innentasche seiner Anzugjacke gleiten.

Bald darauf befand sich das Flugzeug im Anflug auf Teheran. Die Motoren wurden merklich gedrosselt, und die Nase des Flugzeugs neigte sich ungewöhnlich tief nach unten, sodass wir steil und schnell abstiegen. »Wir müssen so schnell hinunter wegen der Berge, die die Stadt umgeben«, sagte Moody. Die ganze Maschine bebte unter der Belastung. Plötzlich aufgeschreckt, erwachte Mahtob und umklammerte meine Hand. Beunruhigt sah sie zu mir auf.

»Alles in Ordnung«, erklärte ich ihr. »Wir landen gleich.«

Wie kam ich als Amerikanerin dazu, in ein Land zu fliegen, das sich wie kaum ein anderes in der Welt den Amerikanern gegenüber unverhüllt feindselig verhielt? Warum brachte ich meine Tochter in ein Land, das in einen erbitterten Krieg mit dem Irak verwickelt war?

Sosehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht, die unbestimmbare Furcht zu verdrängen, die mich verfolgte, seit Moodys Neffe Mammal Ghodsi diese Reise vorgeschlagen hatte. Ein zweiwöchiger Urlaub war überall zu ertragen, wenn man sich darauf freuen konnte, danach in die gewohnte Normalität zurückzukehren. Ich aber war von einer Ahnung besessen, die, wie mir alle meine Freunde versicherten, grundlos war: dass Moody, wenn er Mahtob und mich einmal in den Iran gebracht hätte, versuchen würde, uns für immer dort festzuhalten.

Das würde er niemals tun, hatten mir meine Freunde versichert. Moody war durch und durch amerikanisiert. Zwei Jahrzehnte lang hatte er in den Vereinigten Staaten gelebt. Sein gesamter Besitz, seine Arztpraxis – die Summe seiner Gegenwart und seiner Zukunft – befanden sich in Amerika. Warum sollte er auch nur erwägen, sein vergangenes Leben wieder aufzunehmen?

Auf der rationalen Ebene waren die Argumente überzeugend, aber keiner kannte Moodys widersprüchliche Persönlichkeit so gut wie ich. Moody war ein liebevoller Ehemann und Vater; dennoch neigte er dazu, mit dumpfer Gleichgültigkeit die Bedürfnisse und Wünsche seiner eigenen Familie zu übergehen. In seinem Kopf saß brillante Intelligenz neben düsterer Verwirrung. Kulturell gesehen war er eine Mischung aus Ost und West; nicht einmal er selbst wusste, welcher der Einflüsse in seinem Leben vorherrschend war.

Moody hatte allen Grund, uns nach unserem zweiwöchigen Urlaub wieder nach Amerika zu bringen, und er hatte jedes Recht, uns zum Verbleib im Iran zu zwingen.

Warum hatte ich angesichts dieser erschreckenden Möglichkeit in die Reise eingewilligt?

Mahtob.

In den ersten vier Lebensjahren war sie ein glückliches, aufgewecktes Kind gewesen; voller Lebensfreude und mit einer herzlichen Beziehung zu mir, ihrem Vater und ihrem Hasen, einem billigen, platt gedrückten Stofftier, ungefähr ein Meter zwanzig groß, mit weißen Pünktchen auf grünem Grund. An den Pfoten hatte der Hase Saugnäpfe, sodass sie ihn auf ihren Füßen befestigen und mit ihm tanzen konnte.

Mahtob.

In Farsi, der offiziellen Sprache der Islamischen Republik Iran, bedeutet das Wort »Mondschein«.

Für mich aber heißt Mahtob »Sonnenschein«.

Als die Räder der Maschine auf der Landebahn aufsetzten, sah ich zuerst Mahtob und dann Moody an, und mir war klar, warum ich in den Iran gekommen war.

Wir traten aus dem Flugzeug in die erdrückende schwüle Sommerhitze von Teheran – eine Hitze, die uns physisch fertigzumachen schien, als wir über das Stück Asphalt vom Flugzeug zu einem wartenden Bus gingen, der uns zum Terminal brachte. Und es war erst sieben Uhr morgens.

Mahtob klammerte sich fest an meine Hand und nahm mit ihren großen braunen Augen diese fremde Welt auf.

»Mommy«, flüsterte sie, »ich muss mal.«

»Gut, dann suchen wir eine Toilette.« Als wir in den Terminal kamen und die große Empfangshalle betraten, wurden unsere Sinne von einer weiteren unangenehmen Wahrnehmung überschwemmt – dem überwältigenden Gestank von Körperausdünstungen, der durch die Hitze noch verstärkt wurde. Ich hoffte nur, dass wir da bald wieder rauskämen, aber in dem Raum waren Passagiere von verschiedenen Flügen zusammengepfercht, und alle drängelten und schubsten zu dem einzigen Passkontrollschalter, der auch der einzige Ausgang aus dieser Halle war.

Wir waren gezwungen, uns durchzudrängeln, uns wie die anderen unseren Weg nach vorne zu bahnen. Ich nahm Mahtob auf den Arm, um sie vor den Menschenmassen zu schützen. Um uns herum war schrilles Stimmengewirr zu hören. Mahtob und ich waren nass geschwitzt.

Ich wusste zwar, dass die Frauen im Iran ihre Arme, Beine und Stirn verhüllen mussten, aber ich war überrascht zu sehen, dass alle weiblichen Flughafenangestellten ebenso wie die meisten weiblichen Passagiere fast vollständig in etwas eingehüllt waren, was Moody als Tschador bezeichnete. Ein Tschador ist ein großes halbmondförmiges Tuch, das um Schultern, Stirn und Kinn gewunden wird und nur Augen, Nase und Mund freilässt. Das Resultat erinnert an die Tracht einer Nonne aus vergangener Zeit. Die strenggläubigeren Iranerinnen ließen nur ein Auge hervorlugen. Frauen, die mehrere schwere Gepäckstücke in einer Hand trugen, weil sie die andere dazu...