Die PS-Dynastie - Ferdinand Porsche und seine Nachkommen

von: Wolfgang Fürweger

Verlag Carl Ueberreuter, 2015

ISBN: 9783800079254 , 240 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die PS-Dynastie - Ferdinand Porsche und seine Nachkommen


 

1. DER BEGINN EINER PS-LEGENDE


Wir schreiben das Jahr 1875. Maffersdorf ist eine kleine Gemeinde in Böhmen, die überwiegend von deutschsprachigen Untertanen der Donaumonarchie bewohnten wird. Außer einer Teppichmanufaktur und viel ländlicher Idylle hat das Kaff wenig zu bieten. Dennoch beginnt hier am 3. September 1875 die Porsche-Saga. An diesem Tag wird im heutigen Vratislavice nad Nisou (Tschechien) Ferdinand Porsche als drittes von fünf Kindern des Spenglermeisters Anton Porsche und dessen Gattin Anna geboren.

Vater Porsche nannte einen Handwerksbetrieb mit mehreren Lehrlingen und Gesellen sein Eigen. In einer Zeit, als das Handwerk noch den sprichwörtlichen goldenen Boden hatte, war das schon etwas. Klein Ferdinand hatte es also bereits von Geburt an nicht allzu schlecht erwischt. Sein Vater konnte ihm zwar kein großes Vermögen, aber immerhin eine ordentliche Ausbildung im eigenen Unternehmen bieten. Wäre Ferdinand am Ende der Epoche des hässlichsten Manchester-Liberalismus in einer der zahlreichen Arbeitersiedlungen der Donaumonarchie oder als eines von vielen Kindern auf einem Bauernhof zur Welt gekommen, wer weiß, ob er seine Talente jemals hätte entfalten und nutzen können.

Ein Geheimlabor auf dem Dachboden

Als Gottlieb Daimler zum ersten Mal zu einer Ausfahrt mit seinem vierrädrigen Automobil aufbrach, war Ferdinand Porsche elf Jahre alt. Bereits in diesem Alter zeigte er eine außergewöhnliche technische Begabung. Vor allem die Elektrizität hatte es dem Knirps angetan. Er bastelte ständig herum, und als 13-Jähriger installierte er im elterlichen Haus elektrische Klingeln. Vater Porsche hielt von den Experimenten des Filius aber nicht viel – im Gegenteil: Er verbot seinem Sohn, sich weiterhin mit »diesem Firlefanz« zu beschäftigen. Weil der ältere Bruder Anton bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war, sollte Ferdinand einmal den väterlichen Betrieb übernehmen und nicht Wissenschaftler spielen.

Klein Ferdinand dachte aber nicht im Traum daran, sich seine Leidenschaft für Technik von seinem verständnislosen Vater verbieten zu lassen. Deshalb richtete er sich unter dem Dach des elterlichen Hauses heimlich eine eigene kleine Elektrowerkstatt ein. In diese zog er sich zurück, wann immer es ging, um ungestört zu experimentieren. Der Vater arbeitete oft auswärts und kam meist spät nach Hause. Das Geheimnis blieb also lange gewahrt, zumal die Mutter die Leidenschaft ihres Sohnes duldete. Einmal sollte der Vater dann doch das kleine Reich seines Sohnes entdecken und das Laboratorium in einem Wutanfall zerstören. Der Zorn soll noch größer geworden sein, als herumspritzende Batteriesäure Löcher in die Hose des tobenden Seniors ätzte.

Nach der Volksschule, die damals noch acht Jahre dauerte, musste der spätere »Autoingenieur des Jahrhunderts« im Alter von 15 Jahren eine Lehre im elterlichen Betrieb beginnen. Dank der Fürsprache der Mutter durfte der junge Mann wenigstens Abendkurse an der Reichenberger Staatsgewerbeschule besuchen, also an einer der Vorläufer-Einrichtungen der heutigen Höheren Technischen Lehranstalten (HTL). Die Stimmung des Vaters schlug erst um, als Ferdinand im April 1893 im Alter von 17 Jahren in der väterlichen Spenglerei einen Dynamo mit Schwungradantrieb installierte, der den Betrieb mit elektrischem Licht versorgte. Und das zu einer Zeit, in der selbst in den Großstädten noch Ölfunzeln brannten und die Straßen, wenn überhaupt, dann nur mit Gaslaternen beleuchtet waren. Elektrisches Licht gab es bis zu diesem Zeitpunkt in der Gegend nur in der benachbarten »Teppich- und Deckenfabrik Ignaz«. Das Unternehmen genoss damals bereits international einen ausgezeichneten Ruf, der sich in den folgenden Jahren noch verbessern sollte. 1924 stattete die Manufaktur das Waldorf-Astoria in New York mit dem damals größten Teppich der Welt aus. Aber das ist eine andere Geschichte.

Trotz seines gelungenen Coups mit dem elektrischen Licht durfte Ferdinand nicht studieren, obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte. Der Vater gestattete dem Jungen aber, eine andere Laufbahn einzuschlagen als die eines Spenglers. Abgesehen von einigen theoretischen Vorlesungen an der Technischen Hochschule Wien, an denen er als außerordentlicher Hörer teilnahm, besuchte der spätere zweifache Ehrendoktor und Professor der Technik nie eine höhere Schule. Er war ein Praktiker, ein Autodidakt, ein »Meister der Improvisation«, wie Peter Müller in seiner erstmals 1965 erschienenen Biographie schreibt: »Wenn erfahrene Monteure nicht mehr weiterwussten, dann legte er sich unter den Wagen und hantierte mit dem Schraubenschlüssel … Für Ferdinand Porsche war gewissermaßen Benzin Muttermilch.«

Der Weg nach Wien

Seine erste Stellung außer Haus führte den böhmischen Handwerkersohn im Jahr 1893, also im Alter von 18 Jahren, nach Wien, zu der Vereinigten Elektrizität AG von Béla Egger & Co – ein Unternehmen, das später in Brown Boveri aufgegangen ist. Den Posten in der pulsierenden Metropole der Donaumonarchie hatte ihm der benachbarte Teppichfabrikant Willy Ginzkey vermittelt. Dieser hatte nach dem Tod seines Vaters Ignaz die Weberei übernommen und war von der technischen Begabung des jungen Spenglerlehrlings offenbar schwer beeindruckt. Porsches neuer Arbeitgeber war nicht irgendwer: Der Ungar Béla Egger vertrat in Wien zunächst Thomas Alva Edison, den Erfinder der Glühbirne, und machte sich dann selbstständig. Zu seinen Auftraggebern gehörte auch das Kaiserhaus. So erhielt Egger den Auftrag, in der kaiserlichen Residenz, dem Schloss Schönbrunn, elektrisches Licht zu installieren.

In diesem innovativen Unternehmen erhielten auch junge Mitarbeiter rasch eine Chance, die Karriereleiter emporzuklettern. Porsche stieg aufgrund seiner großen technischen Begabung schnell auf. Bereits vier Jahre nach seinem Eintritt wurde er 1897 im Alter von 22 Jahren Leiter des Prüfraums für Elektromotoren, kurz danach Assistent des Betriebsleiters. Porsches Meisterstück während seiner Zeit bei Béla Egger & Co war die Konstruktion eines Radnaben-Elektromotors. Dabei griff er ein Prinzip auf, das in England bereits patentiert worden war. Porsche brachte die Konstruktion aber als Erster zum Laufen und meldete 1897 seinerseits ein Patent auf den ersten funktionierenden Radnaben-Elektromotor an. Diese Erfindung sollte dem jungen Spenglersohn aus Böhmen den Weg zu weiterer Karriere ebnen.

Und noch etwas passierte bei Béla Egger, das Porsches weiteres Leben prägen sollte: Im Büro der Arbeitsverteilung arbeitete eine junge Dame namens Aloisia Kaes. Auf diese hatte Porsche ein Auge geworfen. Bei einem Betriebsabend im Varieté Ronacher kamen der Spenglersohn und die Schneidermeistertochter einander näher. Als die Heirat vor der Tür stand, erhob Vater Porsche Einspruch. Er hätte seinen talentierten Sohn lieber mit einer Ginzkey-Tochter verheiratet, was eine sehr gute Partie gewesen wäre. Ferdinand setzte aber auch hier seinen Kopf durch: 1903 wurde Hochzeit gefeiert, ein Jahr später erblickte Tochter Louise Hedwig Anna Wilhelmine Maria das Licht einer Welt, die sich zumindest für ihre Familie nur um das Automobil drehte. Auf den ersehnten Stammhalter musste das Paar dann bis zum September 1909 warten. Der Junge wurde Ferdinand Anton Ernst genannt, aber nur »Ferdy« gerufen. Der Kosename gefiel weder der Erzieherin von Porsche junior noch dessen späterer Frau. So wurde aus »Ferdy« schlussendlich »Ferry«. Der zweite Kosename sollte dem Sohn des genialen Konstrukteurs ein Leben lang bleiben.

Der Lohner-Porsche

Zurück aber zu Ferdinand Porsches Karriere: Noch im Jahr 1897 trat der talentierte Techniker in den Dienst der »k. u. k. Hofwagenfabrik Ludwig Lohner & Co«. Das Wiener Unternehmen war als Hoflieferant damals weithin bekannt. Heute würde sich wohl kaum jemand an den Namen erinnern, hätte dort nicht Ferdinand Porsche Meilensteine in der Automobilgeschichte gesetzt. Dabei war der Kutschenbauer Lohner ein weitsichtiger Mann: Schon bald nach der Erfindung des Kraftwagens erkannte er, dass den edlen Karossen, in denen sich seit Jahrhunderten Adelige und reiche Bürger fahren ließen, keine große Zukunft mehr beschieden sein würde. Diese gehörte dem Automobil. Im Juni 1896 war Lohner daher nach Bad Cannstatt bei Stuttgart gereist, um Gottlieb Daimler und dessen berühmte Automobile mit dem Viertakt-Ottomotor kennenzulernen. Lohner zeigte sich tief beeindruckt und beschloss, das moderne Fahrzeug in sein Produktionsprogramm aufzunehmen. Daimler war jedoch nicht bereit, mit dem österreichischen Kutschenbauer einen Lizenzvertrag abzuschließen.

Also probierte es Lohner zunächst erfolglos mit einer eigenen Konstruktion. Danach versuchte er eine Zusammenarbeit mit Rudolf Diesel zu erreichen, der 1897 einen neuartigen Verbrennungsmotor erfunden hatte. Als auch das nicht klappte, setzte Lohner auf den Elektroantrieb und gründete eine »elektromobile Abteilung«. Anhand dieser Geschichte sieht man, dass an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert noch nicht klar war, welche Antriebsart sich letztlich durchsetzen...