Bad Cop - Ein Kapstadt-Thriller

von: Mike Nicol

btb, 2015

ISBN: 9783641145583 , 544 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 8,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Bad Cop - Ein Kapstadt-Thriller


 

Eins

Er beobachtet das Ganze von seinem Wagen aus, der auf einer kiesbestreuten Fläche parkt. Beobachtet den weißen Subaru, der auf den Strand gerichtet dasteht, durch ein Nachtsichtzielfernrohr.

Ein heftiger Wind ist aus Südost aufgekommen und bespritzt die Windschutzscheibe mit Gischt. Er muss den Scheibenwischer anschalten, um besser sehen zu können.

Seit einer halben Stunde ist er hier, auf der westlichen Seite des Parkplatzes von Sunrise Beach. Er war zwanzig Minuten vor dem weißen Subaru eingetroffen. Jetzt ist es nach Mitternacht. Mondlos.

Zehn Minuten später bemerkt er, wie ein Auto aus dem Kreisverkehr abbiegt, abblendet und langsam über den Kies auf den weißen Subaru zurollt. Ein Jetta. Schwarz. Getönte Scheiben. Der Mann im Subaru steigt aus. Der Jetta bleibt stehen. Aus ihm steigen zwei Männer.

Er beobachtet sie durch das Nachtsichtfernrohr. Sieht, wie die Männer reden. Wie sie gestikulieren. Als ob sie sich nicht für eine Übergabe treffen würden, wie sie das sollten, sondern als ob sie miteinander stritten. Er sieht, wie sie wieder auseinandergehen und wie die beiden aus dem Jetta den dritten Mann plötzlich einkreisen. Sieht, wie Mündungsfeuer aufblitzt. Vier Schüsse von den Jetta-Kerlen, zwei Gegenschüsse.

»Mein Gott!« Fish beugt sich vor, um seinen Motor anzulassen.

»Nicht«, sagt der Mann auf dem Beifahrersitz. Der Mann, der eine Fünfundvierziger an Fishs Kopf hält. »Schauen Sie genau hin, mein Freund. So wissen Sie gleich, was mit Ihnen passiert, wenn Sie uns hintergehen sollten. Dann war’s das.«

Auf dem Boden liegen zwei Tote. Der eine Jetta-Mann schleift seinen Kameraden ins Auto, wendet mit quietschenden Reifen und braust davon, fegt Staub über den zurückbleibenden Leichnam.

»Wir wissen, wo wir Sie finden, Mr. Fish Pescado«, sagt der Mann mit der Waffe. »Sie sind der Nächste. Wenn Sie einen von uns töten, erledigen wir einen der Ihren. Der letzte Mann, den Sie angeschossen haben, erlag seinen Verletzungen, Mr. Pescado. Pech für Ihren Freund da drüben.« Er macht die Tür auf und steigt aus. Beugt sich noch einmal ins Auto, öffnet das Handschuhfach und nimmt die Waffe heraus, die dort liegt. Betrachtet sie. »Was ist das für Schrott?« Steckt sie ein.

»Lassen Sie die Pistole da«, protestiert Fish.

Der Mann erwidert: »Sie sollten für Ihren Kumpel lieber den Krankenwagen rufen, mein Freund. Die können dann gleich den … Wie heißt das noch mal? … Ach ja, den Totenschein für ihn ausstellen.«

Lacht. Ha, ha, hey.

Surfers’ Corner, Muizenberg. Das Meer aufgewühlt. Die Wellen sturmdunkle Vorreiter, eineinhalb bis zwei Meter hoch, krachen immer wieder laut in sich zusammen. Voll Kraft und Energie – genug, um beim Wellenreiten Muffensausen zu bekommen, eine Gänsehaut auf dem Gesicht.

Fish Pescado und Daro Attilane in Neoprenanzügen paddeln am späten Nachmittag mit ihren Longboards hinaus. Sie spüren die Brandung, die sie durch das aufgepeitschte Wasser zieht. Als sie Dünung und Wellentäler erreichen, jenseits der Line-up, wo sich die Wellen brechen, sind sie bereits ziemlich erledigt.

Drei kleine Wellen lassen sie kommen.

Sie reden nicht miteinander, atmen nur tief durch. Paddeln stumm nebeneinander an der Brechungslinie, im Schatten des Berges.

Irgendwann sagt Daro: »Ich muss dich mal was fragen.«

»Klar«, meint Fish. »Solange es nichts Persönliches ist.« Grinst, als er das sagt.

Er dreht sein Surfbrett so, dass es mit der Schnauze auf Daro gerichtet ist.

Daro Attilane: Autohändler, Mitglied des örtlichen Polizeiforums. Erfahrener Surfer. Kurze graue Haare, gebräuntes Gesicht, hellblaue Augen, Körperbau wie ein Rugbyspieler.

»Es geht um meine Tochter, um Steffie. Teenagerkram. Jemand dealt an ihrer Schule mit Hasch.«

»Ein echter Dealer?«

»Ja, scheint so. Steffie hat jedenfalls was von ihm gekauft. Ich habe sie damit in ihrem Zimmer erwischt, wie sie gerade den Rauch aus dem Fenster geblasen hat.«

»Na ja«, meint Fish. »Hab ich auch gemacht. Hat sie dir seinen Namen genannt?«

»Ein Junge aus ihrer Klasse.«

»Willst du, dass ich mit ihm rede und herausfinde, wer sein Lieferant ist? Kann ich gerne machen.«

»Ich weiß, wer der Lieferant ist. Seven ist der Lieferant.« Daro zeigt auf den Strand. Mit den Augen folgt Fish seinem Finger bis zu der Reihe von SUVs, die dort geparkt sind. In den vier Parkbuchten zusammen stehen Autos im Wert von zwei oder drei Millionen Rand. Daro hat einen Nissan X-Trail. Fish einen verrosteten Isuzu mit Zweiradantrieb, ein Erbstück – in einer anderen Kategorie als der Wagen seines Surferkumpels. Fish runzelt die Stirn. Erst dann begreift er, dass Daro nicht auf den Parkplatz, sondern auf das Straßengewirr hinter den teuren Wohnblöcken deutet.

»Das Problem ist«, fährt Daro fort, »dass es nicht bei Hasch bleibt. Als Nächstes kommen Pillen, Crystal Meth, Tik. Und wenn Tik ins Spiel kommt, wird’s schwierig. Das knallt so heftig, das lässt dich nicht mehr los.«

Fish sieht Daro an. Daro sieht woandershin.

»Du weißt, dass ich im Forum sitze.«

Plan des Forums: die Gegend zu säubern. Die Drogenszene hat sich Muizenberg vorgenommen. Im Straßengewirr hinter der Atlantic Road gibt es Crack-Häuser, Haschhöhlen, junge und alte Prostituierte – auf der Straße oder in den Bandenhäusern – auf der Suche nach Freiern, um zumindest an ein kleines Kügelchen Tik zu gelangen.

Und Herrscher über allem: Seven. Die Plage. Der Fluch.

»Ist kein Geheimnis, dass ich Mitglied des Forums bin. An Steffies Schule wissen das alle. Wir haben mit den Kids gesprochen, ihnen erklärt, was Sache ist. Steffie weiß, dass harte Drogen das Ende bedeuten. Und dieses Schwein Seven hat sie ausgewählt, um an mich ranzukommen.«

»Seven? Du glaubst, der denkt so weit?«

Daro sieht Fish mit finsterem Blick an. »Tue ich. Das ist sein Stil. So macht er das. Der letzte Vorsitzende des Forums kann nicht mehr ohne Beruhigungstabletten. Der musste aufhören. Ich habe Angst, dass ich eines Tages die Tür öffne, und da steht ein Junge, neun oder zehn Jahre alt, und richtet eine Pistole auf mich. Bandeninitiation. Das war’s, Mr. Attilane. Viel Spaß in der Hölle.«

»Dann lasst sein Haus durchsuchen.«

»Jedes Mal, wenn wir mit dem Durchsuchungsbefehl kommen, ist er sauber. Er hat bei den Cops einen Spitzel.«

»Das haben alle«, meint Fish.

Fish: laut Geburtsurkunde Bartolomeu Pescado. Seit Neuestem mit einem kleinen Ring im rechten Ohrläppchen. An Fish Pescado fallen zuerst seine wilden Surferhaare, seine flinken Augen und der Ohrring auf. Wird von seinen Freunden aus offensichtlichen Gründen Fish genannt. Bartolomeu nach dem portugiesischen Entdecker. Aber niemand außer seiner Mutter nannte ihn bisher Bartolomeu. Seine Brötchen verdient er als Privatdetektiv, allerdings nicht sehr erfolgreich.

Er starrt auf seine nackten Füße im grünen Wasser. Das Meer höchstens zwölf Grad. Bei dieser Temperatur sollte er eigentlich Stiefel wie Daro tragen. Aber er gerät durch Stiefel aus dem Gleichgewicht, strauchelt und stürzt leichter. Er hat noch nie Stiefel getragen. Stiefel sind nur etwas für ältere Semester, für Daro zum Beispiel. Barfuß ist cool, auch bei Kälte.

Er streicht seine blonden Haare aus dem Gesicht. Sieht Daro an. Fragt: »Ist das schon mal passiert?«

»Was? Das mit Steffie und den Drogen?«

Fish kratzt an einem Klümpchen Wachs auf seinem Brett herum. Schnippt es weg. »Nein. Ich meine, gab es schon mal irgendeine Art von Drohung? Einen Brief. Oder einen Anruf. Jemand, der euch gefolgt ist?«

Daro lacht. »Nein. Bloß das, was bei Hausdurchsuchungen so rüberkommt. Dieser verrückte Dafür krieg ich euch-Mist.«

Ihre Surfbretter berühren sich. Beide Männer paddeln zurück.

»Vielleicht experimentiert Steffie ja auch nur rum.« Fish paddelt noch weiter zurück. »Hast du das Ganze deiner Frau erzählt?«

»Ja. wir haben darüber geredet.«

»Und? Was meint sie?«

»Neugier, typisch für das Alter.«

»Aber du glaubst trotzdem weiterhin, dass Seven dahintersteckt?«

Daro nickt. »Tue ich. Ich sehe das in einem größeren Zusammenhang.«

»Wenn du willst, kann ich mit Seven reden. Ich kann zu ihm Dinge sagen, die du nicht sagen kannst.«

Daro schüttelt den Kopf. »Nein, lieber nicht. Vielleicht später mal.«

»Was wolltest du mich also fragen?«

Daro blickt auf das offene Meer hinter Fish hinaus. »Sie kommen. Große.«

Fish und Daro sehen, wie die erste Reihe von Wellen donnernd heranrollt. Wie sie sich erhebt, oben schmaler wird, wie sie sich durch die Meeresbrise weiß kräuselt. Wenn man genau hinhört, kann man das Zischen der Wellen hören, während sie näher kommen.

»Deine!«, ruft Fish, legt sich flach auf sein Brett und paddelt los, um über die Welle zu gelangen. Er bricht hindurch, kommt hinten wieder heraus und sieht sich einer gewaltigen Woge gegenüber. Eine riesige grüne Wand, die rechts von ihm aufschäumt.

Er reißt das Brett herum, paddelt erneut, um schneller zu werden, während das Wasser unter ihm weggesogen wird und jener verrückte Moment entsteht, wenn die Welle einen...