Eine kleine Nachtphysik - Geschichten aus der Physik

von: Wolfgang Rößler

Birkhäuser Basel, 2007

ISBN: 9783764377441 , 265 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 24,99 EUR

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Eine kleine Nachtphysik - Geschichten aus der Physik


 

Kapitel 8 Fassungslos vor Freude (S. 63-64)

Der Schriftsteller Denis de Rougemont, der in Princeton lebte, schrieb über den damals etwa sechzigjährigen Einstein: "Eben geht ein Mann im blauen Pullover und Flanellhosen vor meinem Fenster vorbei, die Haare vom Wind zerzaust – zwei schöne weiße Strähnen in genialer Unordnung [. . . ] So kommt er jeden Tag um elf Uhr hier vorbei. Wenn es kalt ist, trägt er einen schwarzen Mantel. Sein Haar zeigt mir die Windrichtung, und sein Anblick treibt meine kleine Tochter in die Flucht. Woran denkt er? Aus diesem Gehirn ist die Gleichung hervorgegangen, die die Welt umzugestalten beginnt. Ich sage mir die Gleichung jedesmal neu vor, wenn ich ihn sehe: E = mc2 [. . . ] Noch nie hat jemand so viel gesagt mit so wenigen Zeichen."208

Die wenigen Zeichen sind: die Energie E, die Masse m, die Lichtgeschwindigkeit c, also 300 000 000 Meter pro Sekunde, beziehungsweise das Quadrat davon.

Bertrand Russell meinte einmal pointiert, dass "Mathematik die Wissenschaft ist, bei der man nicht weiß, wovon man redet, noch ob das, was man sagt, den Tatsachen entspricht."209 Mathematik besitzt einen ganz eigenen Geist, ein eigenes Leben. übereinstimmung mit der Wirklichkeit, mit der Welt unserer Erfahrung, kann es durchaus geben, ist aber weder Voraussetzung noch Notwendigkeit. Anders verhält es sich in der Physik. In der Physik muss es einen Zusammenhang zwischen Wörtern, Begriffen und Symbolen und der wirklichen Welt geben.

E = mc2 bringt zum Ausdruck, dass Energie Masse besitzt. Zieht man eine Feder auf oder lädt eine Batterie neu, so nimmt dabei auch jeweils die Masse von Feder und Batterie zu. Ein rotierender Kreisel ist schwerer als ein ruhender und ein sich drehendes Rad ist schwerer als ein still stehendes. Aber es steckt noch mehr in dieser so einfach scheinenden Gleichung. Sie beschreibt den Motor, aus dem die Sterne und mit ihnen natürlich unsere Sonne ihre Energie gewinnen: Im Sterneninneren wird fortwährend Masse in Energie umgewandelt. Das heißt aber auch, dass die Sterne durch diesen Prozess ständig an Masse verlieren müssen. Sie werden unentwegt leichter. Im Fall unserer Sonne sind dies vier Millionen Tonnen pro Sekunde.