Alien - Drei Romane in einem Band

von: Alan Dean Foster

Heyne, 2014

ISBN: 9783641149758

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Alien - Drei Romane in einem Band


 

Kapitel 1


 

Sieben Träumer.

Damit wir uns richtig verstehen, es waren keine berufsmäßigen Träumer. Berufsmäßige Träumer sind hochbezahlte, sehr gesuchte Talente. Diese sieben träumten wie die meisten von uns, ohne Anstrengung und ohne Disziplin. Berufsmäßig zu träumen, so, dass diese Träume aufgezeichnet und zur Unterhaltung anderer wieder abgespielt werden können, ist eine viel kompliziertere Sache. Man braucht dazu die Fähigkeit, halbbewusste kreative Impulse zu lenken und seine Fantasie zu strukturieren, und das ist außerordentlich schwierig. Berufsmäßige Träumer sind gleichzeitig die am besten organisierten von allen Künstlern und dennoch die spontansten. Es sind Menschen, die auf subtile Art Spekulationen ineinander verweben können, nicht schwerfällig und gerade wie Sie oder ich, oder eben diese sieben Schläfer.

Von ihnen allen kam Ripley dieser speziellen Fähigkeit noch am nächsten. Sie hatte ein gewisses Talent zum Träumen und eine flexiblere Fantasie als ihre Begleiter. Aber die richtige Inspiration fehlte ihr und auch die ausgeprägte gedankliche Reife, die für Berufsträumer so charakteristisch ist.

Sie verstand sich sehr gut darauf, Vorräte und Ladung zu organisieren, Karton A in Lagerraum B zu verstauen oder Ladepläne abzustimmen. Im Lagerhaus des Geistes funktionierte ihr Ablagesystem nicht so gut. Hoffnungen und Ängste, Spekulationen und halb abgeschlossene Kreativvorgänge rutschten willkürlich von einem Abteil ins andere.

Deckoffizier Ripley brauchte mehr Selbstkontrolle. Ihre wirren Träume warteten darauf, angezapft und geformt zu werden, warteten unter der Oberfläche der Realisierung. Etwas mehr Mühe, intensivere Selbstbetrachtung, und sie hätte eine gute Träumerin abgegeben. Wenigstens glaubte sie das manchmal.

Captain Dallas andererseits schien zwar träge, war aber von ihnen allen am besten organisiert. Auch an der Fantasie gebrach es ihm nicht. Das bewies sein Bart. Niemand nahm einen Bart mit in die Kühltruhen. Niemand außer Dallas. Der Bart war ein Teil seiner Persönlichkeit, hatte er mehr als einmal neugierigen Reisegefährten erklärt. Er war ebenso wenig bereit, sich von dem antiken Gesichtsgestrüpp zu trennen wie von irgendwelchen anderen Teilen seiner Anatomie. Dallas war Kapitän zweier Schiffe: des Interstellarschleppers Nostromo und seines Körpers, und beide blieben intakt, ob er nun träumte oder wachte.

Er verfügte also über die lenkende Fähigkeit und ein gewisses Maß an Fantasie. Aber ein berufsmäßiger Träumer braucht wesentlich mehr als ein gewisses Maß von letzterer, und was hier fehlt, lässt sich auch nicht durch ein Übermaß ersterer ausgleichen. Dallas eignete sich auch nicht mehr zum Träumer als Ripley.

Kane war in seinen Gedanken und Handlungen weniger systematisch als Dallas und besaß viel weniger Fantasie. Er war ein guter Erster Offizier. Kapitän würde er nie werden. Das erfordert ein großes Maß an Risikobereitschaft, in Verbindung mit der Autorität, anderen Befehle zu erteilen, und beides besaß Kane nicht. Seine Träume waren verglichen mit denen von Dallas durchsichtige, formlose Schatten, ebenso wie Kane selbst ein dünneres weniger vibrierendes Echo des Kapitäns war. Das machte ihn nicht weniger beliebt. Aber berufsmäßiges Träumen erfordert ein gewisses Maß an Extraenergie, und Kane hatte kaum genug für das alltägliche Leben.

Parkers Träume waren nicht unangenehm, aber sie waren nicht so beschaulich wie die Kanes. In ihnen steckte kaum Fantasie. Sie waren zu spezialisiert und befassten sich nur selten mit menschlichen Dingen. Man konnte aber auch von einem Schiffsingenieur erwarten, dass er von Dingen träumte, die ihn hauptsächlich beschäftigten. Seine Träume waren direkt und gelegentlich hässlich. Im Wachzustand zeigte sich dieser tief vergrabene Unrat nur selten, nur dann, wenn der Ingenieur gereizt oder verärgert war. Den größten Teil des Schlamms und der Verachtung, die auf dem Grunde der Zisterne seiner Seele vor sich hinfermentierten, hielt er gut verborgen. Seine Schiffsgenossen blickten nie über den destillierten Parker hinaus, der oben schwebte, bekamen das nie zu sehen, was in seinem Innern brodelte.

Lambert war mehr eine Inspiration von Träumern als selbst eine Träumerin. Im Hyperschlaf waren ihre ruhelosen Grübeleien mit Intersystem-Kursberechnungen und Ladefaktoren angefüllt, überlagert von Treibstoffberechnungen für Kurskorrekturen und Beschleunigungsphasen. Gelegentlich drang auch etwas Fantasie in derartige Traumstrukturen ein, aber nie in einer Art und Weise, die das Blut anderer hätte in Wallung bringen können.

Parker und Brett stellten sich oft vor, wie ihre eigenen Systeme sich mit den ihren verknüpften. Sie betrachteten die Frage von Ladefaktoren und räumlichen Beziehungen in einer Art und Weise, die Lambert wütend gemacht haben würde, hätte sie davon gewusst. Sie behielten solch unautorisierte Grübeleien für sich, sicher in Tagträumen und Nachtträumen verschlossen, um sie nicht wild zu machen. Es war nicht gut, Lambert zu ärgern. Als Navigatorin der Nostromo war sie in erster Linie dafür verantwortlich, dass sie wieder sicher nach Hause zurückkehrten, und das war das Wünschenswerteste, was jedermann sich vorstellen konnte.

Brett stand in der Liste als Techniker der Ingenieurabteilung. Das besagte einfach, dass er ebenso intelligent und gut ausgebildet wie Parker war, aber nicht den gleichen Rang innehatte. Die beiden Männer bildeten ein seltsames Paar, ungleich und für Außenstehende völlig verschieden. Und doch gab es zwischen ihnen eine Art Koexistenz, die hervorragend funktionierte. Zum größten Teil war ihr Erfolg als Freunde und Kollegen darauf zurückzuführen, dass Brett nie in Parkers geistige Regionen eindrang. Der Techniker war in seiner Haltung und seiner Sprache ebenso ernst und phlegmatisch wie Parker sprunghaft und gesprächig war. Parker konnte stundenlang über das Versagen eines Mikrochip schimpfen und fluchen und seine Vorfahren bis zu dem Stück Erde zurück verfluchen, aus dem man seine Bestandteile abgebaut hatte, und Brett würde dann nur ganz geduldig »richtig« sagen.

Für Brett war dieses eine Wort viel mehr als ein bloßer Ausdruck seiner Meinung. Für ihn war es Selbstbestätigung. Für ihn war Schweigen die sauberste Form der Kommunikation. Gesprächigkeit war für ihn Geschwätzigkeit, Narretei.

Und dann war da noch Ash. Ash war der Wissenschaftsoffizier, aber nicht das war es, was seine Träume so komisch machte. Komisch im Sinne von seltsam, nicht im Sinne von spaßig. Seine Träume waren die professionell am besten organisierten der ganzen Mannschaft. Von ihnen allen kamen seine Träume seinem Verhalten im Wachzustand am nächsten, Ashs Träume waren ohne jede Illusion.

Wenn man Ash wirklich kannte, überraschte das nicht. Aber keiner seiner sechs Mannschaftsgefährten kannte ihn. Ash kannte sich gut. Wenn man ihn fragte, hätte er einem sagen können, warum er nie ein berufsmäßiger Träumer geworden war. Aber niemand kam je auf die Idee, ihn zu fragen, obwohl der Wissenschaftsoffizier ganz eindeutig das professionelle Träumen faszinierender fand als sonst einer von ihnen.

Oh, und da war dann noch die Katze. Sie hieß Jones. Eine ganz gewöhnliche Hauskatze oder in diesem Falle Schiffskatze. Jones war ein großer gelber Kater unbestimmter Herkunft und höchst unabhängig, seit langer Zeit an die Unberechenbarkeiten der Schiffsreise und die Eigentümlichkeiten der Menschen gewöhnt, die durch das Weltall rasten. Auch er schlief den kalten Schlaf und träumte einfache Träume von warmen, trockenen, dunklen Orten und von Mäusen, die der Schwerkraft unterworfen waren.

Von allen Träumern an Bord war er der einzig zufriedene, wenn man ihn auch nicht unschuldig nennen konnte.

Es war jammerschade, dass keiner von ihnen als berufsmäßiger Träumer qualifiziert war, da jeder von ihnen im Laufe seiner Arbeit mehr Zeit zum Träumen hatte als ein Dutzend Professionelle, und dies, obwohl ihr Traumtempo durch den kalten Schlaf verlangsamt wurde. Die Notwendigkeit machte das Träumen zu ihrer wichtigsten Zerstreuung, eine Tiefraummannschaft kann in den Kühltruhen nichts anderes tun als schlafen und träumen. Sie würden vielleicht immer Amateure bleiben, aber sie waren schon vor langer Zeit sehr kompetente Amateure geworden.

Sieben Menschen unterwegs. Sieben stille Träumer auf der Suche nach einem Albtraum.

Die Nostromo besaß zwar auch ein gewisses Bewusstsein, aber sie träumte nicht. Sie brauchte das nicht, ebenso wenig wie sie auch die Kühltruhen nicht brauchte. Wenn sie träumte, mussten das kurze und flüchtige Träume sein, denn sie schlief nie. Sie arbeitete und funktionierte und sorgte dafür, dass ihre im Winterschlaf befindliche menschliche Besatzung stets dem immer bereiten Tod einen Schritt voraus blieb, einem Tod, der dem kalten Schlaf folgte, wie ein großer grauer Hai einem Schiff auf hoher See.

Beweise für die nie ruhende mechanische Wachsamkeit der Nostromo waren überall auf dem ruhigen Schiff zu finden, in einem leisen Summen und in Lichtern, die den Lebensatem des instrumentellen Bewusstseins bildeten. Diese Wachsamkeit erfüllte das ganze Schiff und manifestierte sich in Sensoren, die dauernd jeden Stromkreis und jede Strebe überprüften. Auch draußen hatte die Nostromo Sensoren, die den Puls des Kosmos fühlten. Und diese Sensoren hatten eine elektromagnetische Anomalie entdeckt.

Ein Teil des Gehirns der Nostromo war besonders dafür begabt, Sinn und Vernunft aus Anomalien herauszudestillieren. Diese hier hatte es gründlich durchgekaut, den Geschmack seltsam gefunden, die Ergebnisse der Analyse untersucht und eine Entscheidung...