Generationenbeziehungen im Wohlfahrtsstaat - Lebensbedingungen und Einstellungen von Altersgruppen im internationalen Vergleich

von: Agnes Blome, Wolfgang Keck, Jens Alber

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908700 , 409 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 49,99 EUR

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Generationenbeziehungen im Wohlfahrtsstaat - Lebensbedingungen und Einstellungen von Altersgruppen im internationalen Vergleich


 

1 Einleitung (S. 23)

Der demografische Wandel und seine Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Generationenbeziehungen rücken zunehmend ins Zentrum öffentlicher Debatten. Nicht wenige Autoren vertreten die Auffassung, die Gesellschaft der Zukunft werde von Generationenkonflikten geprägt sein. Unsere Studie zeigt, was wir aufgrund empirischer Daten über die Lebensbedingungen und Beziehungsmuster verschiedener Altersgruppen in unterschiedlich gestalteten Sozialstaaten wissen.

Im Zentrum steht die Frage, wie Staat und Familie die Lebensbedingungen von Generationen prägen und wie sich dieses Wechselspiel auf die sozialpolitischen Einstellungen von Altersgruppen in vier strategisch ausgewählten Ländern – Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden – auswirkt. Der Vergleich dieser Länder soll darüber Aufschluss geben, wie verschiedenartig das Zusammenleben zwischen Generationen organisiert sein kann und welche Strategien sich vor dem Hintergrund alternder Gesellschaften als zukunftsfähig erweisen.

Der doppelte Trend sinkender Geburtenraten und steigender Lebenserwartung führt fast überall in Europa zu einer beträchtlichen Alterung der Gesellschaft (Grundy 1996, Kaufmann 2005, United Nations 1956). Durchschnittlich werden in Europa derzeit nur 1,5 Kinder pro Frau1 geboren, während die Lebenserwartung eines Neugeborenen 78 Jahre beträgt. Damit verschiebt sich das Generationengefüge.

Der Anteil der über 65-Jährigen wird in Relation zum Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2030 von derzeit 24 Prozent auf etwa 38 Prozent steigen. Diese Entwicklung stellt die Gesellschaften Europas vor neue Herausforderungen. Zu den zentralen Dimensionen des anstehenden sozialen Wandels zählen neben der nachhaltigen Finanzierung der sozialen Sicherung Strukturwandlungen der Familie, Arbeitsmarktanpassungen, ein neuer Umgang mit Migration und Integration, neue Siedlungsstrukturen und regionale Unterschiede sowie veränderte Konsummuster (Hauff und Bachmann 2006).

Für das Zusammenleben der Generationen hat die Alterung der Bevölkerung weitreichende Konsequenzen, die vor allem die Familienbeziehungen sowie die sozialrechtliche Stellung verschiedener Altersgruppen betreffen. Mit der niedrigen Kinderzahl schrumpft innerhalb der Familien die Zahl der Seitenver- wandten, während die Generationen für längere Lebensphasen zusammenleben. Damit werden die Familien „länger und dünner.

Das verlängerte Zusammenleben und die verringerte Anzahl der Beziehungsverhältnisse machen eine Intensivierung der Beziehungen zwischen den Generationen in der Familie wahrscheinlich (Bengtson 2001, Hondrich 1999). Auf der Seite des Sozialstaats geht es darum, für eine nachhaltige Balance zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen.

Der steigende Anteil älterer Menschen und der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellen insbesondere die Renten- und Pflegesysteme vor eine Bewährungsprobe, weil sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern bzw. Pflegern und Pflegebedürftigen drastisch verschiebt (Bäcker und Koch 2003, Holzmann et al. 2003, Myles 2002). 1950 kamen in Europa auf eine Person über 65 Jahre rund acht Personen im erwerbsfähigen Alter.

Im Jahr 2000 betrug das Verhältnis 1:5, und im Jahr 2030 wird es bei 1:3 liegen.2 Noch stärker wirken sich die demografischen Veränderungen auf die Pflegesituation aus, da der größte Bevölkerungszuwachs bei den hochbetagten Personen zu erwarten ist. Auch wenn ältere Menschen künftig im Alter länger gesund bleiben mögen, geht man aktuell doch von einer Zunahme des Pflegebedarfs aus (Garg 1995, McGlone und Cronin 1994, Schulz et al. 2001).

Die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels beschränken sich jedoch nicht auf die Pflege- und Rentenpolitik. Auch die Familien-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik können die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherung stärken, indem sie eine Erhöhung der Zahl der Geburten fördern, die Beschäftigungschancen und Produktivität auf dem Arbeitsmarkt verbessern oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern (Esping- Andersen 2002, Bothfeld 2004, OECD 2002).