Europäische Sozialpolitik - Institutionalisierung, Leitideen und Organisationsprinzipien

von: Tobias Vahlpahl

DUV Deutscher Universitäts-Verlag, 2008

ISBN: 9783835091474 , 201 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 40,46 EUR

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Europäische Sozialpolitik - Institutionalisierung, Leitideen und Organisationsprinzipien


 

2 Integration und lnstitutionalisierung von Ordnungsprinzipien (S. 13)

Die europäische Integration ist nicht nur Gegenstand zahlreicher empirisch ausgerichteter Untersuchungen, sondern auch Ausgangspunkt der Theoriebildung. Gerade an die sozialwissenschaftliche Theorie stellt die Integration der europäischen Nationaistaaten große Herausforderungen, da sie, historisch betrachtet, beispiellos ist und die Nationalstaatlichkeit als Grundlage europäischer Gesellschaten vor deutliche Veränderungen stellt.

Generell sollten Theorien der europäischen Integration dynamisch und zumindest mittlerer Reichweite sein, um den Spezifika ihres Gegenstandes gerecht zu werden. Sie sollten so dem Umstand Rechnung tragen, dass die Union in der Vergangenheit räumlich immer mehr erweitert wurde, als auch, dass die Integrationsintensität mehr oder weniger kontinuierlich zugenommen hat. Gerade in Bezug auf die Vertiefung der Integration ist die Reichweite der Theorie entscheidend, da die beobachteten Prozesse selten innerhalb kurzer Zeiträume ablaufen.

Es erscheint sinnvoll (wenigstens noch), nicht nach einer allgemeinen und umfassenden Theorie zu suchen, die den gesamten Prozess der Integration beschreiben könnte. Dagegen kann vermutet werden, dass sich Teiltheorien besser eignen, um einzelne Aspekte des Prozesses greifbar und verständlich zu machen. Hier ist der Fundus an angebotenen Erklärungsansätzen durchaus reich bestöckt. Standardwerke zum Thema verweisen in aller Regel zunächst auf die beiden relativ unversöhnlich gegen überstehenden Schulen des Intergouvernementalismus auf der einen Seite und des Funktionalismus / Neofunktionalismus auf der anderen Seite.

In der intergouvemementalistischen Theofie, die auf den politischen Rea- lismus 25 zur~ckgeht, werden Integrationsprozesse in erster Linie auf das Sicher- heitsbedttrfnis von autonomen Staaten in einer anarchischen Umwelt zurilckge- filhrt. Angewandt auf den Fall der EU kann hiermit erklart werden, waxum die Regierungen der Nationalstaaten nach dem 2. Weltkrieg erstmals eine derartige Kooperation gesucht haben und bereit waxen, Teile ihrer Souvertinit~t auf- zugeben.

Allerdings ist nach dem Ende des Kalten Krieges ein Fortbestehen der Kooperation alleine durch Sicherheitsinteressen nicht mehr ausreichend zu begünden. In abgeschwächter Form betont der intergouvernementalistische Ansatz neuerer Auslegung das Primat der nationalen Regierungen und deren Interessenkonstellation bei Entscheidungsprozessen innerhalb des politischen Systems der EU Jedoch ergeben sich auch hier Schwierigkeiten, wenn die zunehmende Intensitiät der Vergemeinschaftung , in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wird.

Aus der Sichtweise der intergouvernementalistischen Theorie ist nicht unmittelbar begründbar, warum es zu Kooperationen kommt, wenn über das jeweilige Gebiet keine Einigkeit besteht, und warum im Laufe der Entwicklung das Einstimmigkeitsgebot in einzelnen Bereichen immer welter aufgehoben wurde. Auf der anderen Seite begründet der funktionale Ansatz die Vertiefung der Integration mit der Sachlogik, die sich aus vergangenen Integrationsschritten ergibt.

Die Übersetzung yon high politics in greifbarere low politics erlaubt eine zunehmende Integration von Bereichen, die an solche grenzen und von solchen beeinflusst werden, die, zeitlich vorangegangen, Gegenstand der Vergemeinschaffung waren. Auf diese Weise werden fundamentale Wertkonflikte in Interessenkonflikte übersetzt, die sachlicher behandelt werden können and so leichter zu lesen sind.

Dieser Ansatz lässt sich besonders gut auf die Übergänge von einem Integrationsstand zum nächsten anwenden. Durch die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl haben sich Wechselwirkungen zu anderen Sektoren der ökonomischen Sphäre ergeben, die es erforderlich machten, auch die Regulation dieser auf die europiäsche Ebene zu veflagern. Periodisiert man diese beiden theoretischen Ansätze, so gelangt man zu einer  ,Bild europiäscher Nationalstaaten, die sich vor dem Hintergrund zweier Weltkriege gemeinschattlich entschlossen haben, einen zentralen und symbolträchtigen Bereich ihrer Wirtschaft zusammenzulegen.