Offene Wissensökonomie - Analysen zur Wissenssoziologie der Free/Open Source-Softwareentwicklung

von: Gerd Sebald

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908489 , 246 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 42,99 EUR

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Offene Wissensökonomie - Analysen zur Wissenssoziologie der Free/Open Source-Softwareentwicklung


 

2 Zur Theorie der technischen Grundlagen (S. 25)

Que les nombres étant réduits aux plus simples principes, comme 0 &, 1, il paroît par tout un ordre mervelleieux.

(Gottfried Wilhelm Leibniz)

Zunächst werden die Konstitutionsbedingungen der medial basierten, kooperativen Produktionsform der F/OSS untersucht, und zwar anhand des Arbeitsgegenstandes, der Software. Die Formen der Softwareproduktion können denen der herkömmlichen Wissens- und Warenproduktion gleichen, etwa in wissenschaftlichen Instituten und Laboren oder privaten Unternehmen.

Aber wenn die These stimmt, daß F/OSS eine spezi.sch neue Form der produktiven Kooperation und (Selbst-)Organisation ist, die sich in anderen Bereichen so nicht entwickelt (hat), liegt die Vermutung nahe, daß spezielle Eigenschaften des produzierten ›Gegenstandes‹ diese neue Form der Produktion ermöglichen.

Die leitende Frage für diesen Abschnitt ist jedoch nicht, inwiefern der Arbeitsgegenstand die Kooperationsform vorgibt, sondern welche Spezi.ka der Software die Wahrscheinlichkeiten für eine neue Kooperationsform erhöhen oder senken. Im Folgenden geht es also um die Analyse der spezi.schen Eigenschaften von Software, die F/OSS ermöglichen und damit auch rahmen.

Daran anschließend ist die Kommunikationsform, computerbasierte Medien, vor allem Mailinglisten und Internet Relay Chat (IRC), einer theoretischen Analyse zu unterziehen. Die Bedingungen der Konstitution der Produktionsform der F/OSS verstehe ich auch im Fall der medialen Grundlage als notwendige, nicht als hinreichende: Zum Arbeitsgegenstand Software und einer computerbasierten Kom- munikation müssen noch weitere Bedingungen hinzutreten, damit sich eine neue Form der Produktion entwickelt.

Das sind vor allem die praktische Aneignung dieser technisch gegebenen Möglichkeiten und die damit einhergehende Ausgestaltung der damit verbundenen Handlungsspielräume.

In einem ersten Schritt werden deshalb die Prozesse der Produktion, Distribution und Anwendung von Software beschrieben und daraus erste Kennzeichen dieses symbolischen Artefaktes abgeleitet. Dabei wird auch die gesellschaftliche Einordnung der Softwareproduktion und ihre ökonomische Relevanz kurz diskutiert werden.

In einem zweiten Schritt werden diese Ergebnisse durch eine genauere Analyse des Phänomens »Software« anhand der Begriffe Schrift und Formalisierung spezi.ziert. Schließlich werden aus medientheoretischer Perspektive die sich aus den verwendeten Medien ergebenden Probleme der Konstitution und Kooperation analysiert.

2.1 Software in der Produktion, Distribution und Anwendung

Gängige Theoretisierungsversuche von Software greifen vor allem auf die Charakterisierung von Software als Wissen und Technik zurück. Software ist Wissen, »programmiertes Wissen, genauer: binär reduziertes Wissen« (Degele 2000: 55). Wissen, das expliziert und wiederholbar gemacht wird, sozusagen geronnenes Verfahrenswissen. Software ist in einem ersten Analyseschritt als ein Wissensprozeß zu fassen und wird als solcher im Folgenden in Hinsicht auf die Spezifika in Produktion, Distribution und Konsumtion bzw. Anwendung analysiert werden.

Produktion

Im Produktionsprozeß weist Software einige Besonderheiten auf. Im Folgenden werden die spezi.sche Zeitlichkeit aufgrund der Symbolhaftigkeit, die Komplexität und Modularisierbarkeit, die Verschränkung der Prozesse von Produktion und Anwendung und schließlich der für die Produktion relativ geringe Material- und Energieaufwand einer genaueren Betrachtung unterzogen.

Software ist erstens eine Form der Explikation vonWissen mit Hilfe von Computersprachen. Diese »Technisierung im Medium der Symbole« (Rammert 1995: 16) hat zur Folge, daß das Produkt nicht verschleißt (Rammert 1998a: 317). Diese Verschleißfreiheit schafft eine spezifische Zeitlichkeit von Software, die durch die Nichtgebundenheit an spezifische Datenträger und die Gebundenheit an spezifische Hardware zwei Faktoren von Kontingenz erhält.