Perry Rhodan Neo Paket 7: Epetran - Perry Rhodan Neo Romane 61 bis 72

von: Oliver Plaschka, Michelle Stern, Dennis Mathiak, Robert Corvus, Andrea Bottlinger, Alexander Huiskes, Uwe Voehl, Rainer Schorm, Christian Montillon

Perry Rhodan digital, 2014

ISBN: 9783845333908 , 1280 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 29,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Perry Rhodan Neo Paket 7: Epetran - Perry Rhodan Neo Romane 61 bis 72


 

Teil I

Das zweite Leben

 

 

1.

Iwan Goratschin

 

Iwan Goratschin saß am Rande des Aussichtspunkts und ließ den Blick schweifen. Zu seinen Füßen erstreckte sich die Bay Area von San Francisco: grünbraune Hügel im warmen Licht der aufgehenden Sonne und fern im morgendlichen Dunst, der sich erst langsam verzog, die Skyline der Stadt wie eine Fata Morgana, eine Erscheinung aus einem anderen Leben.

Vielleicht war sie das auch. Aus irgendeinem Grund erfüllte der Anblick der fernen Golden Gate Bridge ihn mit Trauer. Er sah die Brücke nicht zum ersten Mal. Gut möglich aber, dass nie wieder ein Mensch sie so sehen würde. Bald darauf würden die Außerirdischen kommen ...

Er wischte den Gedanken beiseite. Hier oben, in der Kühle des Berges, wo es zu dieser frühen Stunde keine Geräusche außer dem Wind gab, war er in Sicherheit. Vor den Fantan. Vor den Schatten seiner Vergangenheit. Vor sich selbst. Hier oben existierte nur er unter dem weiten Himmel – und solange er seinen Berg nicht verließ, konnte ihm niemand etwas anhaben.

Das Knirschen von Reifen auf Kies schreckte ihn auf.

Iwan Goratschin wandte den Kopf ...

 

Er konnte seinen Kopf nicht bewegen. Irgendetwas hielt ihn fest. Wenn er dagegen ankämpfte, was ihm sehr schwerfiel, schmerzten seine Hände, seine Knie, sein Rücken. Ihm war kalt. Er bekam keine Luft, und er war blind.

Da fuhr ein Schlag durch seinen Körper wie ein Stromstoß, der seine gequälten Muskeln zusammenzucken ließ. Er riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Kalt wie Eis stach sie in seinen Lungen.

Iwan Goratschin schrie.

Dann war es vorüber. Keuchend und mit klopfendem Herzen wartete er, bis die Schmerzen erträglich wurden. Schließlich klangen sie ab, doch erst nach sehr langer Zeit. Immer noch konnte er sich nicht bewegen, und er war sich nicht sicher, ob seine Augen geschlossen oder verbunden waren oder ob man ihn in einen lichtlosen Raum gesperrt hatte.

Eingesperrt, dachte er. Das musste es sein. Er versuchte, seine Hände und seine Füße zu bewegen, doch es brannte, als hätte man ihm die Gelenke mit den Nesselfäden von Quallen zusammengebunden.

Er würgte. Erst erinnerten sich seine Eingeweide nicht, wie sie sich dieser quälenden Übelkeit entledigen konnten, dann erbrach er sich hustend in die Dunkelheit, die sich, wie er nun erkannte, unter ihm befand. Man hatte ihn in gebeugter Haltung gefesselt, sodass er auf allen vieren kniete, den Kopf nach unten gezwungen wie ein Verurteilter auf dem Schafott. Er war froh, denn sonst wäre er nun erstickt. Dennoch begann ihm bei dem Gedanken unwillkürlich der Nacken zu kribbeln. Hing dort ein Fallbeil über ihm, das nur darauf wartete, niederzusausen?

Wieder das knirschende Geräusch. Kein Kies – auch nicht das Mahlen seiner Zähne. Das war eine Maschine, die dieses Geräusch erzeugte, ein Prasseln wie von Statik, Elektrizität ...

»Ich wecke Sie nun auf«, sagte eine Stimme neben ihm. Sie klang unbeteiligt, kalt. Iwan Goratschin wollte nicht aufwachen. Wo die Stimme war, warteten auch die Schmerzen auf ihn. Er wollte zurück auf seinen Berg unter dem weiten Himmel. Dort oben war er in Sicherheit. Er hatte so viel, über das er nachdenken musste.

Wer hält mich gefangen?, fragte er sich. Seine Erinnerungen wirbelten durcheinander, suchten nach einer logischen Erklärung der Situation.

Afghanistan, dachte er. Du bist wieder in Afghanistan. Sie werden dich foltern.

»Achtung!«, sagte die Stimme. Iwan Goratschin machte sich bereit. Die Erkenntnis, im Krieg zu sein, rief auch die alten Reflexe wieder wach, die er sich in Jahren harter Ausbildung antrainiert hatte.

Ich bin ein Amerikaner im Kampf für mein Land und unsere Freiheit, begannen die Leitsätze des SERE-Trainings: Survival, Evasion, Resistance, Escape – Überleben, Ausweichen, Widerstand, Flucht. Ich bin bereit, mein Leben dafür zu geben. Nie gebe ich auf. Im Falle meiner Gefangennahme werde ich auf jede erdenkliche Art und Weise Widerstand leisten. Ich werde versuchen zu entkommen ...

Als er schon hoffte, dass sich die Ankündigung der Stimme als leere Drohung erwies, kam der Schmerz, und zwar schlimmer noch als zuvor. Es fühlte sich an, als schnappte überall in seinem Körper eine Mausefalle zu: In seinen Armen. In seinen Beinen. In seinem Unterleib. In seinem Hals ...

Es war schlimm genug, dass er die Augen aufriss. Mit einem Mal war er in gleißende Helligkeit getaucht.

Du bist nicht in Afghanistan, dachte er. Afghanistan ist lange her. Alle Kriege, die die Menschheit führte, sind über Nacht bedeutungslos geworden. Es war eine lange Nacht, aber nur für dich. Jetzt ist sie vorbei ...

Und mit dieser Erkenntnis kam die Erinnerung an die Flammen zurück, die ihn sein Leben lang gequält hatten, bis sie eines Tages, in einem Moment nicht unähnlich diesem, aus ihm hervorbrachen und man ihn zur Waffe in einem neuen Krieg machte – einem Krieg, den Fremde von den Sternen miteinander führten.

Ganz egal, meldete sich seine Ausbildung zurück. Afghanistan, Arkon, du bist trotzdem Amerikaner. Und du wirst auf keinen Fall aufgeben. Und obwohl er genau wusste, wie lächerlich dieser Gedanke in diesem Augenblick war, spendete er ihm doch Trost – denn er war alles, was er gerade besaß.

Sobald sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten und die Schmerzen auf ein erträgliches Maß abebbten, schaute er sich um. Er stellte fest, dass er sich nun ein kleines bisschen freier bewegen konnte. Je weniger er kämpfte, desto besser gehorchte ihm sein Körper. Wenn er sich anspannte oder zu kräftig zerrte, kehrten die Schmerzen zurück.

Das Erste, was er wahrnahm, war seine Nacktheit. Zumindest das, was er von seinem Körper sehen konnte, war nackt. Das erklärte die Kälte. Nichts Ungewöhnliches für einen Kriegsgefangenen. Er konnte es ignorieren, vorerst zumindest.

Seine Haut jedoch schien eigenartig glatt, fast wie die eines Neugeborenen, und völlig haarlos. Er konnte seinen Kopf nicht berühren, aber aus der Art, wie ein kalter Hauch darüber hinwegzog, schloss er, dass man ihm eine Glatze geschoren hatte. Vielleicht, um ihn zu demütigen.

Es gab aber auch noch eine andere Möglichkeit: die Flammen. Vielleicht war seine Haut verbrannt, und man hatte sie nachzüchten müssen.

»Ihre Körperfunktionen sind eingeschränkt«, erklärte der Fremde, als hätte er seine Gedanken erraten. »Sie werden erst nach und nach wiederhergestellt. Dasselbe gilt auch für Ihre höheren kognitiven Fähigkeiten. Dies geschieht zu Ihrer eigenen Sicherheit.«

Glaub ihm nicht, mahnte ihn seine innere Stimme, die Jahre militärischer Disziplin in ihn eingeschrieben hatten und die ein wenig nach Sergeant Major Hank Madsen klang, seinem Ausbilder bei den Marines. Denk an deine Ausbildung: Sie tun so, als wollten sie dir helfen, dabei sind sie es in Wahrheit selbst, die dir das antun. Glaub ihnen kein Wort.

Unter ihm war eine kalte weiße Fläche, Metall vielleicht oder eine Art Keramik. Ein Speichelfaden zog sich von seinem Mundwinkel zu einer Stelle neben seiner rechten Hand, doch von dem Erbrochenen war keine Spur geblieben. Dies war keine gewöhnliche Zelle – doch was war es dann? Ein Labor?

»Ihnen wird nun gestattet, sich aufzurichten. Seien Sie vorsichtig.«

Unvermittelt sackte sein Rücken durch. Als wäre er die ganze Zeit in ein Korsett gesperrt gewesen, das sich auf einen Schlag geöffnet hatte. Sein Rückgrat fühlte sich weich wie Gelee an. Ein dumpfer Schmerz saß in seiner Brust. Es brauchte einige Versuche, sich in eine kniende Position zu kämpfen, denn seine Füße, Hände und Knie waren immer noch von unsichtbaren Fesseln auf die kalte weiße Fläche fixiert. Es fühlte sich beängstigend an, so als hätte man ihm Metall in die Gelenke injiziert und ihn auf einen ungeheuer starken Magneten gesetzt. Irgendwann schaffte er es aber, seine Hände neben seine Oberschenkel zu ziehen und Oberkörper und Kopf zu heben. Er war tatsächlich völlig nackt, wie er nun feststellte.

»So ist es gut.«

Die Stimme gehörte einem Mann um die fünfzig, der einen weißen Kittel trug. Er stand inmitten unverständlicher Gerätschaften, die einen engen, hellen Raum ausfüllten. Er wirkte drahtig und hatte ein hartes, kantiges Gesicht, das zur Hälfte von einer matten Metallmaske verdeckt war, die nur das Auge frei ließ. Beide Augen starrten ihn unverblümt an, dennoch regte sich kein Hass in ihnen, eher schon ein konzentriertes Interesse. Ein Mann, der den Ausgang eines Experiments verfolgte. Wenn man länger in dieses zweigeteilte Gesicht blickte, konnte man seinen Ausdruck fast mit Anteilnahme verwechseln.

»Sie sehen aus wie Clifford Monterny«, krächzte Goratschin. Es fiel ihm schwer, deutliche Worte zu formen. »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«

»Sie nehmen Ihre Umgebung also wahr«, stellte der Fremde fest, ohne auf die Frage einzugehen. »Ihr Gedächtnis ist aber offenbar noch getrübt. Sagen Sie mir, woran Sie sich erinnern können.«

Goratschin zögerte. Schlaglichtartig kehrten einzelne Erinnerungsfetzen zu ihm zurück. Wie sie durch einen Schacht nach oben geklettert waren und er mit Ishys Hilfe den Schutzschirm überwunden hatte. Sie hatten nach etwas gesucht – doch man hatte sie überrascht. Der Regent! Hatte er wirklich den Regenten gesehen, oder war dies alles nur ein böser Traum? Er hatte den...