Pädagogische Psychologie in Theorie und Praxis

von: Jörg Zumbach, Heinz Mandl (Hrsg.)

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008

ISBN: 9783840920141 , 367 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 26,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Pädagogische Psychologie in Theorie und Praxis


 

Teil D: Emotionen im Lernprozess (S. 243-246)

Lehrer-Burnout

Uwe Schaarschmidt und Ulf Kieschke

In dem Fallbeispiel wird die Entstehung von Burnout bei einer Lehrerin geschildert. Es werden anhand des Beispiels Erklärungsansätze und Probleme der Erfassung und Abgrenzung dieses Phänomens diskutiert. Die Darstellung schließt mit Lösungsvorschlägen, die sich auf das Herangehen an die Intervention beziehen.

1 Entstehung von Burnout: ein Fallbeispiel

Lehrerin M. ist 35 Jahre alt, alleinstehend mit einem 6-jährigen Kind und seit 7 Jahren an einer Hauptschule tätig. Eigentlich hatte Frau M. nicht vor, Lehrerin zu werden. Sie hätte gern Psychologie oder Medizin studiert, doch blieb ihr in diesen Fächern ein Studienplatz verwehrt. So bot sich das Lehramt an. Auch in diesem Beruf sieht sie für sich die Möglichkeit, ihrem starken Bedürfnis nach sozialem Engagement nachzukommen. Für andere Menschen da sein zu können, sei für sie das wichtigste Motiv bei der Berufsentscheidung gewesen. Das Studium fällt ihr nicht schwer und bereitet ihr auch überwiegend Freude.

Doch bei schulpraktischen Übungen stellt sie bald fest, dass ihr das Auftreten vor der Klasse und der Umgang mit Schülern weniger gut gelingen. Sie fühlt sich in solchen Situationen mitunter recht hilflos, erlebt sich als wenig durchsetzungsfähig und ist enttäuscht, wenn die Schüler ihre Bemühungen nicht zu schätzen wissen. Diese Erfahrung wiederholt sich während des Referendariats. Dennoch tritt sie guten Mutes in den Schuldienst ein. Frau M. ist der Überzeugung, dass sie mit zunehmender Berufserfahrung auch mehr Sicherheit gewinnen werde. Voller Optimismus glaubt sie, die Anforderungen des Berufs meistern und das Beste für ihre Schüler tun zu können. Anfangs läuft die Arbeit auch nach ihren Vorstellungen. Sie wird im Kollegium herzlich aufgenommen, findet Akzeptanz bei ihren Schülern und deren Eltern und hat zunehmend Gelegenheit, Erfolge zu verbuchen.

Dadurch bestärkt und ermutigt, entwickelt Frau M. zahlreiche Ideen und Vorschläge, um – wie sie sagt – neuen Schwung in ihre Schule zu bringen. Unter anderem gründet sie eine Theatergruppe, die bei den Schülern auf große Resonanz stößt und bald schon auf erste erfolgreiche Auftritte verweisen kann. Auch weitere Schulprojekte werden von ihr angekurbelt. Hätte man Frau M. zu dieser Zeit gefragt, wie ihr der Lehrerberuf gefiele, so hätte sie wohl mit Begeisterung von ihrer Arbeit berichtet. Doch ändert sich die Situation bald nach Beginn des zweiten Schuljahres.

Da die Schülerzahl in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen war, erfolgt die Zusammenlegung mit einer zweiten Schule. Die arbeitsorganisatorischen Abläufe und Zuständigkeiten für den Unterricht werden von Grund auf neu geregelt. Frau M. muss die Klassen abgeben, in denen ihr das Unterrichten überwiegend Freude gemacht und mit denen sie sich viel für das neue Schuljahr vorgenommen hatte. Sie hat jetzt höhere Klassen aus der hinzugekommenen Schule zu übernehmen. Das bedeutet, dass sie sich „aus dem Stand" auf neue Schüler und neue Inhalte und Anforderungen einstellen muss.

Besonders hart trifft sie, dass die Theatergruppe nicht weitergeführt werden kann, da die neuen Arbeitsabläufe an der Schule weder Raum noch Zeit dafür hergeben. Seitens der Schulleitung wird ihr erklärt, dass sich nach einer Konsolidierungsphase sicherlich eine Lösung finden werde. Nach dieser Auskunft unternimmt sie keine weiteren Versuche, ihr Theaterprojekt zu retten. Im Unterricht muss sie schon bald die Erfahrung machen, dass sie speziell mit einigen älteren und lernunwilligen Schülern nicht umgehen kann. Sie spürt massive Ablehnung und steht Verhaltensproblemen gegenüber, die sie rat- und hilflos machen. Manche Unterrichtsstunden enden im Chaos.