Plus One - Nur bei dir

von: Jennifer Lyon

LYX, 2014

ISBN: 9783802595264 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 9,99 EUR

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Plus One - Nur bei dir


 

1


Kat Thayne blendete die Musik und den Lärm der Hochzeitsfeier aus und studierte mit kritischem Blick ihre Kreation. Die extra für diesen Anlass gestaltete Torte erhob sich in fünf imposanten Etagen aus schneeweißer Buttercreme und wurde gekrönt von Lavendelblüten mit Kaskaden von Swarovski-Kristallen. Tauben aus weißer Schokolade trugen fliederfarbene Bänder aus gefärbter Zuckerwatte, die sich um die Schichten schlangen. Der Effekt war so dezent wie hinreißend romantisch.

Sie hatte sich vorgenommen, dass die Fotos vom Anschneiden der Torte der abolute Knaller werden sollten, und tauschte einige leicht verwelkte Blüten gegen frische aus.

»Endlich fertig?«

Die ungeduldige Stimme des Fotografen störte sie in ihrer Konzentration. Sie funkelte ihn wütend an. »Sage ich Ihnen, wie Sie Ihre Bilder machen sollen?«

Er antwortete ihr mit einem verärgerten Grunzen, hielt aber den Mund, bis sie ihren Behälter mit den Utensilien geschlossen hatte, den Henkel ergriff und zurücktrat. Dann wurde er plötzlich aktiv und suchte mit der gleichen Akribie nach dem besten Aufnahmewinkel für die Torte, als ob er ein Covermodel für Bademoden vor sich gehabt hätte.

Kat verzieh ihm sofort seine Ungeduld von eben. Wer ihre Zuckerbabys richtig behandelte, dem sah sie fast alles nach.

Sie machte ihm Platz und zog sich in eine der vielen Ecken zurück, die das La Jolla, ein schickes kalifornisches Hotel, zu bieten hatte. Von dort aus hatte sie einen guten Blick auf den Ballsaal. Das Motto der Braut, Nacht der Diamanten, war hier mit weißen Rosen und Orchideen, drapiert mit Satinbändern in wunderschönen Kristallvasen, umgesetzt worden. Die Nacht wurde mittels dramatischem lavendelfarbenem Licht aus der Kuppel des Raums dargestellt, an der sternenförmige Kristalle glitzerten.

Eine perfekte Bühne für die Braut in ihrem weißen eng anliegenden Kleid mit von Hand aufgenähten Kristallen. Sie schien sich in der Bewunderung ihrer Gäste zu sonnen.

Kat schauderte. Der Gedanke, dass sie im Mittelpunkt solcher Aufmerksamkeit stehen könnte, verursachte ihr Unbehagen. Sie war in eine Welt des Wohlstands und der Privilegien hineingeboren worden, aber sie passte dort nicht hin und hatte niemals wirklich hingepasst. Das ständige Bestreben, etwas zu sein, was sie nicht war, hatte sie beinah zerstört. Nach einem brutalen Raubüberfall vor sechs Jahren …

Denk nicht daran.

Sie war hier, um ihre Arbeit zu machen, die sie liebte, nicht um alte Erinnerungen noch einmal aufleben zu lassen.

Stattdessen beobachtete sie die Gäste: Sie trugen atemberaubende Abendkleider und Smokings, die mit dem Preis von Kats Auto mithalten konnten. Sie schlenderten umher, redeten und lachten, während sie aus Champagnergläsern Louis Roederer Cristal tranken. Die Kleider waren wahre Kunstwerke, und Kat hatte Gefallen daran, die Schnitte zu studieren und sich die Ornamente und Muster einzuprägen, die sie für ihre Torten verwenden konnte.

Kat richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Braut, die mit ihren Brautjungfern – den geduldigen Bräutigam im Schlepptau – die Hochzeitstorte in Augenschein nahm. Die übrigen Gäste scharten sich um sie.

Sie hörte das Getuschel. Lob für ihre Arbeit schwebte durch den Raum. Das klang in Kats Ohren so süß und befriedigend wie sonst nichts auf der Welt.

Dann ging mit einem Knistern wie von Elektrizität eine Bewegung durch die Menge.

Köpfe wurden gereckt, und alle schauten an Kat hinter ihrer mit Blumen umhüllten Säule vorbei zum Eingang des Saals.

Selbst die Braut hielt inne, um den Neuankömmling zu mustern.

Kat richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Unruhestifter.

In der Tür des Ballsaals stand ein Mann, der mit seinen mindestens eins fünfundneunzig alle anderen im Raum überragte. Er trug einen eleganten tiefschwarzen Smoking und kein Fünkchen Farbe, um das Bild abzumildern. Selbst sein Hemd und seine Krawatte waren schwarz. Er sah aus wie der Tod. Ein sehr sexy, sehr faszinierender Tod.

Es war deutlich zu spüren, dass die übrigen Gäste wie elektrisiert waren. Und das nur wegen eines Mannes. Kat war immun gegen diese Art von aufgesetztem Charme, der schnell an Wirkung verlor, weil nichts dahintersteckte. Aber sie war schließlich auch nur ein Mensch und neugierig auf den Mann, der die Reichen und Mächtigen hier im Saal mühelos in seinen Bann schlug. Sie lugte ein wenig hinter der Säule hervor, um nur ja nichts zu verpassen.

Der Neuankömmling ging von seinem dramatischen Verharren in der Tür nahtlos zu einem schwungvollen Schritt über. Für einen so großen Mann bewegte er sich mit überraschender Geschmeidigkeit an den Tischen vorbei. Alle Augen im Raum folgten ihm.

Instinktiv wich sie zurück, um sich in ihrer Nische zu verbergen. Der Behälter mit ihren Utensilien, den sie in der Hand hielt, knallte gegen die Wand. Mist.

Der Mann hielt erneut inne und richtete seinen Blick auf sie.

Wie Schokolade mit Wasser vermischt verformte sie sich innerlich zu einem starren Klumpen. Der Blick aus seinen tiefdunklen Augen nahm ihr das vertraute Gefühl, mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Stellte sie bloß. Fing sie ein. Sie ließ die unglaubliche Ausstrahlung dieses Mannes auf sich wirken: nachtschwarzes Haar mit einem neckischen Wirbel, braune Augen, wie glühende Kohle, mit leuchtenden bernsteinfarbenen Sprenkeln versehen. Die Kanten seines Gesichtes waren bemerkenswert eckig, selbst sein Kinn war harsch; wie zerklüftete Klippen, von erfahrener Hand gemeißelt. Es juckte sie in den Fingerspitzen, die wilde Schönheit seines Gesichts nachzuzeichnen, sich diese gnadenlosen Linien einzuprägen und sie später in einem ihrer Kuchen nachzubilden.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihre Haut kribbelte, und die Härchen auf ihren Armen stellten sich wie elektrisiert auf.

Verdammt, sie war nicht so immun, wie sie dachte.

Kat riss gewaltsam den Blick von ihm los, entschlossen, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. So hatte sie nicht mehr auf einen Mann reagiert seit … nun …

Seitdem.

Reflexartig krampfte sie die Finger ihrer linken Hand um den Plastikgriff ihres Utensilienkoffers und riss sich zusammen, um dieser seltsamen Anwandlung, die in ihr aufstieg, Herr zu werden. Sie machte keine Dates. War nicht dazu in der Lage. Schau nicht hin. Er wird weitergehen. Ich bin nur eine Servicekraft. Schau nicht hin. Sie konzentrierte sich auf ihre Torte. Ihre Schöpfung. Das schien zu helfen.

Allerdings sah sie ihn nur zu gut aus dem Augenwinkel. Der Mann wandte sich nach links.

Er kam direkt auf sie zu.

Die Blicke sämtlicher Anwesenden folgten ihm und ruhten schließlich auf ihr. Mist. Solange die Aufmerksamkeit ihren Torten galt oder ihrer Arbeit im Allgemeinen, fühlte sie sich gut.

Auf sicherem Boden.

Da hatte sie alles unter Kontrolle.

Die Art, wie er sie musterte, versengte ihr die Haut und machte sie hypersensibel; ihre Selbstkontrolle schmolz dahin und verwandelte sie in ein nervliches Wrack. Sie unterdrückte den Drang, wegzulaufen, beschwor ihre gesamte Willenskraft herauf und stellte sich ihm.

Er war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt. Sie steckte in der Nische fest, die eben noch ihre Zuflucht gewesen war. Während er aufmerksam ihre Züge musterte, fühlte sich ihre Ecke an wie ein Gefängnis. Sie atmete ein, sehnte sich verzweifelt nach beruhigendem Sauerstoff.

Stattdessen stieg ihr der Duft von Seife und etwas Dunklem und durch und durch Männlichem in die Nase.

Sie versuchte zu begreifen, was er von ihr wollte. Überall um sie herum füllten zauberhafte Frauen mit kunstvollen Frisuren und prächtigen Roben und Juwelen den Raum. Sie hingegen hatte ihr braunes, mit violetten Strähnchen durchzogenes Haar zu einem schlichten Pferdeschwanz zurückgebunden. Und über T-Shirt und schwarzer Hose trug sie zu allem Überfluss auch noch ihre Arbeitsschürze. Warum also war er so auf sie fixiert?

Er blieb unmittelbar vor ihr stehen, und Kat bemühte sich verzweifelt um innere Ruhe, die sich einfach nicht einstellen wollte.

Sie räusperte sich und fragte: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Sie hoffte hochmütig zu klingen, aber in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme nur dünn und brüchig.

Er ließ den Blick gemächlich über ihr Gesicht, ihren Hals bis hinunter zu ihren Sneakers wandern.

Es fühlte sich an, als zöge er sie mit den Augen aus. Kat riss ihren Utensilienkoffer an sich und schlang die Arme darum, um etwas Massives zwischen sich und ihn zu bringen.

Er zog die Augenbrauen hoch und fragte: »Kennen wir uns?«

Seine Stimme hatte einen seidigen Unterton, und seine Worte überraschten sie total. Sie konnte sich nicht vorstellen, diesem Mann begegnet zu sein und ihn vergessen zu haben. Manche Dinge mochten aus ihrem Gedächtnis gelöscht sein, aber er? Niemand würde einen Mann von solcher Präsenz vergessen. Aus nächster Nähe sah sie eine Narbe quer über seiner linken Augenbraue, und eine weitere zog sich rechts um seinen energischen Mund. Er war nicht im klassischen Sinne gut aussehend, eher auf wilde Art schön.

Antworte ihm!

»Nein.«

Er senkte ganz leicht das Kinn und musterte sie unter seinen hochgezogenen Augenbrauen. »Und wenn ich Sie gern kennenlernen würde?«

Verräterische Wärme breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie kämpfte dagegen an, indem sie sich die Ecke des Kastens in die Hüfte rammte. Der stechende Schmerz setzte...