OPD-KJ - Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Manual

von: Arbeitskreis OPD-KJ (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2007

ISBN: 9783456943404 , 194 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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OPD-KJ - Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Manual


 

Die Achsen im Überblick (S. 21-22)

Achse «Beziehung»

In der psychodynamischen Diagnostik gehen wir davon aus, dass die psychische Struktur des Patienten und die aktuell wirksamen innerpsychischen Konflikte in der Beziehung zum Diagnostiker/Therapeuten sichtbar werden. In der psychotherapeutischen Behandlung konstellieren sich die inneren psychischen Gegebenheiten des Patienten, unter denen er leidet, als aktuelle Beziehungskonstellationen, zu denen sich bestimmte Gegenübertragungspositionen des Therapeuten einstellen. Nun ist diese Dynamik zwischen Übertragung und Gegenübertragung etwas, was sich vom Erstkontakt an in der psychoanalytischen Situation entwickelt. Deshalb finden wir bereits im diagnostischen Prozess, der im Kern von der Beziehungsaufnahme des Patienten mit dem Diagnostiker geprägt ist, erste typische Beziehungskonstellationen, die zu erfassen Ziel der psychodynamischen Diagnostik sind. Das im Rahmen des diagnostischen Prozesses sich entwickelnde Beziehungsgeschehen operationalisiert und möglichst reliabel zu erfassen, ist deshalb anspruchsvoll, weil der Untersucher ja selbst Teil des Beziehungsgeschehens ist und somit die Beschreibung nur schwer von der Subjektivität des Untersuchers getrennt werden kann. Eine Operationalisierung dieser wichtigen diagnostischen Ebene verlangt vom Untersucher, dass er das, was er beim Patienten als Beziehungsangebot und -verhalten beobachtet, sowie seine eigene innere Reaktion darauf so beschreibt, dass es für andere nachvollziehbar ist. So kann im Laufe des diagnostischen Prozesses überprüft werden, inwiefern das sich konstellierende Beziehungsgeschehen Ausdruck der in der Innenwelt des Patienten vorhandenen Gegebenheiten und somit diagnostisch verwertbar ist.

Im Gegensatz zum Erwachsenen berichten Kinder und oft auch Jugendliche weniger über sich selbst und ihre Beziehungsprobleme, sondern neigen vielmehr dazu, diese Beziehungsprobleme handelnd in die Beziehung zum Untersucher einzubringen. Dieses Handeln ist entweder unmittelbar in der Beziehung sichtbar oder es zeigt sich im Spiel. Bei der Einschätzung der Beziehung anhand der OPD-KJ verlassen wir uns weniger auf die von unseren Patienten berichteten typischen Beziehungsepisoden, sondern mehr auf die unmittelbare Beziehungs gestaltung im Kontakt mit uns. Aus der teilnehmenden Beobachtung heraus wird anhand der Operationalisierung die Beziehung kodiert. Wir beschränken uns nicht nur auf das dysfunktionale Verhalten, sondern kodieren auch – im Sinne von Ressourcen – positives Beziehungsverhalten.

Bei der Gestaltung der Beziehungsachse haben wir uns von dem Modell leiten lassen, dass Beziehungen und die damit verbundenen Affekte immer «zusammen gesetzte» Verhaltens- und Gefühlsweisen darstellen. Diese komplexen Gefühle können mit dem Kreismodell des SASB (Benjamin, 1974) beschrieben werden. In diesem Modell werden Beziehungskonstellationen auf zwei senkrecht aufeinander stehenden Achsen beschrieben. Wenn ambivalente Beziehungsgefühle nicht integriert werden können und sich im Laufe eines Interviews beispielsweise in unvereinbare Gegensätze aufspalten (das Kind, das zuerst angepasst ist und dann den Therapeuten attackiert), so kann das Mischungsverhältnis dargestellt werden, das den vorhandenen ambivalenten Anteilen der Erziehungsgestaltung entspricht. Eine adäquate Beziehungsdiagnostik für das Kindes- und Jugendalter setzt voraus, dass die unterschiedlichen Beziehungsebenen des Kindes Berücksichtigung finden. So hat der Untersucher die Möglichkeit, zwischen den Ebenen Kind- Untersucher, Kind-Vater, Kind-Mutter usw. bis hin zu Triaden die Beziehungen anhand der Operationalisierungen zu kodieren. Für das praktische Vorgehen schlagen wir ein schrittweises Vorgehen vor, je nachdem, welche Beziehungsebene dem Untersucher am wichtigsten erscheint. In der Regel wird man von der Beurteilungsebene Kind-Untersucher ausgehen.