Perry Rhodan 126: Lockruf aus M 3 (Silberband) - 8. Band des Zyklus 'Die Kosmische Hanse'

von: Kurt Mahr, H. G. Ewers, William Voltz, Marianne Sydow, K. H. Scheer, Horst Hoffmann, Detlev G. Winter

Perry Rhodan digital, 2014

ISBN: 9783845331256 , 432 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Perry Rhodan 126: Lockruf aus M 3 (Silberband) - 8. Band des Zyklus 'Die Kosmische Hanse'


 

1.


 

Sie stand an der Glassitscheibe und starrte hinaus in die düstere Landschaft, die sich in einen Sumpf verwandelt hatte. Nach einer Stunde Dauerregen ertranken die seltsam geformten Felsen im flüssigen Ammoniak. Der Orkan peitschte tief hängende Wolkenbänke vor sich her. Hin und wieder aufreißende Lücken erlaubten einen kurzen Blick auf die fahle rote Sonne; jeweils für wenige Sekunden herrschte dann ein gespenstisches Zwielicht.

Blitze wühlten die ohnehin tobende Atmosphäre weiter auf. Ein Gewitter auf EMschen war, als reiße die Hölle auf, um alles zu verschlingen.

Nikki Frickel schauderte bei dem Gedanken daran, dass diese Hölle kein Fegefeuer kannte – über dem Sumpf herrschten extreme Minustemperaturen, aber im Innern der Kuppel war es einigermaßen warm. Nikki hatte sogar den Helm ihrer Schutzmontur geöffnet und zurückgeklappt.

Der provisorische Arbeitsraum durchmaß acht Meter, zwei hohe Röhrengänge mündeten ein. Wände und Boden der Kuppel waren bislang kahl, die Roboter hatten erst angefangen, einen kleinen Transmitter zu installieren. Das primitive Sitzgestell auf der anderen Seite war Narktors Werk. Wenn es schon nichts zu tun gab, hatte der Springer lauthals verkündet, wolle er es wenigstens bequem haben.

Nikki musterte den finster dreinblickenden Rotbart.

Unwillig verzog er das Gesicht. »Ich frage mich, was wir hier sollen. Die Roboter brauchen keine Aufpasser.«

Nikki Frickel hatte ein lebhaftes, ausdrucksstarkes Gesicht und große Augen, die oft zu rege in die Welt blickten. Sie und Narktor gehörten zu den Galaktikern, die vor wenigen Stunden zum zweiten Mal auf der Höllenwelt EMschen gelandet waren. Sie waren hier, weil Perry Rhodan die Geheimnisse des Planeten lösen wollte.

Aus dem Augenwinkel nahm Nikki eine Bewegung wahr und fuhr herum.

 

Wenige Meter vor der Kuppel erhob sich ein mehrfach mannshoher Fels aus dem Sumpf. Im Widerschein der Blitze wagte sich aus einer Nische im oberen Bereich ein kleines, tellerförmiges Geschöpf hervor. Feine Haartentakel umgaben den Körper.

Dieses Wesen schob sich vorwärts, kollerte über die steile Flanke des Felsens und stürzte in den dünnflüssigen Morast. Schlagartig schien der Sumpf auszutrocknen, und die eben noch kleine Kreatur blähte sich wie ein Ballon auf. Sie wuchs, bis sie fast die Höhe des Felsens erreichte.

Nikki Frickel wich vom Fenster zurück. Es gab einen dumpfen Laut, und die Kuppel bebte leicht, als der riesenhaft angewachsene Kriechschwamm gegen die Stahlwand prallte. Nikki lachte nervös.

Neben dem Felsen erschien eine zweite Kreatur. Dieser Schwamm durchmaß gut eineinhalb Meter, wohingegen sein Artgenosse anfangs kaum größer als ein menschlicher Handteller gewesen war. Der größere Schwamm rollte auf den prallen Ballon zu und traktierte ihn mit seinen Haartentakeln. Augenblicke später schrumpfte das aufgeblähte Wesen, weil es alle aufgenommene Flüssigkeit wieder absonderte.

Dann erst geschah das wahrhaft Unglaubliche. Der Rollschwamm neigte sich zur Seite und hob den Kleinen mithilfe seiner vielen dünnen Tentakel auf; er setzte sich in Bewegung, rollte am Felsen vorbei und verschwand.

Erst jetzt bemerkte Nikki Frickel, dass der Springer neben ihr ans Fenster getreten war. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Narktor.

Sie antwortete nicht sofort. Die Rollschwämme lebten in Symbiose mit kleinen Amöben. Offenbar waren diese Amöben intelligent.

Der Kriechschwamm war seinem Instinkt gefolgt, als er sich in den Morast fallen ließ. In aufgeblähter Form hatte er die Kuppel angegriffen, aber der Rollschwamm hatte ihn daran gehindert. Warum? Vor wenigen Wochen war die DAN PICOT von Rollschwämmen, die ihre kleineren Artgenossen als Soldaten einsetzten, vertrieben worden. Hatten die Amöben ihre Einstellung geändert? Standen sie den Eindringlingen nicht länger feindlich gegenüber?

Nikki dachte darüber nach, als der Rollschwamm erneut auftauchte. Er schob sich ein Stück weit hinter dem Felsen hervor, und obwohl sein Körper keine erkennbaren Sinnesorgane aufwies, hatte Nikki den Eindruck, dass er die Kuppel beobachtete. Seine Körperbehaarung war von jenem undefinierbaren Graubraun, das sich dem Gelände anpasste. Lediglich am Rand des Körpers verlief ein hellerer Streif. Wie die erste graue Strähne im Haar eines alternden Menschen, dachte Nikki.

Sie fühlte ein eigenartiges Fluidum, das von dem fremden Geschöpf auszugehen schien. Einen Atemzug lang war ihr, als versuche der Schwamm, sich mit ihr zu verständigen. Doch jäh setzte sich die Kreatur wieder in Bewegung, rollte um den Fuß des Felsens herum und verschwand.

Nikki war verwirrt. Sie wich Narktors fragendem Blick aus und war dankbar dafür, dass aus einem der Röhrengänge Schritte erklangen. Eine hochgewachsene, dürre Gestalt kam. Der Mann klappte den Helm seines Schutzpanzers zurück.

»Wir sind so weit«, sagte Wido Helfrich. »Das Basislager steht!«

 

Der Gang wurde von Leuchtsträngen erhellt, die integrale Bestandteile seiner polymeren Struktur waren. Die anfängliche Zwischenschleuse war entfernt worden; frische Sauerstoffatmosphäre unter gewohntem Druck erfüllte die vierhundert Meter lange Strecke bis zum Fuß des Monolithen. Gravitonleiter, aus der TRAGER mit Energie versorgt, reduzierten die planetare Schwerkraft in dem Bereich auf weniger als ein Gravo.

Spezialroboter hatten die Materie des Talbodens zu Metallplast verarbeitetet und die Station im energiefeldgestützten Formverfahren erstellt. Während Wände, Boden und Decke entstanden waren, hatten die Roboter alle Versorgungsleitungen eingebettet. Insgesamt ein Vorgang von wenigen Stunden, denn Zeit war bei diesem Unternehmen von kritischer Bedeutung. Die wichtigsten Mitglieder des Expeditionskorps – Aktivatorträger und Mutanten – hatten nur wenige Tage, bis der schon bekannte geheimnisvolle Einfluss sie in den Bann lähmender Müdigkeit schlug oder ihre Zellaktivatoren erneut störte.

Der Gang endete in einem weiten Hohlraum. Der Einmündung gegenüber schimmerte pechschwarzer Fels. Die Verbindung mit dem Monolithen war hermetisch-flexibel ausgeführt, stabil genug, den Widernissen des Planeten zu trotzen.

Zwei Schritte vor der Wand blieb Nikki Frickel stehen. Eine Mischung aus Ehrfurcht, Staunen und Neugier zwang sie zur Zurückhaltung. Der Fels war eines der beiden Geheimnisse von EMschen. In der Mitte des Tales ragte er 150 Meter hoch auf. Offenbar hatte der Monolith als Einziger von vielen zwei Millionen Jahre überdauert.

Die Antwort nach dem Warum mochte zum Greifen nahe sein.

»Haben wir wirklich vor, den Felsen anzukratzen?«, fragte Nikki. »Wir wissen, dass er sich gegen Verletzungen sträubt. Was geschieht, falls er sich massiv zur Wehr setzt?«

»Das werden wir herausfinden«, sagte Helfrich. »Hat der Monolith Kräfte, über die andere Felsen nicht verfügen?«

Mein Gott, dachte Nikki Frickel. Wir setzen diesen Stein schon mit einem lebenden Wesen gleich.

Sie trat vollends an die Felswand heran und strich mit der Hand behutsam über das glatte, schwarze Gestein. Durch den Handschuh hindurch glaubte sie, ein sanftes Prickeln zu spüren. Das konnte nur Einbildung sein. Die Vorstellung eines lebenden Felsblocks war zu extrem.

 

Mh-Kleinenführer lag im Schutz des großen Steinbrockens, der Regen trommelte dennoch auf seinen Wirtskörper. Die primitiven Wahrnehmungsorgane des großen Schwamms trugen ihm Informationen zu, die detaillierter waren, als der Schwamm selbst sie jemals hätte verarbeiten können. Vertraute Eindrücke mischten sich mit fremden. Vertraut waren der Regen, das Gestein, die schnell treibenden Wolken und das unaufhörliche Zucken der Blitze. Fremd und hässlich war der Wurm, der sich mit beeindruckendem Tempo über den Talboden geschoben hatte.

Mh-Kleinenführers anfängliche Verwirrung hatte sich gelegt. Als ihm Pn vom ersten Besuch der Fremden berichtete, der mittlerweile über eine Generation zurücklag, da hatte er sich skeptisch gefragt, ob Pn an den Folgen einer Überdosis Moosmaische litt.

»Die Fremden sind gefährlich«, hatte Pn getastet. »Ihren Kräften haben wir nichts entgegenzusetzen. Unsere einzige Hoffnung liegt in der Schläue, nur so konnten wir sie vertreiben. Denk daran, falls sie zurückkehren!«

Bald darauf war Pn gestorben. Mh hatte das Amt des Kleinenführers übernommen, wie es der Brauch erforderte. Er war der Mittlere der drei Jüngeren, die Pn-Kleinenführer der Nachwelt hinterlassen hatte, und der Erste, der ihn erreichte, nachdem sein Sterberuf erklungen war.

Er hatte nie gewusst, ob er Pns Worte akzeptieren solle – bis jetzt. Die Fremden waren zurück.

Zuerst hatte er geglaubt, es nur mit einem kugelförmigen Gebilde zu tun zu haben. Aber sie war die Behausung der Fremden, denn aus ihr waren kurz darauf die zwei Würmer hervorgedrungen – einer nach Norden, auf den Fuß des Guten zu, ein zweiter nach Südwesten, in Richtung des Großen. In frevelhafter Begierde interessierten sie sich für die beiden Göttlichen, denen die Verehrung aller galt, die im Tal und in dessen Umgebung lebten.

Mh hatte rasch erkannt, dass die Würmer hohl waren und nichts anderes als eine weitere jener Kräfte, deren sich die Fremden bedienten. Der nach Norden führende Wurm sollte ihnen ermöglichen, von der Kugel bis zum Fuß des Guten zu gelangen, ohne dass sie sich der Witterung aussetzen mussten, die ihnen offenbar abträglich war. Ohne Zögern hatte Mh die Kleinen seiner Sorgegruppe zusammengetrommelt und sie entlang dieses Wurms postiert. Das Gebilde musste beseitigt werden, es stellte eine Bedrohung des Guten dar. Zur selben...