Warrior Cats - Zeichen der Sterne. Der vierte Schüler - IV, Band 1

von: Erin Hunter

Beltz, 2014

ISBN: 9783407744449 , 335 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Warrior Cats - Zeichen der Sterne. Der vierte Schüler - IV, Band 1


 

1. KAPITEL
Der volle Mond zog über den wolkenlosen Himmel und warf tiefe, schwarze Schatten über die Insel. Die Blätter der Großen Eiche raschelten in der heißen Brise. Eingepfercht zwischen Ampferschweif und Graustreif, fühlte sich Löwenglut, als müsste er ersticken.
»Nicht einmal nachts wird es kühler«, knurrte er.
»Stimmt«, seufzte Graustreif, der unruhig auf der trockenen, staubigen Erde hin und her rutschte. »Die Blattwechsel werden immer heißer. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann es zum letzten Mal geregnet hat.«
Löwenglut reckte sich und hielt über die Köpfe der übrigen Katzen hinweg nach seinem Bruder Häherfeder Ausschau, der bei den Heiler-Katzen saß. Kurzstern hatte gerade berichtet, dass Rindengesicht gestorben war, und Falkenflug, die nun allein zurückgebliebene Heiler-Katze, wirkte ziemlich nervös, weil sie ihren Clan zum ersten Mal allein repräsentieren musste.
»Häherfeder sagt, dass der SternenClan ihn nicht vor der Dürre gewarnt hat«, miaute Löwenglut Graustreif zu. »Ich frage mich, ob irgendeine andere Heiler-Katze …«
Er brach ab, als sich Feuerstern, der Anführer des DonnerClans, von seinem Ast erhob, auf dem er gesessen und gewartet hatte, bis er an die Reihe kam. Leopardenstern, die Anführerin des FlussClans, hockte auf einem Ast direkt unter ihm und blickte zu ihm hinauf. Der WindClan-Anführer Kurzstern lehnte sich einige Schwanzlängen höher in eine Astgabel, während Schwarzstern, der SchattenClan-Anführer, auf einem Ast darüber nur an seinen Augen zu erkennen war, die zwischen den Blättern hindurchschimmerten.
»Wie jedem anderen Clan macht die Hitze dem DonnerClan zu schaffen«, hob Feuerstern an. »Aber wir kommen gut zurecht. Zwei unserer Schüler sind zu Kriegern ernannt worden: Rosenblatt und Unkenfuß.«
Löwenglut sprang auf die Pfoten. »Unkenfuß! Rosenblatt!«, jaulte er. Der restliche DonnerClan fiel ein, zusammen mit einigen Katzen aus dem WindClan und dem SchattenClan. Allerdings bemerkte Löwenglut, dass die Krieger des FlussClans schwiegen und dabei feindselig um sich blickten.
Was ist denen in den Pelz geraten? Es gehörte sich nicht, frisch ernannten Kriegern eines fremden Clans auf einer Großen Versammlung den Willkommensgruß zu verweigern. Er zuckte mit den Ohren. Das würde er nicht vergessen, wenn Leopardenstern die nächste FlussClan-Ernennung verkündete.
Die beiden neuen DonnerClan-Krieger senkten verlegen die Köpfe, aber ihre Augen leuchteten bei den Rufen der Clans. Wolkenschweif, Unkenfuß’ Mentor, plusterte sein Fell auf vor Stolz, während Eichhornschweif, die Rosenblatt trainiert hatte, die jungen Krieger liebevoll beobachtete.
»Wieso Feuerstern Eichhornschweif nicht als Mentorin abgesetzt hat, werde ich nie verstehen«, murmelte Löwenglut vor sich hin. »Nachdem sie uns die ganze Zeit vorgelogen hat, wir wären ihre Jungen.«
»Feuerstern weiß, was er tut«, antwortete Graustreif. Löwenglut zuckte zusammen, als ihm bewusst wurde, dass der graue Krieger jedes Wort seiner Kritik gehört hatte. »Er vertraut Eichhornschweif und will jeder Katze zeigen, dass sie eine gute Kriegerin und ein wertvolles Mitglied des DonnerClans ist.«
»Vermutlich hast du recht.« Löwenglut blinzelte verlegen. Er hatte Eichhornschweif so sehr geliebt und respektiert, als er noch glaubte, sie wäre seine Mutter, aber wenn er sie jetzt ansah, fühlte er sich kalt und leer. Ihr Verrat an ihm und seinen Wurfgefährten war so ungeheuerlich, dass er ihr nicht verzeihen konnte. Oder etwa doch?
»Wenn ihr dann fertig seid …« Leopardenstern erhob die Stimme über das letzte Willkommensjaulen und stand auf. Feuerstern bedachte sie mit einem funkelnden Blick. »Der FlussClan hat auch noch etwas zu berichten.«
Feuerstern neigte vor der Anführerin des FlussClans höflich den Kopf, trat einen Schritt zurück, setzte sich wieder und legte den Schwanz um die Pfoten. »Du hast das Wort, Leopardenstern.«
Die FlussClan-Anführerin war die Letzte mit ihrem Bericht auf der Versammlung, und Löwenglut hatte gesehen, wie ihre Schwanzspitze ungeduldig zuckte, als die anderen Anführer sprachen. Jetzt schweifte ihr stechender Blick über die Katzenversammlung und ihr Nackenfell sträubte sich vor Wut.
»Beutediebe!«, fauchte sie.
»Was?« Löwenglut war mit einem Satz auf den Pfoten, aber sein entsetzter Ausruf verlor sich im Tumult, denn noch mehr Katzen vom DonnerClan, WindClan und SchattenClan waren aufgesprungen, um zu protestieren.
Leopardenstern starrte auf sie hinab. Sie hatte die Zähne gefletscht und versuchte gar nicht erst, den Tumult zu beenden. Instinktiv blickte Löwenglut zum Himmel auf, aber da waren keine Wolken, die den Mond verdecken könnten. Der SternenClan ließ nicht erkennen, ob er über die ungeheuerliche Beschuldigung verärgert war. Als ob irgendeiner der anderen Clans ihren schleimigen, stinkenden Fisch stehlen würde!
Erst jetzt fiel ihm auf, wie dünn die FlussClan-Anführerin war, deren Rippen spitz unter ihrem gefleckten Pelz hervorstachen. Löwenglut sah sich um und bemerkte, dass die übrigen FlussClan-Katzen nicht besser aussahen, sogar noch abgemagerter wirkten als seine eigenen Clan-Gefährten und die SchattenClan-Krieger – und dünner als die WindClan-Katzen, die, selbst wenn sie wohlgenährt waren, spindeldürr erschienen.
»Sie verhungern …«, flüsterte er.
»Wir hungern alle«, antwortete Graustreif.
Löwenglut seufzte. Der graue Krieger hatte recht. Beim DonnerClan mussten sie in der Morgen- und der Abenddämmerung jagen, um die sengende Tageshitze zu meiden. Die Stunden um Sonnenhoch verbrachten die Katzen zusammengerollt auf den kostbaren Schattenplätzen am Fuß der Wände des Felsenkessels. Momentan herrschte Frieden zwischen den Clans, wobei Löwenglut vermutete, dass sie einfach alle zu schwach zum Kämpfen waren und kein Clan so viel Beute hatte, dass es sich lohnen würde, darum zu streiten.
Feuerstern erhob sich noch einmal auf die Pfoten und gebot mit einer Schwanzgeste Ruhe. Allmählich legte sich der Aufruhr, die Katzen setzten sich wieder und richteten ihre wütenden Blicke auf die FlussClan-Anführerin.
»Es gibt sicher einen guten Grund, warum du uns alle beschuldigst«, miaute Feuerstern, nachdem er sich Gehör verschafft hatte. »Würdest du dich uns erklären?«
Leopardenstern peitschte mit dem Schwanz. »Ihr alle habt Fisch aus dem See gestohlen«, fauchte sie. »Aber dieser Fisch gehört dem FlussClan.«
»Nein, das tut er nicht«, widersprach Schwarzstern und steckte den Kopf durch die Blätter. »Der See grenzt an alle unsere Territorien. Wir haben die gleichen Rechte an den Fischen wie ihr.«
»Besonders jetzt«, schloss sich Kurzstern an. »Wir leiden alle unter der Dürre. Beute ist in jedem Territorium rar. Wenn wir keinen Fisch essen dürfen, werden wir verhungern.«
Löwenglut starrte die beiden Anführer erstaunt an. Herrschte beim SchattenClan und beim WindClan tatsächlich so großer Hunger, dass sie ihre Frischbeutehaufen mit Fisch auffüllten? Dann musste die Lage wirklich schlimm sein.
»Aber uns geht es besonders schlecht«, bekräftigte Leopardenstern. »Der FlussClan isst keine Beute außer Fisch, also sollte er ausschließlich uns gehören.«
»Das ist doch mäusehirnig!« Eichhornschweif war aufgesprungen, ihr Schwanz peitschte. »Heißt das, ihr beim FlussClan könnt nichts anderes essen? Du gibst also zu, dass deine Krieger unfähig sind und keine Mäuse fangen können?«
»Eichhornschweif!« Brombeerkralle, der Zweite Anführer des DonnerClans, hatte einen gebieterischen Ton angeschlagen und sich von seinem Platz bei den Zweiten Anführern auf den Wurzeln der Großen Eiche erhoben. Kühl und höflich fuhr er fort: »Es steht dir nicht zu, hier deine Meinung zu äußern. Und dennoch«, fügte er an Leopardenstern gewandt, »hat sie nicht ganz unrecht.«
Der Ton, den Brombeerkralle angeschlagen hatte, ließ Löwenglut zusammenzucken und weckte in ihm sogar einen Funken Mitgefühl für Eichhornschweif, die sich wieder setzte und den Kopf senkte wie eine Schülerin, die in aller Öffentlichkeit von ihrem Mentor gerügt worden war. Nach sechs Monden, zwei ganzen Blattwechseln, hatte Brombeerkralle seiner ehemaligen Gefährtin immer noch nicht verziehen, dass sie die Jungen ihrer Schwester Blattsee für ihre eigenen erklärt hatte – und somit auch zu seinen gemacht hatte. Löwenglut schwirrte immer noch manchmal der Kopf, wenn er daran dachte, dass Brombeerkralle und Eichhornschweif nicht seine richtigen Eltern waren. Sein Bruder Häherfeder und er waren die Jungen von Blattsee, der ehemaligen Heiler-Katze, und Krähenfeder, einem WindClan-Krieger. Seit die Wahrheit ans Licht gekommen war, hatten Brombeerkralle und Eichhornschweif kaum mehr ein Wort miteinander gewechselt, und selbst wenn Brombeerkralle Eichhornschweif zwar nie für besonders harte Aufgaben und gefährliche Patrouillen einteilte, um sie zu bestrafen, sorgte er doch stets dafür, dass sich ihre Wege bei der Ausübung ihrer Pflichten niemals kreuzten.
Eichhornschweifs Lüge war allein schon schlimm genug, aber durch ihr Geständnis war noch viel mehr schiefgelaufen. Sie hatte die Wahrheit preisgegeben in dem verzweifelten Versuch, ihre angeblichen Jungen vor Aschenpelz’ Mordlust zu retten. Aschenpelz hatte sich an ihr rächen wollen, weil sie Brombeerkralle ihm vorgezogen hatte, Monde bevor Löwenglut und seine Wurfgefährten geboren wurden. Distelblatt, die Schwester von Löwenglut und Häherfeder, hatte Aschenpelz getötet, um zu verhindern, dass er das Geheimnis auf einer...