Die drei ??? und der Super-Wal (drei Fragezeichen)

von: Marc Brandel

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2014

ISBN: 9783440143469 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 5,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die drei ??? und der Super-Wal (drei Fragezeichen)


 

Die Lebensretter


»Da spritzt er!«, rief Bob Andrews. »Seht doch – da drüben!«

Er zeigte aufgeregt aufs Meer hinaus. Tatsächlich war etwa fünf oder sechs Kilometer vor der Küste für die Dauer einer Minute ein riesenhafter, länglicher Körper aufgetaucht. Eine Wasserfontäne sprühte hoch auf und wurde pilzförmig nach allen Richtungen in die Luft geschleudert. Dann tauchte der große Grauwal wieder in den Ozean ein.

Die drei ??? – Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews – standen oben an der Steilküste, hoch über dem Ufer. Es war der erste Tag der Frühlingsferien. Sie waren am Morgen früh aufgestanden und mit den Fahrrädern ans Meer gefahren, denn sie wollten den Zug der Grauwale miterleben.

Alljährlich im Februar und März ziehen tausende dieser riesenhaften Geschöpfe von Alaska nach Mexiko an der Pazifikküste entlang. In den warmen Gewässern vor der mexikanischen Halbinsel Baja California bringen die Muttertiere ihre Jungen zur Welt.

Darauf ruhen sich die Wale einige Wochen aus, um neue Kräfte zu sammeln, ehe sie sich zur achttausend Kilometer weiten Rückreise in den Norden aufmachen. Den Sommer verbringen sie dann in den ergiebigen Weidegründen voller winziger Krabben und Plankton, wovon es in den arktischen Gewässern wimmelt.

»Anscheinend weiß niemand genau, wie die Wale wieder in den Norden hinaufgelangen«, erwähnte Bob.

Bob Andrews arbeitete stundenweise in der Bibliothek von Rocky Beach und er hatte sich am Vortag aus Büchern über die Wale informiert.

»Und warum nicht?«, fragte Peter.

»Auf dem Rückweg konnte sie noch niemand beobachten«, berichtete Bob nach einem Blick in sein Notizbuch. »Auf der Reise südwärts bilden sie eine geschlossene Gruppe und sind leicht zu sehen. Daher glauben manche Leute, dass sie sich auf dem Rückweg trennen und zu Paaren durch den Pazifik ziehen.«

»Hört sich vernünftig an«, meinte Peter Shaw. »Dann sind sie für andere nicht so leicht zu erspähen. Was meinst du, Justus?«

Aber der Erste Detektiv, Justus Jonas, hatte anscheinend gar nicht zugehört. Er sah auch nicht aufs Meer hinaus, wo ein zweiter Grauwal aufgetaucht war und seine Wasserfontäne in die Luft spritzte. Sein Blick war auf den öden Strand unten gerichtet. Hier hatte in der vorigen Woche ein Sturm gewütet und der Sand war nun mit Treibholz, Plastikteilen und Büscheln von Tang bedeckt, die von den schweren Seen angespült worden waren.

»Ich glaube, da unten bewegt sich etwas.« Justus wirkte betroffen. »Kommt mit.«

Der Fußpfad zum Ufer hinunter war eine steile Rutschpartie und Justus musste immer wieder mit durchgedrückten Knien abbremsen. Unten angekommen, lief er schräg über den Strand zum Wasser hin. Peter und Bob folgten ihm.

Es war Ebbe, die jedoch den Tiefstand noch nicht erreicht hatte. Die drei Jungen liefen einige Minuten lang über den Sand, bis Justus anhielt. Keuchend zeigte er auf etwas, das sich ein paar Meter vom Ufer entfernt im seichten Wasser befand.

»Das ist ja ein Wal!«, erkannte Peter.

Justus nickte. »Hier ist ein Wal gestrandet. Zumindest ist es gleich so weit, wenn wir ihm nicht helfen.«

Die drei ??? zogen rasch Schuhe und Strümpfe aus. Sie ließen sie auf dem trockenen Sand zurück, krempelten die Hosenbeine hoch und wateten ins Meer hinaus.

Es war ein kleiner Wal, nur etwa zweieinhalb Meter lang. Ein Jungtier, vermutete Bob, das sich von seiner Mutter entfernt hatte und von den schweren Brechern zum Ufer hin geschwemmt worden war.

Am Strand war es hier so seicht, dass die Jungen noch in knapp knöcheltiefem Wasser wateten, als sie das sich heftig aufbäumende Tier erreichten. Für die drei war es ein Glück, denn es war ein kühler Morgen und das Wasser war eiskalt. Aber gerade dieser seichte Uferstreifen hatte den Wal daran gehindert, wieder in die offene See hinauszuschwimmen.

Die drei Freunde schoben und zogen an dem Wal. Sie versuchten sogar, ihn anzuheben. Für seine Größe war er erstaunlich schwer – er wog bestimmt eine Tonne, schätzte Justus – und der massive Rumpf war so schlüpfrig und glatt wie Eis. Es gab auch nichts Greifbares außer dem Schwanz oder den Flossen, und die Jungen befürchteten, dass sie den kleinen Wal verletzen könnten, wenn sie zu energisch zupackten.

Der Wal schien vor den Jungen überhaupt keine Angst zu haben. Er begriff offenbar sofort, dass sie versuchten, ihm zu helfen. Als die drei ihn umringten und sich abmühten, ihn vom Sandboden weg in größere Wassertiefe zu bringen, sah er sie freundlich und ermunternd an.

Bob beugte sich vor und versuchte, die Arme um den Körper des Wals zu legen. Dabei fiel ihm etwas auf, und zwar am Spritzloch des Wals oben am Kopf. Er erinnerte sich, was er in der Bücherei über Grauwale gelesen hatte, und er erkannte, dass er sich möglicherweise täuschte, wenn er annahm, dass dies ein Jungtier war, das seine Mutter verloren hatte.

Gerade wollte er Justus und Peter von seiner Entdeckung berichten, als ein besonders schwerer Brecher unaufhaltsam heranrollte. Die drei Jungen wurden von dem starken Anprall getroffen und verloren ihren festen Stand. Als sie endlich alle wieder sicher auf den Füßen standen, hatte sich das Wasser am Ufer noch weiter zurückgezogen. Es bedeckte jetzt kaum noch ihre Zehen, und der kleine Wal, den der Brecher noch weiter landeinwärts gespült hatte, lag nun auf dem Sand.

»Verflixt«, sagte Peter. »Jetzt ist er aber richtig gestrandet. Und die Flut kommt noch lange nicht.«

Bob nickte betroffen. »Das dauert noch mehr als sechs Stunden, bis die Flut wieder hoch genug ist und den Wal vom Strand mitnehmen kann.«

»Kann ein Wal auf dem Trockenen so lange überleben?«, fragte Peter seinen Freund.

»Leider nicht. Außerhalb seines Elements trocknet ein solches Tier sehr schnell aus und das ist lebensbedrohlich.« Bob bückte sich und tätschelte liebevoll den runden Kopf des Wals. Er tat ihm so leid. »Wenn wir ihn nicht schnellstens auf irgendeine Art ins Wasser zurückbefördern können, hat er keine Chance zum Überleben.«

Als habe er Bob verstanden, öffnete der Wal die Augen ganz weit. Er sah ihn traurig und schicksalsergeben an, fand Bob. Dann verengten sich die Augen des Tieres zu Schlitzen und schlossen sich langsam ganz.

»Ihn ins Wasser zurückbefördern?«, fragte Peter. »Wie denn? Wir bekamen ihn ja nicht einmal von der Stelle, als er noch weiter draußen im seichten Wasser lag.«

Bob wusste, dass Peter recht hatte. Er sah Justus an, und da ging ihm plötzlich auf, dass der Erste Detektiv sich schon lange nicht mehr zu Wort gemeldet hatte. Das sah Justus gar nicht ähnlich. Normalerweise brachte er als Erster einen Vorschlag an, wenn sie ein Problem vor sich hatten.

Auch wenn er gerade schwieg, war Justus anzumerken, dass er angestrengt überlegte. Er knetete seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger, wie er es beim Nachdenken oft tat. »Wenn der Prophet nicht zum Berge kommt«, sagte er schließlich, »dann muss eben der Berg zum Propheten kommen.«

»Bitte jetzt keine Orakelsprüche«, bat Peter. »Was soll denn das für ein Berg sein?«

Justus hatte die Angewohnheit, mit Vorliebe komplizierte Ausdrücke zu benutzen oder in Rätseln zu sprechen. Für die beiden anderen Detektive war dann schwer zu verstehen, worauf er hinauswollte.

»Der Berg in diesem Fall«, erklärte Justus, »ist der Ozean da draußen. Wenn wir einen Spaten hätten … Und – wartet mal – eine Plane. Und die alte Handpumpe, die Onkel Titus im vorigen Monat für den Schrottplatz gekauft hat, und einen guten, langen Schlauch …«

»Dann könnten wir eine Grube graben«, unterbrach ihn Bob.

»Und die mit der Plane auslegen«, setzte Peter hinzu.

»Und sie voll Wasser pumpen«, schloss Justus. »Wir könnten eine Art Schwimmbecken machen, damit der Wal notdürftig in seinem Element wäre, bis die Flut wieder hereinkommt.«

Nach kurzer Diskussion wurde beschlossen, dass Bob und Peter mit den Fahrrädern zum Schrottplatz zurückfahren und das Erforderliche holen sollten, während Justus bei dem gestrandeten Wal bleiben würde.

Als die beiden gegangen waren, suchte Justus das Strandgut am Ufer ab, bis er einen zerbeulten Plastikeimer gefunden hatte, der noch Wasser hielt. Die nächste halbe Stunde des Wartens auf die Freunde verbrachte er damit, zum Wasser zu laufen, den Eimer zu füllen, zurückzulaufen und den gestrandeten Wal zu begießen.

Dem Ersten Detektiv hatte körperliche Arbeit noch nie Spaß gemacht. Er zog es vor, sein Gehirn arbeiten zu lassen. »Wird allmählich Zeit«, äußerte er verdrossen, als die beiden anderen zurückkamen. Dabei waren sie genau besehen überraschend schnell wieder da.

Sie hatten alles mitgebracht, was Justus verlangt hatte: eine lange Rolle Zelttuch, die Handpumpe, einen guten scharfen Spaten und einen Schlauch.

»Wir wollen so nahe wie möglich bei dem Wal graben«, wies Justus die beiden an. »Dann können wir ihn am ehesten in unseren Teich wälzen.«

Peter, der stärkste der drei, übernahm den größten Teil des Grabens. Zum Glück war der feuchte Sand unter der Oberfläche ganz weich. Nach kaum einer Stunde hatten sie einen Graben ausgehoben, der etwa drei Meter lang, knapp einen Meter breit und fast einen Meter tief war.

Sie legten den Graben mit der Plane aus, um ihn abzudichten. Dann betätigte Peter am Wasser die Pumpe, während Bob und Justus den langen Schlauch zu ihrem Becken ausrollten. Es war eine gute Pumpe, die vermutlich einmal zu...