Ich weiß, dass Gottes Plan perfekt ist - Lydia - Ein Leben voller Vertrauen

von: Johannes Holmer, Eva-Maria Holmer

SCM Hänssler im SCM-Verlag, 2013

ISBN: 9783775171588 , 240 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,99 EUR

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Ich weiß, dass Gottes Plan perfekt ist - Lydia - Ein Leben voller Vertrauen


 

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Aidlingen


Anders als erträumt


Nachdem sich Puschels Wunsch, Pferdewirtin zu werden, zerschlagen hat, fragt ihr Opa eines Tages: »Wie wäre es mit Aidlingen?« In Aidlingen, im fernen Süden Deutschlands, befindet sich das Mutterhaus der Aidlinger Diakonissen, die dort unter anderem berufliche Orientierung für junge Frauen anbieten. Opa findet es wichtig, dass seine Enkel »etwas Ordentliches« lernen. Am liebsten wäre es ihm, vor allem im Blick auf seine älteste Enkeltochter, wenn sie gut vorbereitet eine Familie gründen würden. Geldverdienen und Karriere hält er zwar nicht für alles entscheidend, aber gut ist es allemal. Vor allem Familie und Kindererziehung sind der wichtigste Dienst an den Kindern selbst und an der Gesellschaft. Studieren ist zwar nicht schlecht, doch meist kommen die jungen Frauen dann in den Zugzwang, Karriere zu machen – wozu studiert man sonst? Kinder sind meist das Letzte, was dann zum Glück noch fehlt.

Puschel in der Aidlinger Zeit

Doch nicht nur Opa schlägt Aidlingen vor, auch wir Eltern können dem etwas Gutes abgewinnen. Es wäre für unser sechzehnjähriges Mädchen vom Lande sicher nicht schlecht, Erfahrungen mit gleichaltrigen Christen zu machen. Und der Schutz eines Mutterhauses ist hilfreich, um nach und nach selbstständig zu werden.

Natürlich kann Puschel selbst entscheiden, was sie tun möchte. Das Thema Haushalt hat sie aber noch nie interessiert. Ihr Ordnungssinn, um es vorsichtig auszudrücken, ist nicht besonders ausgeprägt. Sie müsste ihre Freiheit, die Natur und ihre Tiere eine Zeit lang aufgeben. Doch alle machen ihr Mut, dorthin zu gehen. Außerdem will Tabsi, eine Freundin aus der Nachbargemeinde, sie begleiten. Tabsi möchte in Aidlingen eine dreijährige Ausbildung machen. Für Puschel reicht das Vorstellungsvermögen allenfalls für ein Jahr, also für ein Hauswirtschaftspraktikum.

Wir können nicht wirklich sagen, wie sehr sie in dieser Zeit von Heimweh geplagt wird und sich durchbeißen muss. Puschel macht das Beste aus allemDie Diakonissen können sich wahrscheinlich am wenigsten vorstellen, wie stark sich das lebenslustige Dorfmädel aus Bülow, das doch eigentlich Pferdewirtin werden wollte, umstellen muss.

Sie kämpft sich durch – und findet Freude daran. Im Nachhinein schreibt sie über diese Zeit:

Gott hat mich 1999 durch meinen Opa nach Aidlingen geführt, wo ich erst richtig lernen konnte, mit Christen in Kontakt zu sein. Ich werde selbstständig. Gott hat mir bei allen Entscheidungen innere Ruhe gegeben. Gott hat mir auch liebe Eltern gegeben, die mir geholfen haben, dies alles durchzustehen. Ich habe es noch vor Augen, als ich mit der Bahn noch in Mecklenburg war, schon da überkam mich Heimweh. Ich habe überlegt, wie schön es ist, hier eine Heimat zu haben. Mir kam dann der Bibelvers in den Sinn: »Sagt Gott, was ihr braucht, und dankt ihm.«6 Und das tat ich dann auch. Denn es gibt Tausende Menschen, denen es viel schlechter geht als mir.

Puschel macht das Beste aus allem. Und das bedeutet für sie, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind, und sich gleichzeitig so viel wie möglich an ihnen zu erfreuen. Die feste Einbindung in die Regeln eines Mutterhauses akzeptiert sie zwar, aber so ein bisschen wird man sich ja wohl seine eigenen Freiheiten herausnehmen können … Ihre Freundin Tabsi aus Mecklenburg schildert:

Zu unseren Aufgaben gehörte das Singen im Jugendchor. In den Übungsstunden suchten wir uns unsere Plätze immer möglichst nebeneinander. Dass Puschel extrem gut aufpasste, kann man nicht sagen … Während der »superlangweiligen« Erklärungen, die zwischendurch zwangsläufig immer wieder anstanden, drehte sie die Notenblätter einfach um und malte dann Porträts unserer beiden Chorschwestern Christel und Annette. Ich traute meinen Augen kaum, als ich beim Entstehen dieser Bilder zusah. Sie traf mit einfachen Bleistiftstrichen deren Eigenarten punktgenau. Ich war mit diesen beiden Schwestern schon bald etwas enger befreundet und zeigte ihnen nach der Chorstunde Puschels Meisterwerk. Sie waren so beeindruckt, dass Puschel ganz plötzlich die Aufgabe bekam, Kulissen für die Kindermusicals zu malen.

Puschel genießt die Zeit mit den anderen Mädchen sehr. Einige stammen aus Nachbarorten und genießen darum ein paar Sonderrechte. Als im sieben Kilometer entfernten Gärtringen ein Jugendabend stattfindet, lässt sich Puschel nicht lange bitten mitzukommen, obwohl das für sie nicht erlaubt ist. Bei diesem einen Abend aber bleibt es nicht. Und es entstehen Freundschaften zu einer Reihe von Jugendlichen, natürlich auch zu Jungs (auwei – und das vom Mutterhaus aus!), die Lydias Leben prägen.

Irgendwann sind wir Eltern in Aidlingen zu Besuch bei Puschel. Wir erleben die Freundlichkeit und Gastfreundschaft des Mutterhauses und freuen uns, dass unser ostdeutsches Dorfmädchen gut in die geistliche Gemeinschaft eingebunden ist. Wir laufen gerade durch das Mutterhaus, als wir Puschel bei der Arbeit begegnen. Sie hat die Aufgabe, eine große, breite Marmortreppe zu putzen. Allerdings ist auch vor der Reinigung schon alles sauber, jedenfalls in Puschels Augen. Da ist es doch gar nicht einzusehen, dass man sich für eine so sinnlose Arbeit auch noch krumm macht. Also steht Puschel da, hält sich fröhlich am Geländer fest und hat den Wischlappen unter ihren Füßen, die sie ein wenig hin und her schiebt. Sie freut sich, uns zu sehen, und erklärt auf die Frage, was sie denn da gerade mache: »Na ja, ich mache sauber, aber ich mach das halt auf meine Weise.«

Zwei Mecklenburgerinnen in Schwaben – Tabsi und Puschel

Hier lernt sie auch Myri kennen, die eigentlich Myriam heißt, etwas älter ist und sie als Freundin bis zum Ende ihres Lebens begleitet. Myri hat von manchen der Musicals, die in Aidlingen und Umgebung mit den Kinder- und Jugendchören aufgeführt werden, die Texte geschrieben. Für einige der Musicals malt Puschel dann Kulissen für die Bühne. All das ist für sie nicht selbstverständlich. Ihre Freundin Myri schreibt über diese Zeit des Kennenlernens und der ersten Begegnungen:

Als Puschel nach Süddeutschland kam, war sie sehr geprägt von ihrer kleinen Welt in Bülow. Jeder, der sie kennenlernte, hörte von ihrem Papa und ihrer Mutti, von ihren Tieren und der Natur in Mecklenburg. Schon damals freute sie sich immer, wenn sie helfen konnte. Und so ließ sie oft den in die Gespräche einfließen, von dem sie diese Leidenschaft hatte: ihren Papa. Manchmal dachte ich, jeder zweite Satz beginnt mit »Papa …«, »Mutti …« oder »In Mecklenburg …«. Sie war einfach noch das kleine Mädchen vom Lande, das ihr Dorf und ihre Familie über alles liebte. Und das sollte sich auch nicht ändern – bis auf das Detail mit dem »kleinen Mädchen«. Das hat Gott über die Jahre so ziemlich in jeder Hinsicht verändert. War Puschel zu Beginn unserer Freundschaft jemand, der gerne überall mitmachte, doch nie die Führung übernahm, lernte sie über die Jahre Gruppen anzuleiten, zu organisieren und Initiative zu ergreifen. Nie hätte ich gedacht, dass Puschel jemals vor einer Gruppe von Menschen reden, niemals, dass sie etwas schriftlich verfassen würde, was andere lesen könnten. All das tat sie Jahre später immer wieder – stets mit dem einen Ziel: Menschen herauszufordern, Gott mehr zu vertrauen. Puschel war keine Schriftstellerin, keine Akademikerin und keine großartige Rednerin. Ihr Herz war einfach auf Gott ausgerichtet. Sie liebte ihn so sehr, dass sie kompromisslos verfolgte, was ihm am Herzen lag: Menschen. Das ließ sie Dinge tun, die sie sich selbst niemals zugetraut hätte, als sie mit siebzehn Jahren Aidlingen verließ.

Meine erste Begegnung mit Puschel war nicht einmal physischer Art. Ich hörte nur von »Puschel«, die als Praktikantin bei den Hauswirtschafterinnen ist und super zeichnen kann. Da wir gerade ein Musical fertig geschrieben hatten, zeichnete sie ein Bild, das als Vorlage für das Werbeplakat zu den Aufführungen dienen sollte. Darunter hatte man geschrieben: Zeichnung: Lydia Holmer. Ich weiß noch, wie ich ganz verwirrt fragte: »Aber das Bild ist doch von Puschel!?«

Puschel ließ sich nicht gerne den Spaß verderben, denn Spaß war doch das Wichtigste … Ihr Lieblingsspruch war lange: »Gott hat dir ein Gesicht gegeben. Lachen musst du selbst.« So unkompliziert wie möglich – das war Puschel am liebsten. Eigentlich war nichts wirklich ein Problem für sie. Und: Es war ein hartes Stück Arbeit, sie davon zu überzeugen, dass »Jungsklamotten« nicht wirklich hübsch an Mädchen sind und dass das Benutzen von Wimperntusche einen nicht gleich zum Modepüppchen macht …«

Mit ihrer Freundin Myriam (2001)

Am Ende ihres Jahrespraktikums ringt Puschel sich durch, im Süden zu bleiben und eine Ausbildung in einem Krankenhaus der Aidlinger Schwestern zu machen. Doch auf ihre Bewerbung hin wird ihr gesagt, sie habe doch ein recht mangelhaftes Sozialverhalten. Das ist wohl die Quittung von einer Schwester, die für Puschels Sondertouren nach Gärtringen in den Jugendkreis wenig Verständnis aufbringen konnte … Puschel bekommt eine Absage. Doch wenn es auch im ersten Moment eine Enttäuschung ist, stürzt es sie nicht in eine Krise. Sie wendet sich der Zukunft zu. In ihrem Tagebuch schreibt sie:

… so langsam kam dann der Sommer, und jeder fragte mich, was ich danach machen wollte. Myri hatte mich nach Herrenberg zum Eisessen eingeladen. Wir bekamen plötzlich einen Anruf von Schwester Anne,...